Bewegung - Grundlage der kindlichen Entwicklung
Bewegung - Grundlage der kindlichen Entwicklung
26.09.2007
Bewegtes Kind = Glückliches Kind
Autor : Jörg Golombeck, Ergotherapeut
Wer Kinder beobachtet, weiß, dass bewegte Kinder glückliche Kinder sind. Seit Menschengedenken haben Kinder von sich aus einen großen Bewegungsdrang. Schon der Fötus ist ständig in Bewegung, sei es passiv, indem es durch den Uterus schwimmt, weil Mama läuft. Oder sei es aktiv, in dem es sich um sich dreht, mit den Füßen strampelt, mit den Armen boxt. Die Natur hat es so eingerichtet, dass Bewegung der Schlüssel für eine gesunde Entwicklung und Vernetzung der Gehirnareale ist.
Das Gleichgewichtssystem, der Körpersinn (Tiefensensibilität) und Tastsinn sind die Grundlagen auf die die gesamte Entwicklung aller Sinnessysteme aufbaut. Kinder die rennen, springen, toben, ihre Kräfte mit anderen messen, voller Konzentration und Ausdauer neue Möglichkeiten ausprobieren, sich selber in ihren Fähigkeiten und Beschränkungen wahrnehmen sind das Sinnbild von erfüllter Kindheit. Diese Kinder können auch vollkommen versunken in ihrem Spiel mit Autos, Puppen oder im Sandkasten sitzen, neue Welten erschaffen, ihre Umwelt nachahmen und so lernen, sich in unserem System, unserer Gesellschaft zu bewegen. Ihre eigene Rolle und deren Selbstverständnis zu finden. Dazu brauchen Kinder aber die Möglichkeit zum Spielen, zum sich selber ausprobieren und zum sich selber erfahren. Oft höre ich von Erwachsenen den Satz: ?Als ich klein war, da waren wir den ganzen Tag draußen, im Wald, auf dem Sportplatz und sind erst abends erschöpft, aber glücklich, nach Hause gekommen.? Wenn man sich die Bewegungs- und Erfahrungsmöglichkeiten von Kindern anschaut, die heute aufwachsen, muß man feststellen, dass die wenigen Räume für Kinder, die vorhanden sind, die Kreativität und Bewegungsfreude nur unzureichend oder teilweise anspricht.
Vieles ist auf Spielplätze begrenzt, die dann oft nur sehr eingeschränkte und wenig variable Bewegungsmöglichkeiten vorgeben. Die Bewegungsflächen unserer Kinder sind Straßen, asphaltierte Höfe, begradetes und eingeebnetes Terrain, dass dem Gehirn nur wenig Anreiz gibt, sich auf ständig veränderte Anforderungen (Unebenheiten, steile Wege, Matsch etc) zu reagieren. Aber genau diese Reize sind es, die das Gehirn flexibel machen, die Anreiz geben, Gehirnstrukturen zu vernetzen. Nicht zu vergessen sind die ganzen virtuellen Welten über Computer, Gameboy, Nintendo und Co., die Kinder ständig in Welten entführen, in denen ihr Gehirn die Information bekommt, dass große Veränderungen und Erlebnisse stattfinden, dass es aber kein körperliches Feedback gibt, denn das Kind sitzt ja nur und die einzige Körperbewegung ist das Zucken des rechten Zeigefingers. Hier entsteht eine riesige Lücke zwischen virtueller und realer Welt.
Kürzlich kam ein Junge in meine Praxis, der mir erzählte, er hätte gerade 2 Stunden Basketball gespielt. Im Gespräch stellte sich dann heraus, dass er ein Computerspiel gespielt hatte. Wenn Sie sich die zwei Erfahrenswelten vorstellen, hier der Junge, der alleine vor dem Computer sitzt, und sich alle sensorischen Informationen über sein visuelles(Sehen) und auditives(Hören) Sinnessystem holt, und als Vergleich ein Kind das real 2 Stunden Basketball spielt, rennt, schwitzt, zielen muß, das Gewicht des Balles beim Werfen und Fangen spürt, der mit seinen Spielkameraden in Kontakt ist, der Lob, Anerkennung und Kritik von Ihnen bekommt, der springt, dessen Herz nach einem Spurt rast, der sich im Spielfeld orientieren muß, dann können Sie erkennen, um wie viel ärmer und einsamer die virtuelle Computerwelt ist. Und viele unserer Kinder leben in genau dieser Welt.
Als Folge hiervon wächst eine Generation von bewegungsarmen, unkonzentrierten, sozial wenig trainierten Kindern heran. Lernprobleme, körperliche Unruhe und Aggressionen nehmen zu. Viele Kinder reagieren auf den Mangel an Bewegungsimpulsen mit körperlicher Unruhe, um ihrem System die notwendigen Impulse zu geben. Die Konsequenz aus diesen Erkenntnissen kann für uns Erwachsene eigentlich nur sein, dass wir mit dem Thema Bewegung wieder bewusster umgehen. Wie können wir unseren Kindern Bewegungsräume zur Verfügung stellen, die sie wirklich fördern. Wo müssen wir selber aktives Vorbild sein, um die Kinder anzuregen sich mit uns in Bewegung zu setzen. Ein hervorragendes Beispiel für Leute mit einem großen Garten ist zum Beispiel ein Gartentrampolin. Kinder und Erwachsene können hier mit viel Spaß ihre gesamte Motorik trainieren. Und das ohne das man die Kinder auffordern muß.
Sie gehen freiwillig mindestens eine Stunde pro Tag auf das Trampolin, weil es einfach Spaß macht zu springen. Und diese Zeit ist sicherlich sinnvoller genutzt als eine Stunde vor dem Fernseher oder Computer. Eine weiter Möglichkeit sind Waldspaziergänge. Hier erfahren die Kinder eine Form von Umwelt, die in unserer asphaltierten und begradigten Welt kaum mehr vorhanden ist. Man muß sich ständig dem wechselnden Untergrund anpassen, seine Sinne schärfen und man erlebt eine Welt voller Abenteuer, aufregender Geräusche und Gerüche,
Das heißt das gesamte Spektrum der Sinnessysteme wird angeregt. Und nicht zuletzt ist es eine hervorragend Möglichkeit als Familie oder einzelnes Elternteil mit den Kindern eine intensive Zeit zu verbringen.
Verfasser und Verantwortlich für den Inhalt:
Jörg Golombeck, Ergotherapeut,
Ergotherapiepraxen Golombeck und Team, 79423 Heitersheim
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Kommentare zu diesem Artikel
Jutta Junker (http://www.ergo-junker.de) schrieb am 02.10.07 dazu:
Hallöchen!
Endlich mal ein Artikel, der mir aus der Seele spricht!
Real gesehen muss man ja wirklich sagen, dass die meisten Kinder, die mittlerweile zu uns zur Therapie kommen, genau aus solchen Bewegungsmangelsituationen heraus kommen.
Dieser Artikel sollte allen Eltern nahe gebracht werden, da er sehr ansprechend und auch laienverständlich ist.