Reisetagebuch zur „Was-Dir-wirklich-wichtig-ist“-Auszeit auf Teneriffa im September 2014
Reisetagebuch zur „Was-Dir-wirklich-wichtig-ist“-Auszeit auf Teneriffa im September 2014
29.09.2014
Was Dir wirklich wichtig ist
Tagebuch zur Auszeit mit E. Rosenfeld im September 2014 auf Teneriffa
Evelin Rosenfeld bietet in regelmäßigen Abständen Auszeiten in Teneriffa, Thüringen und Thailand an. Diesmal wird sie ein Tagebuch führen und uns teilhaben lassen an Themen, Atmosphären, Klippen und Geschenken, die in diesen 14 Auszeit-Tagen sich im Prozess zeigen. Alle drei Tage wird sie in den newslichtern Gedanken, Bilder, Ideen schreiben, so dass wir ein wenig in dieser magischen Zeit dabei sind. Vom Yoga zum Sonnenaufgang über die vielen Stunden der Wanderung durch schroffe Berglandschaften und liebliche Urwälder bis zu den Encounter-Gesprächen am späten Abend.
Begleitet uns ein StĂĽck des Weges !
Hintergrund: Sechs Menschen und Evelin treffen sich kurz vor Vollmad am 6. September am Vollmondabend im Anagagebirge – einer abgelegenen Gegend auf Teneriffa – um Ängste zu durchbrechen, die in alle Winde verstreuten Anteile zusammen zu holen, ihnen unter Lorbeerbäumen Leben einzuhauchen und im magischen Licht der Barrancos den Ruf der Seele zu hören. Seit 15 Jahren begleitet Evelin nun Menschen in diesem tiefen Transformationsprozess, der in Selbstbestimmtheit und ein authentisches Wirken führt.
Mehr zur Reise hier.
Weitere Ziele und Termine im Mai und Februar hier und hier.
Reisetagebuch zur „Was-Dir-wirklich-wichtig-ist“-Auszeit auf Teneriffa im September 2014
Tag 1: Das fängt ja gut an !
4h30 – mein Wecker reißt mich aus dem Tiefschlaf, duschen, letzte Dinge in den Koffer, das Taxi ist zu 5h30 bestellt … nun noch Xina, meine Katze, die in Europa immer mit mir reist. „Xina…?“ … keine Antwort. Ich rufe, ich warte, ich locke, ich bete, ich drohe … nichts geschieht. Xina hat beschlossen, diesmal hier zu bleiben. Ich muss ohne sie gehen. Das fängt ja gut an…
„Was Dir wirklich wichtig ist“ – so habe ich den Prozess genannt, durch den ich selbst vor 15 Jahren gegangen bin, und das Buch, in dem ich die inneren Vorgänge dieser Transformation zur Selbstbestimmtheit beschreibe. „Was Dir wirklich wichtig ist“ – das ist jetzt für mich, zwei Wochen zu dienen, zwei Wochen dafür sorgen, dass Wahrhaftigkeit und Transformation entstehen können, zwei Wochen rund um die Uhr die besten Bedingungen dafür zu schaffen, das fünf Menschen ihre Grundangst erkennen und meistern, dass sie zurück zu sich selbst finden, ihre Seele klar wahrnehmen können und ihr Leben verwandeln in einen freien Weg der Kraft und des Herzens.
Wir werden alle Formen der Klärung nutzen: die starke Struktur des Prozesses, Yoga, Reflektionen in der Gruppe, schamanische Reisen – vor allem aber die unberührte Natur, in die wir auf unseren langen Wanderungen tief eintauchen. Ich bin sehr gespannt, wie der Prozess diesmal verlaufen wird.
Im Taxi rufe ich mir die Seminarteilnehmenden in den Sinn: nur eine Frau und vier Männer. Drei fangen ganz neu an, mit der Sein-Woche, dem zentralen Teil des „Was-Dir-wirklich-wichtig-ist“-Prozesses. Und zwei „Fortgeschrittene“ kommen in der zweiten Woche, der Tun-Woche dazu, um die bereits erkannte und integrierte Berufung in eine umsetzbare Form zu bringen.
Die Vorgespräche sind gemacht, der „Prozess“, ist durch diese ersten, tiefen Begegnungen bereits initiiert.
Diese fünf Menschen stehen am Anfang ihres spirituellen Weges, denn sie beginnen, die Regeln und Konventionen zu durchbrechen, in denen sie bisher „funktioniert“ haben und stellen die großen Fragen des Lebens: Wer bin ich ? Was ist wirklich wichtig ? Wie befreie ich mich von Angst und Druck und lerne, selbstbestimmt zu leben ?
Ich bin jedes Mal fasziniert, wenn ich Menschen begegne, die an diesen ganz entscheidenden Wendepunkt in ihrem Leben gekommen sind und tiefdankbar dafür, ihnen zur Seite stehen zu können. Mal sehen, wie sich diese Gruppe zusammenfügt.
Nach fünf Stunden Flug endlich erscheint Teneriffa im tiefblauen Meer, der Teide zeichnet sich in den markanten Zügen der Insel ab. Hier ist sie, die Vulkaninsel mit ihrer unglaublichen Transformationskraft: Heimat der Guanchen, nebel- und lichtgetränkte Lorbeerwälder und das Brodeln des Atlantiks vor märchenhaften Steilküsten.
Ich verlasse den heißtrockenen Süden mit seiner bizarren, rot-gelben Landschaft rasch und mein ganzes Herz fiebert dem magischen Massiv des Anagas zu, dem ältesten Teil der Insel im Nordosten, der für die nächsten drei Wochen unsere Heimat sein wird.
Drei Tage Zeit, um die Casa für meine Gäste herzurichten, Vorräte für sechs Personen und zwei Wochen in die Berge zu schaffen, mich selbst dem Kraftplatz und dem anstehenden, tiefen Prozess zu verbinden.
Am zweiten Tag sind alle organisatorischen Vorbereitungen getroffen und ich habe Zeit, hinauf in den magischen Lorbeerwald zu gehen und mich mit meinem Freund und Lehrer Carlos zu treffen. Jahrhundertealte Bäume, flechtenbehangen, zwischen obskuren Steinwesen. Es hat viel geregnet im Vormonat, sodass der Baranco Wasser führt und mich auf dem Weg zum ersten Kraftplatz begleitet. So viele Menschen haben hier schon den ersten und schwersten Schritt im Was-Dir-wirklich-wichtig-ist-Prozess gemacht, haben in der Ewigkeit dieses verborgenen Guanchenkreises ihre Ängste gerufen, ihre Masken fallen gelassen und eine tiefe Bereinigung alter Muster und Ängste erfahren.
