Traumatherapie

Traumatherapie

Stand: 02.04.2015

Autor: Dr.Herbert Grassmann, http:// www.körperpsychotherapie.info

Sein Blick ist im Vorübergehen der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf-. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch die Glieder angespannte Stille –
und hört im Herz auf zu sein.

Der Panther, Rainer Maria Rilke

Das Bild, das Rilke von dem Gefühl „gefangen“ zu sein entwirft, wird für ein traumatisiertes Opfer zur Wirklichkeit. Schock und traumatisierende Ereignisse hinterlassen ein ganz spezifisches Krankheitsmuster. Ein „emotionales Traumata“ wie die frühe Trennung des Kindes von der Mutter, erzeugt nicht selten tiefe Spuren der Zerrissenheit, Ohnmacht und Hilflosigkeit - bis hin zur Verdrängung eigener Körpergefühle. Die Person verliert den Kontakt nach „aussen“ und damit zu den realen Bezügen. Der Weg führt – ohne therapeutische Hilfe - in die Isolation und damit in ein „unsichtbares“ Gefängnis aus Scham und Schuldgefühlen. Einmal dort gefangen, verliert man den Antrieb und die Anteilnahme am Leben.

Was ist ein Trauma?

Traumatherapie und Psychotrauma werden in den Medien und in der Literatur oft gleichbedeutend behandelt (1). Die Psychotraumatologie ist ein eigenständiger Zweig der Psychotherapie. Sie befasst sich mit der Erforschung und Behandlung seelischer Verwundungen (Traumata). Ein Psychotrauma ist eine seelische Wunde, die auf einzelne oder mehrere Ereignisse zurückgeht, bei denen im Zustand von extremer Angst und Hilflosigkeit die Verarbeitungsmöglichkeiten des Individuums überfordert waren (2). Grundsätzlich können alle Ereignisse ein Trauma auslösen, besonders dann, wenn es Spuren im zentralen Nervensystem hinterlässt und es eine existenzbedrohende Wirkung auf das Individuum hat. Die drei wichtigsten diagnostischen Kriterien für „posttraumatische Belastungsstörungen“ (ICD-10), sind Einbrüche von Trauma-Material in den Alltag (Intrusionen), Vermeidung (Avoidance) und Übererregung (Hyperarousal). Ob jemand traumatisiert wird oder nicht, hängt jedoch von den persönlichen Vorbedingungen, den individuellen Bewältigungsstrategien (Resilienzforschung) und der neuroplastischen Potenz des Gehirns (Konstruktion der Wirklichkeit) ab.

In der Traumaforschung bestand unter den Therapeuten noch bis vor kurzem die einhellige Meinung, dass bei der Behandlung von PTBS ( Posttraumatische Belastungsstörungen ) eine erneute Auseinandersetzung mit dem traumatischen Ereignis unumgänglich ist. Unter den verschiedenen Methoden der Befürworter finden sich zunächst die Ansätze von Keane, Zimering und Caddel zur Verhaltenspsychologie. Zentrale Aussage ist hier die operante Konditionierung, also das Lernen durch Assoziation und das dazugehörige Vermeidungsverhalten. Die Traumatisierten meiden nicht nur die betreffenden Signale, sondern ihre Angst wird mit mehr oder weniger zufälligen Auslösern assoziiert.

Die Physiologie von traumatischen Erlebnissen

In den letzten Jahren hat sich ein vielversprechender Ansatz entwickelt, der davon ausgeht, dass PTBS auf stressinduzierte biochemische Veränderungen im zentralen Nervensystem zurückzuführen ist. Insbesondere Van der Kolk und Friedman sehen in der „erlernten Hilflosigkeit“, zum Beispiel nach einem unausweichlichen Schock, eine noradrenalinbedingte Hypersensibilität. Ein Grund hierfür sieht man in der pathologischen Informationsverarbeitung (Blockierung) des Gehirns. Nimmt man dieses Modell zur Grundlage einer Trauma-Therapie, so macht es keinen Sinn die betroffene Person nochmals mit dem traumatisierten Ereignis zu konfrontieren – es wäre lediglich eine Wiederholung.

Methoden der Traumatherapie

In den letzten dreissig Jahren haben sich eine Reihe unterschiedlicher therapeutischer Ansätze entwickelt. So haben sich neben den „klassischen“ kognitiven, verhaltenstherapeutischen und psychoanalytischen Verfahren besonders zwei Ansätze in der therapeutischen Praxis herausgestellt.

