Biodynamik

Stand: 02.04.2015

Biodynamische Psychologie

nach Gerda Boyesen

Gerda Boyesen wurde 1922 in Bergen, Norwegen geboren. So, wie sich Alexander Lowen hauptsächlich mit der Ich-stärkenden Arbeit mit dem Willkür-Muskelsystem beschäftigt hat (im Artikel zur Bioenergetik nachzulesen), um mit Hilfe der eher als männlich assoziierten, sich durchsetzenden Kräfte aus alten Opferhaltungen und inneren Konflikten wieder zur Klarheit und Handlungsfreiheit und zur Abgrenzungsfähigkeit einer gesunden Identität zu gelangen, so hat Gerda Boyesen wie eine Art Gegengewicht dazu die biodynamische Therapie entwickelt.

Biodynamik - eine Yin-betonte Therapie

Gerda Boyesen hat sich selbst oft als "Hebamme der Seele" bezeichnet. Von guter Psychotherapie verlangte sie selbst, dass sie als angenehm erlebt wird, in jeder Sitzung einen neuen Schritt ermöglicht und dass die Sitzung mit einem "Happy End" abschließt. In der Boyesen-Therapie werden besonders auch die weiblichen und kindlichen Anteile eingeladen, sich mit ihrem Schmerz und Defizit, mit ihrem Strömen und der Fähigkeit zum Genießen zu zeigen.

Massagen für die Seele

Berühmt geworden ist diese Therapie durch die biodynamischen Massagen. Sie werden oft mit einem Stethoskop durchgeführt, das der Klient auf dem Bauch liegen hat. Der massierende Therapeut orientiert sich an den Tönen der sogenannten Psychoperistaltik, also Darmgeräuschen, die nicht von der Verdauung des Speisebreis herrühren, sondern von der Aktivierung und Verdauung psychischer Spannungen, die in Lösung geraten. Eine geflügelte Zahl ist die 40:60. Sie besagt, dass ungefähr 40% der seelischen Anspannungen bei und nach den Massagen verdaut werden können und den Körper auch tatsächlich verlassen, während etwa 60% als Erinnerungen (Gefühle und Bilder) wieder auftauchen und Durcharbeiten und Integrieren erfordern.

Die Verdauung alter Hormonreste

Gerda Boyesen entdeckte Hormone, vor allem die Streßhormon-Cocktails, als eine Art flüssiges Gefühlsgedächtnis. Werden diese Hormoncocktails nicht wie es ihrer Natur entspricht verbraucht (durch Flucht oder gelingende Abwehr im Gefahrenfall oder wenigstens dem angemessenen Ausdruck über Stimme und Bewegung) dann kreisen diese Cocktails im Blut, machen unruhig und nervös und werden schließlich im Körpergewebe abgelagert. Durch die Massagen wird dieses gespeicherte Körpergedächtnis wieder aktiviert und kann nun besseren Lösungen zugeführt werden, also entweder dem Wiedererleben der alten Situation, aber diesmal mit einem inszenierten oder phantasierten besseren Ausgang oder indem es, wie oben beschrieben, gleich der psychisch-physiologischen Verdauung zugeführt wird.

Das Massage-System

Die Massagetechnik besteht aus einer als sehr angenehm und entspannend erlebten kreisenden Grundtechnik. Die Vielfalt der Massage-Arbeit beruht auf den vielen verschiedenen Zielen und Zwecken: Schnelles Vorgehen aktiviert eher, langsames bringt mehr in die Entspannung (und damit auch in die Regression). Manche Massage-Reihenfolgen holen eher gehaltene Themen, andere leiten Überspannung, die bereits aktiviert ist, aus dem Körper heraus. Es gibt diagnostische Massagen, Körperbereichsmassagen wie zum Beispiel spezielle Bauch- oder Kopfmassagen und so fort.
Auch die Art der Töne, die der Darm des Massierten produziert, gibt Aufschluss: Es gibt fließende, murmelnde, knallende, zischende, rumpelnde, knarrende, singende und viele andere Töne. Sie sind wie eine eigene "Bauch-Sprache", die der versierte Boyesen-Therapeut zu deuten vermag.