Hier lasse ich mich nun nieder, auf einer sonnenbeschienenen Felsplatte vor dem drohenden „Dunkelbaum“, wie mein Lehrer Carlos ihn nannte. Ich lasse mich fallen in die Stille, lausche der Energie des Platzes, verteile dann meine „Geschenke“ – Tabak, Mehl, Wein und Wasser – wie es mir der alte Brujo (Zauberer) beigebracht hat und bitte um Unterstützung für die Gruppe, die sich morgen in der Casa einfinden wird.
Carlos reicht mir wortlos eine seiner Zigarren, die wir „verkehrt rum“ rauchen, uns reinigen und er liest aus der Asche, was die „muertes“ (die Toten) uns zu sagen haben. Er segnet mich, wir wandern noch ein wenig an der SteilkĂĽste entlang, und dann vereinen sich Sonne und Meer und tauchen die Landschaft in strahlendes Gold. Und dann ist auch schon Samstag: Die Ankunft der Teilnehmenden, die ich jetzt gleich auf dem Flugplatz im SĂĽden abhole. Â
Reisetagebuch Teneriffa - 2. Eintrag
Heute ist der Ankunftstag für die erste Woche – die „Sein-Woche, in der es darum geht, unbewusste Angstmuster aufzulösen und die natürliche, persönliche Verfasstheit wiederzubeleben.
Ich habe die Teilnehmenden am Flughafen und in der Hauptstadt – Santa Cruz – abgeholt und schwer bepackt fahren wir nun hinauf in die schroffe und zugleich grünen Gipfel des Anagagebirges. Hinter dem letzten Grat, nach einem langen Tunnel öffnet sich das Benijo-Tal vor uns und wir blicken auf Taganana im Sonnenuntergang und endlosen Atlantik.
Es ist so spät geworden, dass wir am Abend nur noch zusammenkommen, um Organisatorisches zu besprechen und den Prozess für die Gruppe ohne große inhaltliche Einführung initiieren: Die Aufforderung, das eigene Anliegen in dieser gemeinsamen Auszeit zu formulieren ist schwer genug, denn wer kennt schon den genauen Unterschied zwischen Wünschen, Zielen und Anliegen ?
C. meint zunächst „Jetzt habe ich alle Ziele erreicht – im Job, mit der Familie und in der Lebenssituation. Ich brauche ein neues Ziel. Und all die Schichten, die sich angesammelt haben im weiter machen und durchhalten, all die Fragen und Themen, die ich immer wieder zur Seite geschoben habe, um am Ball zu bleiben, haben vergessen lassen, wer ich eigentlich bin und wo ich eigentlich stehe“. Oder G. formuliert: „Ich möchte wissen, was noch so in mir steckt, ob es eine berufliche Alternative gibt, die mich glücklicher und freudvoller macht“.
Ich kenne aus den vielen Situationen mit Menschen am Wendepunkt diese Wünsche schon recht gut, es sind oft Umstände und äußere Bedingungen, die wir ins Visier nehmen, wenn unser Leben sich nicht mehr stimmig anfühlt.
Gegen Mitternacht wird jedem der Teilnehmenden deutlich, dass es eigentlich darum geht, die eigene Richtung, den eigenen, inneren Maßstab, das eigene „Wirklich wichtig“ zu entdecken und zu verstehen – und dass das nichts mit „Wollen“, „Zielen“ oder „Bedürfnissen unerfüllter Wünsche“ zu tun hat. Vielmehr geht es um ein tieferes Seelenanliegen, dass uns schon unser ganzes Leben begleitet, das wir „irgendwie“ spüren und doch (noch !) nicht richtig greifen können. Unsere wahre, natürliche Identität (auf persönlicher Ebene), unser Geschenk an die Welt, unsere Berufung und Sein.
Das ist ein gute Erkenntnis, um mit einem kleinen Ritual die individuellen Anliegen und Hindernssezu benennen und mit Spannung auf den nächsten Tag schlafen zu gehen.
Wie nun jeden Morgen, treffen wir uns kurz vor Sonnenaufgang auf der Dachterrasse, meditieren gemeinsam, begrüßen die Sonne und vollziehen einige Yogaübungen, die uns in eine verbundene Stimmung von Andacht und Dankbarkeit bringt, bevor wir uns am reich gedeckten Tisch zum Frühstück wiedersehen. Für mich hieß das, um 5h30 aufzustehen, die Misosuppe, den Porridge und allerlei vegetarische Köstlichkeiten vorzubereite, die Tour für den Tag zu planen und meine Gäste in den neuen Tag auf dem Vulkan zu empfangen.
Gleich heute am ersten Tag werde ich sie in das unwirkliche Tal von Chamorga führen, den Baranco entlang, vorbei an zwei magischen Toren, an denen die Energie so stark ist, dass wir hier die großen Hindernisse erkennen und die Angst beim Namen nennen können. Mit jedem Schritt durch die scheinbar karge Landschaft, die ihren Reichtum erst offenbart, wenn wir verweilen und wirklich hinsehen, wirklich lauschen, zeichnen sich die Vier Kreise des Seins markanter ab.
Es ist mir eine solche Freude, zu sehen wie C. endlich langsamer wird, nicht mehr versucht, im Rhythmus der anderen mitzulaufen, sondern eine Höhle findet, die wie für ihn gemacht scheint, sich in der Stille bewusst über das „Rennen“ in seinem Leben wird und seine Sehnsucht nach Ruhe und dem eigenen Klang beginnt wahrzunehmen. Oder G. die mit großem Widerstand die Übungen durchführt, die ich ihr gebe, die immer schmerzhafter an den Panzer stößt, mit dem sie nicht nur ihren Körper umgeben hat um letztlich da, wo die Felsen eine fast violette Farbe haben, entkräftet festzustellen, dass es nicht der steile Weg zum Blick über den Atlantik ist, der ihr Energie und Freude nimmt…
In der alten Ruine zwischen Baranco und Atlantik machen wir Rast. Es ist nach vielen Einzelübungen und Gesprächen an der Zeit, die Wechselwirkungen zwischen Erfahrungen, Ängsten und Fremdbestimmtheit in der Gruppe zu besprechen und an den einzelnen Lebenssituationen greifbar werden zu lassen. Was die Teilnehmenden nicht wissen ist, dass wir genau hier an dem Ort sind, an dem ich meinen Lehrer und Freuden Carlos zu ersten Mal traf, nachdem er mich in einem Traum gerufen hatte und ich alle Zweifel, Ängste und eingebildeten Zwänge über Bord geworfen hatte – und „einfach“ aus Deutschland „sofort“ zu diesem Ort gekommen war.