EMDR: Bei dieser Methode wird eine intensive Koordination und Zusammenarbeit beider Hirnhälften angestrebt, um zu einer schnelleren und tieferen Integration des Geschehens zu kommen. Wie auch bei den anderen Verfahren braucht es einen erfahrenen Behandler, der in der Lage ist, Umfang und Tiefe der Traumabearbeitung zu kontrollieren.

Imaginative Verfahren: Sie nutzen tiefere Schichten der Psyche durch die Verwendung von inneren Bildern, traumähnlichen Verarbeitungswegen und der Arbeit mit inneren Teilen und Aspekten. Dadurch kommen sie psychisch zu einer tiefen Ebene der Verarbeitung.

Körperorientierte Behandlungsmodelle

Die neuerdings gewonnene Fülle an neurophysiologischen Erkenntnissen über Traumatisierung bringen sowohl die körperorientierten (Somatic Experiencing,
Sensorimotor Psychotherapy und TraumaSomatics)  als auch die achtsamkeits-bezogenen (Hakomi) Ansätze in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Für ein wirkungsvolles Erinnern und die Freigabe der traumatischen Überreste spielt der Körper eine zentrale Rolle. Die Unfähigkeit,  bedrohliche Situationen zu lösen, ist im Körper und seinen Strukturen „eingefroren“ und bildet auf diese Weise ein Element des Körpergedächtnisses. Die therapeutische Freisetzung solcher körperlicher Muster ruft oft eine tiefe Erinnerung an auslösende Ereignisse hervor. Ein auffallender Aspekt dabei ist die offensichtlich körperliche Miteinbeziehung des Klienten in das Ereignis.

Peter Levine (3) führte mit seiner Methode „Somatic Experiencing“ die Körperebene in die Traumatherapie ein. Mit seinem Modell der Stress- und Trauma-Aktivierung fokussierte er sich auf die Vorgänge des Nervensystems. Er beschrieb Traumasymptome als Folge von Energie, die während der Überwältigung durch das Trauma nicht entladen werden konnte und daher im Nervensystem gefangen ist.

Die Einbeziehung des „körperlichen Erinnerungsfeldes“ wird auch in den aufsehen- erregenden Arbeiten zur Traumatherapie durch eine psychiatrische Forschergruppe unterstrichen, die sich um den Harvard Professor Bessel van Der Kolk und Judith Herman organisieren. Sie heben hervor, dass das limbische System des Gehirns und dessen sensorimotorische Bahnen für das Speichern der traumatischen Erinnerungen verantwortlich sind und nicht die verbale Region des Kortex wie bei normalen Erinnerungen (4). Das Thesenpapier von van Der Kolk heißt dementsprechend „the body keeps the score“ (5).

TraumaSomatics®

Die Effektivität der traumatherapeutischen Methode Traumasomatics® beruht auf der Reorganisation des Körpergedächtnisses und der zunehmenden Lösung der im Körper vorhandenen Spuren des Traumas. Dazu tragen neben der Entspannung des Nervensystems auch die im therapeutischen Prozess in den Körperstrukturen ablaufenden Veränderungen bei. Ein wesentliches Kennzeichen der therapeutischen Methodik ist die Arbeit mit der Körperempfindungsebene und mit den Erinnerungssystemen. Dabei spielt die Arbeit mit der Ereigniserinnerung über das Körpergedächtnis eine wichtige Rolle für die Integration des Traumas. Über die Gewohnheitserinnerung kann Zugang zu traumainduzierten Verhaltensmustern gefunden werden und es können Fähigkeiten als wichtige Ressource etabliert werden, die semantische Erinnerung unterstützt den Klienten in seiner Autonomie und im Umgang mit Stress und Trauma.

Die eigentliche Trauma – Therapie beginnt mit der behutsamen Ressourcenarbeit (Selbstheilungskräfte). Durch das Studium der Körperempfindungsebene können wichtige Reorganisationsphasen des Körpergedächtnisses erkannt werden. Sie begleiten den innerlichen Entkopplungs- und Lösungsprozess. Die im Trauma gebundenen Energien stehen als körperliche Fähigkeit wieder zur Verfügung.

Literatur:

  1. Wikipedia
  2. Fischer, G. & Riedesser, P. (2003): Lehrbuch der Psychotraumatologie, München: Ernst Reinhard.
  3. Levine P. (1998) Trauma-Heilung. Das Erwachen des Tigers. Synthesis Verlag
  4. Ogden P (2006) Trauma and the Body: A Neurobiologically-Informed Approach to Clinical Practice. A Sensorimotor Approach to Psychotherapy. Norton & Co Ltd
  5. Van der Kolk B, McFarlane AC, Weisaeth L (2000) Traumatic Stress. Junfermann Verlag
  6. (TS) - Die Reorganisation des Körpergedächtnissystems. CoMed 12/06

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