Focusing

Focusing

Stand: 02.04.2015

Die Methode des erlebensbezogenen Focusing wurde im Zusammenhang der Klientenzentrierten Psychotherapie (Carl Rogers) seit den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts von Eugene T. Gendlin (* 1926), Professor für Philosophie und Psychologie an der Universität Chicago entwickelt. Die Besonderheit ist die innere Orientierung des Gesprächs an bedeutungshaltigen Körperempfindungen, dem sog. Felt Sense, die der Klient als "körperliche Resonanz" zu seinem Problem zu spüren lernt. Durch schrittweise Symbolisierung (Suchen stimmiger Worte, Bilder, Bewegungen ...) dieser körperlich fühlbaren Bedeutung eines Problems sollen die zuvor nicht dem Bewusstsein zugänglichen, unklaren Aspekte dieses Problems klarer verstanden und damit einer Veränderung zugänglich gemacht werden. Der Felt Sense soll die Leibtherapien unterstützen, ähnlich dem Yoga.

Anwendung

Focusing hat verschiedene Anwendungen gefunden: Focusing als Selbsthilfemethode (Gendin 1998a, Weiser Cornell 1997), Focusing-orientierte Psychotherapie (Gendlin 1998b; Gendlin & Wiltscko 1999), Traumarbeit (Gendlin 1987), Arbeit mit Kindern usw. (zur Vielfalt der Anwendungen s. Feuerstein, Müller & Weiser Cornell 2000). Inzwischen liegen auch Focusing-orientierte Angebote für Coaching, Supervision und Entscheidungsfindung vor. Eugene Gendlin hat in den letzten Jahren seinen Ansatz für praktische philosophische/erkenntnistheoretische Aufgabenstellungen weiter entwickelt, bezeichnet als TAE - Thinking at the Edge (deutsch: etwa "Denken am Rande des Bewusseins" oder "Denken, wo Worte noch fehlen"). In dieser Methode werden derzeit 14 Schritte angegeben, die von einem vagen Gefühl über ein bestimmtes Erfahrungsfeld bis hin zu logisch-formalen Strukturen fortschreiten.

Die Methode des Focusing soll von jedermann erlernbar und ohne Therapeut anwendbar sein. Für den Alltag werden Partnerschaften empfohlen, in denen die Teilnehmer untereinander im Sinne wechselseitiger Selbsthilfe Focusing nutzen. Dieser Selbsthilfecharakter hängt mit Gendlins Kritik an der klassischen Psychotherapie zusammen: Der Fehler der meisten Psychotherapien sei ihr Anspruch, Resultate zu erzielen. Das autoritäre Verhältnis, das darum in der traditionellen Psychotherapie aufgebaut wird, sperre viele Patienten von der Selbsterkenntnis aus. Patienten verstünden zwar ihre Probleme durch Psychotherapie besser, sie fühlten sich aber nicht "bevollmächtigt", sie zu lösen. Hier sieht Gendlin die Aufgabe des Focusing.


Focusing-orientierte Psychotherapie hat keine wissenschaftliche Anerkennung gefunden und wird daher in Deutschland und Österreich von den Krankenkassen auch dann nicht erstattet, wenn sie von Ärzten oder Psychologischen Psychotherapeuten angewendet wird.

Vorgehensweise

Der Focusing-Prozess läuft in folgenden Schritten ab:

  1. Freiraum schaffen: Sich auf das Problem einstellen, jedoch einen inneren Abstand dazu wahren
  2. Einen Felt Sense kommen lassen: Aufmerksamkeit auf Brust-/Bauchraum richten und dabei "körperliche Resonanz" zum Thema entstehen lassen
  3. Den Felt Sense beschreiben - "einen Griff finden": Einen Begriff oder eine kurze Beschreibung für dieses - meist diffuse - Körpersignal kommen lassen
  4. Vergleichen: Den gefundenen Begriff mit dem Felt Sense abgleichen
  5. Fragen: Was braucht der Felt Sense, um sich mit dem Problem (wieder) wohler zu fühlen und Lösungsrichtungen zu entwickeln
  6. Annehmen und schützen: Schützen des Prozesses gegen innere Kritikerstimmen, Ergebnis würdigen

Als Grundhaltungen in diesem Prozess werden u.a. "Freundlichkeit sich selbst/dem eigenen Körper gegenüber", "das Existierende annehmen" und absichtsloses "Da-Bleiben und Kommen-Lassen" empfohlen. Die körperlich spürbare Veränderung (felt shift) vom unklaren Gefühl zur inneren Klarheit, die der Fokussierende dann erleben soll, wird als wesentlicher Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung betrachtet.

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