Die Luft ist erfüllt vom Ruf wilder Ziegen und vom würzigen Duft der Artemisiasträucher. Der erste Auszeit-Tag ist erfüllt.
Heute, am Montag, ist ein „Haustag“. Keine große, gemeinsam Wanderung, stattdessen zwei Gruppensitzungen, in denen es um die Auflösung alter Muster und Ängste geht, um die Transformation unserer hindernden Glaubenssätze und um die radikale Ehrlichkeit, die für diese erste, schwierigste Etappe im Prozess aufgebracht werden muss.
Während ich C. zuhöre, der mit großer Leidenschaft von den Zwängen des Lebens spricht und der Unmöglichkeit, sich dem zu entziehen, von den schönen, geraden Bahnen, in die er sein Leben mit viel Anstrengung gelenkt hat , ist mir bereits überdeutlich, was sich ihm erst in der Trance am Nachmittag zeigt: Er hat seine Entscheidungen längst getroffen seine Seele weiß und will den nächsten Schritt tun. Doch sein Verstand, der dressiert ist zum zuverlässigen Arbeitnehmer, zum treuen Vater und Ehemann rebelliert, malt Horrorszenarien, ruft Moral und Menschheitsgesetze auf – und hat ihn einmal mehr um den Schlaf gebracht. Erlösung naht – mit jedem Mal, das er von „man“ zu „ich“, von „Autoritäten“ zu Mitmenschen“ von „Zwang“ zu „Wahl“ wechselt. Erlösung nicht nur für ihn sondern auch für mich, denn ich bin und ich brauche Wahrhaftigkeit, folge meinem Wesen und meiner Berufung, lasse nicht locker, ringe mit den Selbstlügen und helfe, Formen aufzuheben und neu zu schaffen. Berufung – ja, ich werde alles geben was ich bin und habe, um auch Dir, C., zu deiner Wahrheit un der für Dich angemessenen Form zu verhelfen.
Aber zuerst habe ich noch eine Verabredung mit U. oben bei Alofe, dem Dämonenbaum im Lorbeerwald, an dem ich vor einigen Tagen den alten Brujo Carlos traf. Einmal mehr wird hier ein Mensch mit meiner Hilfe die eigenen Dämonen heraufbeschwören, die vernichtenden Gedanken und Gefühle, die aus Gier, Haß und Verblendung sich festgefressen haben in seinem Herzen der höheren Macht übergeben und heraustreten aus dem selbstgebauten Gefängnis.
Das Ritual ist vorbereitet und wird vollzogen, Holz zerbirst, Schmerz bricht hervor, Tränen fließen, Energie beginnt, zu transformieren unter der Zeugenschaft uralter Felsen und Bäume, die seit Jahrhunderten Raum für den menschlichen Schatten und seine Verwandlung geben. Und endlich, endlich beginnt ein Licht zu leuchten, ein Herz zu schlagen Augen werden klar, Geist, Körper und Empfindung befreit für die Wahrheit der Seele.
Auch heute ist es wieder spät geworden.
Ich räume den Tisch ab, mein makrobiotisches Essen hat nicht nur Freude gemacht sondern auch seine Wirkung getan – metallische Energie wurde sanft in die nächste Phase überführt: Energie darf fließen wie das Wasser: blind, formlos, doch einem inneren Ziel zustrebend, untrennbar. Rein.
Alles ist bereit für die große Wanderung zum Drachenblut-Hain, die Arbeit mit den Wandlungsphasen und den verlorenen Persönlichkeitsaspekten kann beginnen.
Der Vollmond steht über den Bergen, eine weitere Chance, aus ganzem Herzen „Ja“ zu sagen wurde genutzt von fünf Menschen auf dem Weg.
Reisetagebuch Teneriffa - 3. Eintrag
Puh, die ersten beiden Tage, in denen es darum ging, Panzer aufzubrechen, versteinerte Gefühle fließen zu lassen, Ängste zu demaskieren sind vorbei – wir sind alle etwas „durch“ von der Schwerstarbeit – und doch breitet sich langsam eine Offenheit und Leichtigkeit aus, die in dieser Gruppe vorher nicht da war.
Es ist schon interessant, wie immer wieder eine bestimmte Gruppe mit wildfremden, scheinbar völlig unterschiedlichen Menschen doch eine gemeinsame „Überschrift“ zu haben scheint. Diesmal ist es „Schutz – Abgrenzung – Eigenraum“ … gewesen. Die Schlüssel sind gefunden, die Türen durch den Panzer in den Innenraum vorsichtig geöffnet. Und während sich im Unterbewusstsein die Vergangenheit neu ordnet, betreten wir den energetischen Raum der Seele. Das Rufen wird lauter, deutlicher – doch noch ungeübt, was denn da vernommen werden soll, und wo denn. Es ist Zeit für die herrliche Wanderung auf dem Drachenrücken und die Einführung in die Fünf Wandlungsphasen.
Der Aufstieg von 900 Höhenmetern, umgeben von magischen Steingesichtern und Guanchen-Mythen, die ich gerne weitergebe, arbeiten wir uns im eigenen Rhythmus durch die letzten Schatten hinauf zum Himmel, hinauf zu dem jahrhunderte- oder gar jahrtausendealten Steintor. G. lässt sich von ihren Schatten immer wieder zurückzerren, sie schwitzt und atmet heftig, betont, dass die maximale Wanderstrecke höchstens eine „Stunde mit dem Hund“ war. Ihre Projektionen und Widerstände sind aufgewühlt, ihre Sicht auf die innere Quelle noch nicht ganz so klar wie bei M., C. und U. Doch oben am Tor, als sie nochmals all die „Schulden“ abklappert, die andere bei ihr haben, als Manipulation, Eigennutz und Ignoranz am magischen Tor sich vor ihr aufbauen, begreift auch sie, dass sie vor einem Spiegel steht, dass es ihre Entscheidung ist, durch das Tor auf die andere Seite des Berges zu treten.
Diese tiefen Erfahrungen sind kaum durch Gespräche und kognitive Reflexion zu machen. Das Wirken der Naturkräfte, die besondere Aura dieses Kraftplatzes, die Spiegelung in den anderen verhelfen Körper und Emotionalkörper zu Klarheit und Erlösung.
