Das macht sie doch mit links!
Das macht sie doch mit links!
12.08.2008
Vielen Menschen wird es wie mir ergangen sein, bei ihrer Einschulung im Jahr 1965. Meine Mutter ist mit mir zum Schulleiter gegangen, weil sie ihn davon überzeugen wollte, dass ich Linkshänderin sei und dass es an Folter grenzte, mich zum Schreiben mit der rechten Hand zu zwingen. Keine Chance. Malen durfte ich mit links. Meine Tafel wurde ausgeputzt, wenn die Schrift ordentlich war. Nach dem Unterricht musste ich noch in der Schule bleiben. Ich musste meine Hausaufgaben neu machen, unter den strengen Augen der Lehrerin, mit der ?richtigen? Hand. Krickelig, verschmiert, ganz und gar nicht ordentlich. Nägel gekaut habe ich zu der Zeit und meine Mutter war ganz hilflos, konnte sie sich doch als erfahrene Mutter (von damals 4 Kindern) nicht durchsetzen. Weil ich so geschickt mit meiner linken Hand war - was meine Taten bewiesen ? hat meine Oma mir zu der Zeit häkeln und stricken beigebracht. Die war keine Linkshänderin, aber sie sagte: ?setz dich vor mich hin und mach genau was ich mache.? Meine Oma hatte auch keine Ausbildung als Linkshänderberaterin. Die hatte ganz viel Liebe in ihrem Herzen...und sie erkannte die Not. Ich wollte häkeln und stricken lernen und niemand konnte es mir zeigen, weil ich ja Linkshänderin bin. Das war lustig anzusehen, wie wir beide uns da gegenüber saßen und ich das übte mit dem Faden über den Finger und sie geduldig wartete und mit mir war, bis ich soweit war. Sie ließ auch nicht zu, dass wir beide belächelt oder gestört wurden. In unserem Haus übte man sich in Achtung und Achtsamkeit im Umgang miteinander, hier durfte jeder sein. Es dauerte nicht lange, dann konnte ich es. So haben wir gegenüber gesessen und Reihe für Reihe wuchsen unsere Werke. Und ein Tempo habe ich gehabt bei der Handarbeit. Oma war auch schon schnell, aber nicht so. Und sie wunderte sich, wie ordentlich das war bei dem Tempo. Ich konnte auch ganz tolle Muster. Mit 7 habe ich meiner erstes Kleidchen gehäkelt, mit 9 meiner Mutter eine Strickjacke, kurz drauf das Highlight: Heimlich mit Wissen meiner Mutter (die Idee kam von ihr und das Garn auch) habe ich für meine Schwester ein Kleid gehäkelt. Ein ganz freches Teil war das, ich kann das heute noch gut erinnern. Es war das 2. Kleidchen zur Erstkommunion für meine kleine Schwester. Meine Schwester ist auch Linkshänderin. Meine Mutter wollte ihr eine so schlimme Zeit wie ich sie hatte ersparen und ist mit ihr zum Gesundheitsamt gegangen. Sie hat auf einen Test bestanden und ein Attest wollte sie haben. Die waren da nicht erfreut drüber. Aber sie haben den Test mit meiner Schwester gemacht. Sie wussten gar nicht was sie mit meiner Schwester machen sollten. Meine Mutter hat es ihnen ganz genau erklärt. ?Lassen Sie das Kind malen, geben Sie ihr zwei Blätter auf das eine soll sie mit der rechten, auf das andere mit der linken Hand malen. Nach dieser Malprobe bekam meine Mutter ein Schreiben vom Gesundheitsamt mit. Das Mädchen ?, welches jetzt eingeschult wird, darf nicht angehalten werden mit der rechten Hand zu schreiben. So, das war geklärt. Die Lehrer mussten sich auf einen Linkshänder in der Klasse einstellen. Ein par Jahre später wurde mein Bruder eingeschult. Linkshänder. Meine Mutter war schon gerüstet für ihren ?Auftritt?, ganz gespannt was sie jetzt mit ihrem dritten Linkshänder in der Familie bei der Einschulungsuntersuchung erwartete. Nichts. Alles in Ordnung. Das Kind ist Linkshänder, schreibt mit links. Inzwischen hat sich viel geändert. Wenn ich mich anschaue, ich lebe meine Stärken als Linkshänderin, manchmal selbst davon beeindruckt, mitunter etwas verwundert und mitunter auch ganz still und wissend um die Dinge, die so sind wie sie sind im Leben eines Linkshänders. Am 13. August ist Weltlinkshändertag!
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