Die feinstofflichen und die spirituellen Bereiche

Wie es die Arbeit mit kindlichen, auch frühkindlichen Energien gern mit sich bringt, hat auch Gerda Boyesen über die Jahre immer mehr Wert auf die Arbeit mit feinstofflichen Energien, wie zum Beispiel der Aura, gelegt. So entwickelte sie eine ganze Anzahl von speziellen Aura-Massagen. Die spirituellen Anteile, das Verbundensein der Lebewesen miteinander, Ahnungen und deutliche Hinweise aus der nicht verkörperten Welt waren ihr sehr vertraut. So hat sie zum Beispiel des Öfteren wertvolle Hinweise für ihre Forschungsarbeit von einer inneren Stimme bekommen, die, wie sie meinte, vielleicht von C.G Jung stammte.
Die Biodynamik hat also zum Ziel, den Wert, die Wonne, die Köstlichkeit des Lebens und die Fähigkeit, sich ihm hinzugeben, wieder erlebbar zu machen. Dass wir wieder staunen lernen und wieder erleben, wie die pure Lebenskraft durch uns strömt, macht das Leben kostbar und erfüllt.

Die Vielfalt und Tiefe der Biodynamik

Viele Grundlagen der biodynamischen Lehre finden sich ebenfalls in der Vegetotherapie von Wilhelm Reich. In der Biodynamik werden auch modifizierte bioenergetische Elemente verwendet, aber das Gebot, dem energetischen Geschehen des Klienten zu folgen, wird noch nachdrücklicher beachtet.
Die Biodynamik verfügt über ein breites Repertoire einzigartiger Interventionen, wozu neben sehr wirkungsvollen Gesprächsinterventionen auch die Arbeit mit vorgeburtlichen und frühkindlichen Erlebnissen gehört. In einer Biodynamischen Therapie geschieht es auch nicht selten, der Klient seine Geburt wiedererlebt, die so die Chance hat, noch einmal, aber in gelöster Form stattzufinden.
Die Biodynamik gelangt über die Entspannung, also über den parasympatischen Zustand, an die gespeicherten problematischen Themen und bringt sie so in Lösung.
So angenehm die Therapie, insbesondere die Massagen auch erlebt werden, ist die Biodynamik dabei doch eine der wirkungsvollsten Methoden überhaupt, gehaltene und
blockierte Energien wieder zum Strömen zu bringen und fast von selbst den spirituellen Sinn des Lebens wieder spürbar werden zu lassen.

Typenlehre

Auch die Biodynamik hat eine Menschentypenlehre entwickelt, die den Grad der Widerstände (Schutzhaltungen) unterscheidet: Stein - neurotischer Krieger - spiritueller Krieger - Prinzessin auf der Erbse - Sonnenschein.
Jeder Typ braucht eine andere Art von Therapie.
In der Praxis zeigt sich, dass die meisten Menschen eher eine einzigartige Mischung dieser Typen sind, die in ihrem eigenen selbstregulierten Tempo auftauchen und mit denen dann förderlich gearbeitet werden kann.

Therapie im vorsprachlichen Raum

Ein sehr großer Wert der Biodynamik ist, dass sie behutsame und wirkungsvolle Möglichkeiten auch für vorsprachliche Therapiesituationen hat, wenn also der Klient sich dort wiederfindet, wo sein Erleben noch nicht in Worte gekleidet werden konnte. So traut sich die Seele, anders oft als in nur sprachlich orientierten Therapiemethoden, auch in diese Zeiten zurück, in denen nicht selten die späteren problematischen Lebenseinstellungen ihre Wurzel haben.

Für wen ist die Biodynamik geeignet?

Wer mit Lebensangst, Resignation, chronischen depressiven Verstimmungen (nicht: Depressionen) kämpft,
wer die Welt als kalt, gleichgültig und distanziert erlebt und unter Einsamkeit leidet,
wer sich als ängstlich oder klammernd in Beziehungen erlebt,
wer sich mehr Kraft, Mut und eigene Mitte wünscht,
wer merkt, dass ihn oder sie ein Leben für die Pflicht und aus dem Kopf heraus nicht auf die Dauer befriedigt,
wer von sich weiss oder vermutet, dass er oder sie eine schwierige Geburt hatte,
wer unter Versorgungsdefiziten, auch emotionalen, im ersten Lebensjahr litt,
kann sehr von einer biodynamischen Therapie profitieren.

Gute biodynamische Therapeuten beachten besonders das Thema Abhängigkeit und Verwöhnung, das sich durch die Massagearbeit und dem Nachnähren der nicht erfüllten Bedürfnisse der Baby-Anteile leicht unbemerkt einschleichen kann.