Der weitere Weg – hin zu der Schlucht, an der die existentielle Prüfung der Guanchen-Priester/innen stattgefunden hat, (so berichtete mein Lehrer und Brujo Carlos) – ist leicht und bewegt sich auf die inneren, lichten Gefilde zu. Hier machen wir Rast mit spektakulärem Blick auf den wilden Atlantik, in 900 Metern Höhe, und ich zeichne die Energetik zwischen Yin und Yang in den satten Boden, erkläre, wie Energie sich ständig wandelt und Phasen durchläuft, und wie ich aus diesem fernöstlichen Verständnis von Ursache und Wirkung eine Methode fand, die verlorenen und deformierten Persönlichkeitsaspekte in uns wiederzufinden und zu einem Ganzen, zu unserer ganzen Persönlichkeit zusammenzufügen.
Einem der Männer rinnen die Tränen über die Wangen, als ich beschreibe, wie oft bei uns Europäern der verspielte, fließende Wasseraspekt „wegerzogen“ wurde und wir versteinern in unserem Sicherheitsbedürfnis und unserem Bemühen, Ordnung und Strukturen zu schaffen und festzuhalten. Oder wie wenig Raum unser Verständnis von Arbeit und Pflicht unserem explosiven, feurigen Aspekt lässt. Für alle ist diese Denkweise ganz neu, und daher lassen wir uns von der Fülle und Vielfalt des Ortes, an dem wir uns befinden, zum Spiel mit den Kräften einladen. Jede/r für sich sammelt auf der weiteren Wanderungen Eindrücke und Begegnungen mit den energetischen Aspekten im Außen.
Ich sehe vier Menschen, die mit dem Wind tanzen, zu Stein werden, das Feuer suchen … und jede/r auf eine andere Art:
Auf dem grandiosen Tinerfe-Fel ist unser nächster Treffpunkt und wir tauschen die Erfahrungen aus: Dem einen begegnete das Wasser in der sanften Umarmung des wogenden Ozeans, dem anderen als kraftvoller Wasserfall oder wieder einer anderen als sich schlängelnde Eidechse, die sich in der gesamten Landschaft als Spuren des unsichtbaren Wassers wiederfindet.
Die Reise nach Innen hat begonnen.
Einer der Höhepunkte der ersten Woche steht am Mittwoch an:
Auf den stillgelegten Terrassenfeldern an der Steilküste kommen wir zusammen, bauen gemeinsam ein Medzinrad, vollziehen ein Räucherritual. Die Teilnehmenden legen sich in die Himmelsrichtungen, die ihnen am nächsten sind, ich nehme Platz in der Mitte mit meiner Trommel. Jedes Mal ist dieser Moment, nachdem ich die höheren Kräfte gerufen, mich Gottes Führung übergeben habe und mich zur Verfügung stelle als Kanal für die Suchenden, wie eine Gratwanderung, wie ein freiwilliger Schritt in einen Starkstromkanal, aus dem heraus ich die Träumenden durch die Trance in ihre Innere Welt führe. Auch diesmal verfliegt die letzte Anspannung mit dem ersten Trommelschlag – Gedanken und Körper kommen zur Ruhe, die Seele zeigt ihr Gesicht, Bilder huschen zwischen Artemsiasträuchern und duftendem Salbei durch die Luft … mit dem letzten Trommelschlag, dem Aufwachen packe ich meine Dinge zusammen – die Träumer gehen in Stille an Orte, an denen sie die inneren Bilder aufzeichnen, die ihre Seele ihnen gezeigt hat.
Während vier Menschen ganz bei sich in der untergehenden Sonne am Guanchenmeer sitzen, laufe ich die steilen Wege und Gassen hinauf zur Casa, setze die Linsen auf und schneide Gemüse, damit das Leben in ganzer Pracht meine Reisenden wenig später in die Arme schließt.
Auszeit-Tagebuch: Urlaub fĂĽr die Seele in Teneriffa - 4. Eintrag
Donnerstag – Jupitertag – Tag der Überwindung: Bei uns in der Auszeit ist der Donnerstag der Teide-Tag. Vater Teide ist der Hüter der Kanaren, ein knapp 3.800 Meter hoher, aktiver Vulkan, dessen ausgedehnte Canadas und schroffe bis futuristische Tufflandschaften dazu angetan sind, neue Welten zu betreten und die eigene Kraft zu erfahren. In Demut – denn Demut braucht es schon, sich bei strahlend blaue Himmel, sengender Sonne, scharfem Wind knapp 2.000 Höhenmeter aus der Montana blanca bis hinauf zum Kraterrand zu bewegen.
Die Gruppe löst sich in eigene Rhythmen, eigene Meditationsplätze, eigene Gedanken auf – ohne zu zerfallen. Alle sind mit den Bildern aus ihrer Traumreise befasst, der ersten bewussten Begegnung mit den fünf Persönlichkeitsaspekten, die jedem auf eigene Weise innewohnen.
Bei dem vier-bis fünfstündigen Aufstieg geht es darum, diese inneren Wesen zu erfassen, ihre Eigenschaften und Attribute zu begreifen, Nachrichten zu lesen. Der schmale Grat zwischen Phantasieren und Wahrnehmen lässt die Rationaleren in der Gruppe zögern und zweifeln; die Bilderreichen driften allzu leicht in Phantasiebilder und Klischees ab, statt wirklich hinzuhören, hinzuspüren, hinzusehen, was in ihrer Seele liegt.
Immer wieder anhalten, Gespräche mit den einzelnen, Hineinspüren, „Sehen“, berühren … ohne Vorzulesen … auch für mich eine Gratwanderung. Denn es führt zu nichts, wenn ich ausspreche was ich gesehen habe, was ich wahrnehmen kann durch jahrzehntelanges Training des schamanischen Träumens und Sehens. Ich kann geeignete Plätze finden zum Spiegeln und Spüren bestimmter Aspekte und Nachrichten, kann durch den Körper nach Innen geleiten oder an biografische Belege erinnern.
Doch G.´s „strahlendes Himmelblau“ in das sie sich aufgelöst hat aus ihrem riesenhaften Avatar-Baum im Traum muss sie selbst begreifen, den lange unter Ängsten und Disziplin verschütteten Windaspekt in ihrer Persönlichkeit selbst beleben, vitalisieren und integrieren.
U. hat unglaublich plastisch und detailliert geträumt und stürmt mit seinen kraftvollen Bildern den Berg hinauf, fügt Steinchen für Steinchen zum Mosaik seiner Seele, findet Aspekte im alltäglichen Leben wieder, versucht zu begreifen, was all das mit seinem Anliegen zu tun hat, sich beruflich neu zu orientieren.
An den riesigen, magnetischen, schwarzen Steineiern angelangt, machen wir Rast und kommen als Gruppe wieder zusammen. Fragen und Einsichten werden erörtert, ich erkläre den Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsaspekten und Berufung und zeichne die Struktur des Inneren Kompass in den Sand. Allseitiges Staunen über die individuelle Unterschiedlichkeit äquivalenter Energetik, Freude über Einsichten, Verwirrung über Klischees, die sich in der biografischen Überprüfung zerschlagen.
C. stolpert wieder über seine alte Angst, den Anschluss zu verlieren, will den Gesamtüberblick, hängt sich in der Methode auf, statt sich auf den nächsten Schritt, die gestellte Aufgabe zu konzentrieren. Wir setzen uns Rücken an Rücken, den Blick über die fast endlose Hochebene über den Wolken, hinter uns ragt machtvoll Vater Teide in den Himmel. Schritt für Schritt erspüren wir gemeinsam seinen Körper, den Druck, das Getriebensein, vermögen den Unterschied zwischen dieser Enge im Hals und dem Feuerwesen im Herzen sinnlich zu erfahren. Einmal mehr entsteht Unterscheidungskraft – zwischen angstgetriebenen Bedürfnissen und wesenseigenen, essentiellen Werten und Inhalten.
Der Weg geht weiter – die Gipfelstürmer werden mit einer weiteren „Lektion“ konfrontiert : Die Seilbahn ist unberechenbar, der Wind auch, der Weg zurück muss erlaufen werden. Langsam, mit dem kostbaren Rest der verschleuderten Kraft.
Wir machen auf der Rückfahrt noch einmal Halt in der Corona Forestal des Riesen, lassen uns berauschen vom Sonnenuntergang über den Wolken. Die Reise, die um 6h morgens im Anagagebirge begann, endet am reich gedeckten Tisch in der Casa weit nach Einbruch der Dunkelheit. Manche gehen gleich schlafen, manche mümmeln still und zufrieden den Couscous, bevor die Traumwelt sie in den nächsten Tag trägt.
Freitag wird der Kreis rund: Abschlussgespräche auf dem Berggrat zwischen Löwenkopf und Elefantengipfel. So viele Menschen habe ich mittlerweile hier hinauf geführt, zu den steinernen Gesichtern, auf dem Nord-Süd-Grat über dem Atlantik.
Von hier oben sieht unser kleines Bergdorf noch idyllischer aus – hier lassen sich die Einsichten und Erfahrungen der ersten Auszeitwoche noch besser rekapitulieren und die nächsten Schritte werden klar.
C. G. und U. entscheiden, noch weiter an ihrem Inneren Kompass zu arbeiten. Die Bilder und die biografischen Hinweise werden deutlicher, mehren sich, aber bis zur Initiation – einem Ritual, in dem die Seele angstfrei in ihrem puren Licht scheint, jede Idee von Mangel verschwunden, stattdessen eine klare Sicht auf das, was in die Welt zu bringen sie gekommen ist – ist erahnbar, aber doch noch ein Stück des Weges.
Das bedeutet für mich, dass ich meine Aufmerksamkeit und die Impulse, die ich setze, noch stärker differenzieren muss.
Denn morgen kommen zwei weitere Teilnehmende hinzu, die bereits initiiert sind und nun an den fundamentalen Entscheidungen und Konsequenzen in ihrem alltäglichen Leben arbeiten wollen: Ein Familienbetrieb, der scheinbar die Entfaltung im Sinne der Berufung verhindert, wird in die Waagschale geworfen, und eine Konzernkarriere, deren Rahmenbedingungen unvereinbar erscheinen mit dem Rhythmus der Seele.
Eine spannende zweite Woche kommt auf uns zu – und für mich das Wiedersehen mit zwei Menschen, deren Weg mir schon von Herzen vertraut ist.
Nein … das ist kein „Job“ den ich da mache, und nein, die Menschen, die wirklich in diesen Prozess einsteigen addieren nicht einfach eine interessante Erfahrung zu ihrem reichen Sortiment hinzu. Durch mein Sein und Tun finden Menschen zusammen, die nicht mehr bereit sind, sich und anderen etwas vorzumachen, die erkannt haben, dass Unstimmigkeiten in ihrem Leben bei ihnen selbst beginnen – und zwar einem Teil, der nicht wesenseigen ist. Menschen, die ihre Wahrheit suchen und finden und bereit sind, die Konsequenzen hieraus zu ziehen – oft gegen alles, was sie bisher geglaubt haben. Wahrhaftigkeit und Transformation.
Das ist, was MIR wirklich wichtig ist…
Auszeit-Tagebuch: Urlaub fĂĽr die Seele in Teneriffa - 5. und letzer Eintrag
Die Integration der beiden neuen Teilnehmenden und der Start der zweiten Woche ist vollbracht: Unsere Startwanderung am Sonntag entlang der SteilkĂĽste, westlich von Taganana verlief ereignisreich:
U., der sich allzu sehr in sich selbst in die Arbeit mit seinem Inneren Kompass zurück gezogen hatte und ganz vergaß, dass seine Arbeit mit der Angst weitergeht, dass es gilt, sich zu zeigen und zu äußern, wurde auf dem Plateau am „gelben Felsen“ vom hinzugekommenen P. herausgefordert:
Ein Kräftemessen auf der Ebene der Mentalkörper, Feueraspekt versucht Steinaspekt zu kontrollieren. Alle Anwesenden kennen die Zusammenhänge im Ko-Zyklus, alle Anwesenden sind in der Lage, die unterschiedlichen Energieformen zu unterscheiden.
Die Regeln: Du darfst alles verwenden, um den Aspekt deines Gegenübers herauszufordern – außer den direkten Körperkontakt. Wer sich zuerst abwendet, ist unterlegen.
Bei dieser Begegnung geht es um mentale Kraft und spirituelle Klarheit. Die beiden Männer kreisen umeinander, zunächst mit ausholenden Gebärden, doch Minute um Minute wird die Spannung höher, nur noch Blicke und subtile Veränderungen der Haltung sind mit bloßem Auge beobachtbar. Es gelingt, auf feinstofflicher Ebene Barrieren, Dynamik und Räume aufzubauen, beide Männer wirken angestrengt und konzentriert. Nach gefühlt ewiger Zeit passiert es: Beide versteinern. Beide ziehen sich auf Persönlichkeitsaspekte zurück, die in den letzten Jahren (oder Jahrzehnten) immer den Karren aus dem Dreck gezogen haben. Statt in die Kraft anderer „Gesichter“ zu gehen, fallen beide in ein Energieschema zurück, dass ein uraltes, inneres Muster aufrechterhält. Meilen entfernt von der inneren Meisterschaft.
P. bemerkt dies – er ist seit 9 Monaten Initiiert und hat geübt, seine energetische Balance zu beobachten. U. verharrt im Stein, fixiert auf den „Sieg“ in diesem Zweikampf. P. legt sich seitlich auf den Boden, das Gesicht U. zugewandt und beobachtet diesen. Der erstarrt noch mehr. Noch wenige Minuten, dann beendet P. die Begegnung, indem er sich ganz abwendet.
Alle haben gesehen, was geschehen ist. Es wird nicht viel gesprochen – stilles Einverständnis, die beiden „Kontrahenten“ werden sich den Rest des Tages mit dem Zugang zur Feuerkraft befassen. Auf ihre Weise.
Wir wandern weiter und ich befrage G. , was sie beobachtet hat.
Beobachten – nicht bewerten…
Der Tag klingt friedlich aus an einer verborgenen, kleinen Bucht, die man nur zu FuĂź erreichen kann. So haben wir den Strand, seine wilde Brandung und die vielen, riesenhaften Findlinge fast fĂĽr uns alleine. S. baut kleine Steinmännchen – fĂĽnf, im Kreis, aufrecht … Â
Am nächsten Morgen habe ich eine Verabredung mit G.
Gleich nach unserem Morgenyoga brechen wir auf in den sagenumwobenen Tagananawald. Hier wartet Alofe einmal mehr auf uns – Schatten aufzunehmen und das gleißende Licht radikaler Ehrlichkeit auf all den Schutz, all die Wut, all die offenen Rechnungen zu werfen. Beim Gang hinauf ist mir bewusst, dass es viel, sehr viel wäre, wenn es gelänge, den Panzer dieser Frau wirklich zu knacken – und ihr damit zu ermöglichen, wieder wirklich zu spüren – innen wie außen.
Nach Stunden kehren wir erschöpft zurück in die Casa. Hier erwarten und die Männer, die – verteilt in Garten, Casa und Dachterrasse – über ihrem Inneren Kompass und den in der Traumreise empfangenen Hinweisen brüten. Der Nachmittag und Abend ist gefüllt mit Einzelsitzungen. Die bereits initiierten P. und S. haben die Aufgabe, echte Alternativen für ihre selbstbestimmte Wahl zu finden. Ich erkläre nochmals die drei Schritte der selbstbestimmten, absichtsvollen Entscheidungsfindung – im Unterschied zu den gewohnten Reaktionen und Pseudoentscheidungen, wie wir sie gelernt haben. Nu verstehen auch die Noch-nicht-Initiierten, warum sie bis zur Initiation keine wichtige Entscheidung mehr treffen sollen: Ohne Klarheit über das Innere Zentrum ist jede Handlung, jede Entscheidung ein Blindflug, der in eine weitere, fremdbestimmte Reiz-Reaktions-Kette führt.
Für P. und S. ist der Zeitpunkt jetzt gekommen, Konsequenzen aus ihrem Inneren Kompass in ihrem alltäglichen Leben zu ziehen. Und, nach Fragestellung und Anliegen der beiden, geht es um ALLES. Ein Unternehmen, das aufgegeben oder fundamental umgestaltet werden wird – weil es Zeit ist, wirklich zu dienen und das Herz führen zu lassen. Und eine Konzernkarriere, die aus der Entfernung doch gar nicht so schlecht aussieht, und doch so viele Male schon an den Rand der totalen Erschöpfung und Frustration geführt hat. Wie weiter, S. ?
Das bilden echter Alternativen ist eine hohe Kunst.
Insbesondere, wenn die Fragestellung in das Zentrum der Seele zielt.
Nur noch drei Tage, um echte und treffende Alternativen zu entwickeln.
Mit dem „Helikopterflug“ (Name einer Trancereise) sind die Fundamente bereits gelegt. Jetzt geht es um recherchieren, konkretisieren, abgleichen, gestalten…
Wo ginge das besser, als im zauberhaften Zauberwald ? Am nächsten Morgen brechen wir auf zum Nordostkamm des Pijarals, der Ort, an dem ich zu Neumond Cedronella sammeln gehe. Der Ort, an dem jeder Baum, jeder Farn, jede Flechte, jeder Vogel Antwort gibt, wenn Du ihn fragst. Der Ort an dem bisher jeder, den ich hierher führte, seinen fließenden, beseelten Wasseraspekt deutlich erlebt, auslebt. Der Ort, an dem ich schon stundenlang auf einem Felsen saß, den Zauberwald mit seinen zahllosen, leisen Klängen im Rücken, den Blick 900 Meter hinab auf das Meer. Das Meer von Atlantis. DA gibt es für mich gar keine Frage….
Leuchtende Augen, Menschen so still, dass sie sich mit dem Wald verweben, und eine Fee, die mit erhobenen Armen durch den Wald tanzt: das gestrige Ritual wirkt: G. ´s Panzer ist durchbrochen, sie kann wieder spüren, all die Vorbehalte, Wut und Schmerzen wie weggeblasen. Sie tanzt.
Ich bete bei mir selbst: Möge sie ihren Raum jetzt hüten, möge sie die Achtsamkeit haben, ihn frei zu halten von den Schatten in ihrem Geist. Der Geist muss sich erst langsam läutern. Und damit dies geschehen kann, braucht es emotionale Disziplin. Ich wünsche ihr so sehr, dass sie diese Disziplin aufbringt und ihren ersten, wichtige Schritt auf ihr Wesen zu festigt.
Nach einem weiteren „Haustag“, an dem Eindrücke integriert, Fragen vertieft, Aufzeichnungen vervollständigt werden können, ist es wieder Donnerstag geworden. G. will alleine im Anaga bleiben, ihre neue Leichtigkeit und Freiheit feiern. Die Gruppe wünscht sich, den Sonnenaufgang auf dem Teide zu erleben. Das bedeutet, 6h Abfahrt, kein Yoga, reduziertes Frühstück. Für mich bedeutet das: 5h aufstehen, Sachen packen, Sitzungen vorbereiten Frühstück machen … meine müden Knochen freuen sich über meine Bekräftigung: „Ich bin dankbar, dienen zu dürfen – für Wahrhaftigkeit und Transformation“. Hätte ich dieses Anliegen nicht, wäre ich nicht bereit gewesen, jedes persönliche Bedürfnis loszulassen, meine „Rillen“ (Automatismen auf Angst) radikal zu meistern, würde ich dieses Licht nicht deutlich sehen, das mir sagt, dass mein Verständnis von Liebe die uneingeschränkte Wahrheit der Seele ist – und die Bereitschaft, jede hieraus notwendige Wandlung zu vollziehen – ich hätte wohl nicht die Kraft, auch nur 3 dieser 18h-Stundentage intensivster Präsenz, Konzentration und auch körperlichen Anstrengung zu schaffen. Doch mit diesem Anliegen und dieser über 15 Jahre trainierten Haltung gehe ich um 5h20 hinunter in die Küche, koche Miso und Porridge, lasse die inneren Bilder meiner fünf Teilnehmer vor mir erscheinen und bereite mich auf die nächsten Schritte vor.
Und wenig später fahre wir die endlosen, schmalen Serpentinen hinauf zu Vater Teide, die Wolken sind heute ungewöhnlich hoch, so dass wir erst spät das erste Licht sehen zwischen den majestätischen Pinos und der sagenhaften Landschaft der Teide-Cañadas.
Während des Aufstiegs aus der Montaña blanca spreche ich mit P.noch einmal alle Alternativen durch, an denen er arbeitet. Zwei seiner fünf Bilder haben wirklich viel Kraft – er merkt das selbst und bekommt Angst. Es wird ernst: Der Horizont ist so viel weiter geworden, die bisherigen Mechanismen von Sicherheit und Routine sind in ihrer Destruktivität allzu sichtbar … kann er den Glauben für ein (so) anderes Leben aufbringen ?
Ich lasse ihn an den schwarzen, magnetischen Steineiern alleine in seinem Diskurs zwischen Sehnsucht und Angst und weiß, er hat einen sicheren, klaren Anker im Zentrum seines Herzens…
Die anderen haben uns eingeholt, sind voller Fragen und Ideen, die sie mit mir reflektieren wollen. C. ist fest entschlossen, vor Ablauf der Auszeit zu initiieren. U. will noch einmal genau wissen, was das bedeutet.
So oft bin ich das schon gefragt worden und es ist so schwer, es in Worte zu fassen. Und doch ist diese Frage natürlich verständlich, wenn man wochen- oder monatelang auf diesen Meilenstein zuarbeitet. Ich versuche es also einmal mehr:
„Initiation - … das ist im „Was Dir wirklich wichtig ist“-Prozeß der Moment, in dem Du deiner Seele versprichst, Dich von nichts anderem mehr bewegen zu lassen, als von deinem Seelenanliegen. Dieses in einem großen, etwa 3-stündigen Ritual vollzogene Versprechen setzt voraus, dass Du in der Tiefe angstfrei bist, dass Du eine unbegrenzte Fülle in Dir wahrnimmst, so dass jede Sehnsucht, jeder Wunsch, jedes Wollen und Brauchen verschwunden ist. Außer dieses eine, dieses unbedingte „Ja“ dazu, zu dienen. Der Menschheit, dem Leben, Gott … Nichts – NICHTS !!! – zurück zu halten für Dich selbst, vollständig zu vertrauen in deine Kraft, in dein Seelenanliegen und dein Geführtsein.
In diesem Moment erlebst Du zu ersten mal, wie Sein, Tun, und Haben zusammenfallen, eins sind. Du bist was Du bewirkst. Du bewirkst, was Du bist. Die Wochen oder Monate der Vorbereitung auf diesen Moment haben alles, was überflüssig geworden ist in deinem Leben, sichtbar gemacht. Du stehst nackt, nichts wissend – außer, dass Du bist und wofür Du in dieses Leben gekommen bist.
Dieses Ritual ist sehr stark –und irreversibel. Die Regeln, nach denen dein Leben verläuft und deine Wahrnehmung verändern sich. Für immer.“
Schweigen. Der ernsthafte U. prüft einmal mehr seine Intention, seine inneren Motive und Aspekte, schleift Schicht für Schicht ab von seinem Wesenskern. Mit jedem Schritt auf dem steilen Gipfel des Teide wird die Luft dünner, jeder Meter vervielfacht den erforderlichen Kraftaufwand. Denken ist irgendwann nicht mehr möglich. Nur noch reine Wahrnehmung.
Da wollen wir hin.
S. muss eine ausgedehnte Pause machen, sein Herz rast, sagt er, und ihm sei schwindelig. P. setzt sich zu ihm und beginnt in Zeitlupe, einen riesigen, dreieckigen Stein auf seiner Spitze zu balancieren. Millimeter um Millimeter lässt er sich vom Stein die richtige Position einflüstern.
C. keucht an uns vorbei – strahlend ruft er: Ich hab´s verstanden. Genau das ist es. Ich hab´s ja immer gewusst ! … und hinauf, hinauf zum Kraterrand.
An der Seilbahn treffen wir uns wieder, 200 Höhenmeter unterhalb des Gipfels. Alle wollen … runterfahren - nur P. nicht. Morgen soll seine fundamentale Ent-Scheidung fallen, morgen soll etwas in die Welt kommen, wonach er sich so lange gesehnt und was er so gefürchtet hat.
Ich frage ihn: „Und, bist Du bereit, wirklich alles hinter Dir zu lassen für deine Berufung ? Hast Du gute Alternativen ? Klingt dein Herz, wenn Du an sie denkst ? Funktionieren sie ?“ „Ein bisschen mulmig ist mir schon“, antwortet er.
Und dann rennt er.
Rennt von 3.200 Höhenmetern hinab auf 1.800 Meter, die ganze Kraft des Aufstiegs setzt sich frei, auch des Aufstiegs aus jahrzehntelanger Überanstrengung, Fremdbestimmtheit, Selbstzweifeln und destruktiver Disziplin.
Weit nach Sonnenuntergang kommen wir in der Casa wieder an. G. strahlt uns entgegen – hat das Wunder des offenen Herzens mannigfach erlebt und sprudelt mit ihren Erlebnissen von Begegnung, Vertrauen, Weite, Offenheit nur so heraus.
Die letzten Vorbereitungen für den Abschlußtag morgen werden besprochen: Vor mir liegen zwei Blätter mit Ritualformeln. Zwei Männer, die ich eine Zeitlang durch ihre Schatten, durch ihre Fragen und inneren Welten begleitet habe, sind bereit. Ja, sie sind bereit. Ich werde sie in die Initiation begleiten.
Auch für mich ist diese Entscheidung von Gewicht, denn zweimal in fünfzehn Jahren habe ich Menschen initiiert, die noch nicht wirklich so weit waren. Ich hatte es gesehen, doch bin ihrem Wunsch gefolgt. In beiden Fällen waren die Folgen verheerend und wir hatten viel zu tun, die Seele in die Stabilität zu bringen, die es braucht, um das, was durch den geöffneten Kanal hereinkommt, auch wirklich verkraften zu können.
Daher frage ich mittlerweile vielfach auf allen Ebenen, prüfe, bis die AnwärterInnen mich schon als nervend oder grausam empfinden, spüre, sehe… Doch heute ist es klar: Diese beiden sind „ready to fly“. Zwei Initiationen an einem Tag, das ist auch für mich viel. Es ist schwer zu erklären, was meine Funktion bei diesem Ritual ist. Am besten taugt wohl das Bild einer elektrischen Überbrückung. Starkstrom. … ich bitte um mindestens 3 Stunden Zeit zwischen den Ritualen…
Aufgrund der Zeit, der Reife seiner Wahlmöglichkeiten und der anderen anstehenden Abschlussgespräche verschieben wir P. s Entscheidung auf Samstagvormittag.
Der Freitag auf dem Nordwest-Grat des Löwenkopfes verläuft kraftvoll von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Die Initiationen sind atemberaubend: Kraft und Herz fliessen zusammen, die Natur begleitet uns mit starken Zeichen und ihrer ganzen Pracht. Die Sonne geht unter. Vor mir liegt im Medizinrad ein vom Tanz erschöpfter und tief atmender Mann auf dem Rücken, die Augen verbunden, die Initiationsgeschenke fest in den Händen, seelig lächelnd in den rötlichen Sonnenstrahl, der genau seinen Platz noch erleuchtet.
Ich bin zutiefst glücklich und zufrieden, ihm verbunden und gewiss, dass es einen Menschen mehr auf der Welt gibt, der für die Liebe lebt, der angstfrei zu seinem Herzen steht und für die Wesen. Ein Mensch, der Vorbild, Mutmacher, Förderer für viele andere sein wird, das Gefängnis der Angst zu verlassen und die ganze Fülle des Lebens zu erschließen.
Beim Feier-Essen in San Andres packt G. wieder ihre Astrokünste aus. Vergnügt zücken alle ihre Smartphones, gucken sich Sternenkonstellationen an und deuten Winkel. „Ich habe ab jetzt am 19. September Geburtstag.“ sagt U. Alle lachen. Der Tisch biegt sich vor Köstlichkeiten, der Ernst und die Konzentration der letzten Tage ist von allen abgefallen – Erleichterung, Verbundenheit, Klarheit, Herzenswärme.
Die kurvenreiche Fahrt wieder zurück, hinauf in unsere geliebten Berge „geschieht“. Zum Glück sind wir alle gut behütet…
Am Samstagmorgen steht also ausnahmsweise noch ein wictiger Akt an. P.´s Entscheidung. Wir sitzen auf der Dachterrasse, haben einen Schutzraum geschaffen, geräuchert, sitzen einander gegenüber. Mit geschlossenen Augen beantwortet P. meine erneuten Fragen nach Berufung, Wahrhaftigkeit, der „richtigen Fragestellung“. Vor uns liegt sein IEM (Innerer Entscheidungsmaßstab), der innerhalb der nächsten Stunde klar und deutlich zeigen wird, welche Form die für P. angemessene ist, um JETZT seine Berufung in die Welt zu tragen.
Ein Unternehmen steht auf dem Spiel. Ein Familienbetrieb, eine Vater-Sohn-Beziehung, ein Lebensweg und ein Selbstbild. Wie wahr ist das alles im Angesicht der eigenen Seele ? Welche der Wahlmöglichkeiten ist wirklich kompatibel mit P.´s Seele ?
Ein langer, intensiver Wäge-, Spür-, Prüflauf beginnt. Frage um Frage wird beantwortet, die Fünf sind absolut präsent und bewerten die Alternativen sicher und klar.
Als alles gesehen und gehört ist – Stille.
„Was meinst Du, welche ist es?“, frage ich ihn.
„Variante B.“ antwortet er ohne Zögern.
Ich zeige P. das Ergebnis, das ich aus seinem Inneren Dialog aufgezeichnet habe. Ja: Variante B.
Dieser Weg, der fast maximal entfernt von seiner bisherigen Lebenssituation verläuft, ist der Weg seiner Seele. Der Verstand stutzt. Der Gesichtsausdruck öffnet sich. Beherzt nimmt P. Alternative um Alternative, mit Herzblut ausgearbeitet, manche vertraut, manche ganz neu – alle geliebt – und zerreißt sie. Alle, bis auf 2. Bei Variante D – seinem Dasein als Künstler, nur Künstler, befreit vom Betrieb – stoppe ich sein symbolisches „Verzichten auf alles bis auf eins“. Wir sehen uns an. Ich weiß, dass diese Alternative die ist, auf die sein Geist am meisten gehofft hat. Hier ist der Weg, der ihm all die Jahre Zuflucht geboten hat, die Hoffnung aufrecht erhielt, alles doch noch einem sinnvollen Ziel zuzuführen. Seine Hände sinken herab, mit ihm das bereits angerissene Blatt Papier. Ein Blatt Papier mit einem Lebensweg. Und da bricht es aus ihm heraus – Tränen aus der Tiefe, noch einmal die ganze Last, der ganze Schmerz, der vermeintlich einzige Strohhalm …
Dann wird es ruhig. Er hebt die Hände und zerreist dieses vorletze Blatt Papier, auf dem sein Name steht – und der am meisten ersehnte Weg…. „Es ist Alternative B“ sagt er, während das Papier zerreißt.
Zuletzt nimmt der Alternative B – sieht sie lange an, wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und sagt: „JA“.
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Weitere Informationen:
http://www.seminar-und-reisen.de/index.php/de/thailand-yoga-retreat-dezember-2014
, , http://www.therapeutenfinder.com/therapeuten/burnout-beratung-therapie-berlin-evelin-rosenfeld.html |