Resilienzfaktor Selbstannahme: Die Wissenschaft des Selbstmitgefühls

Resilienzfaktor Selbstannahme: Die Wissenschaft des Selbstmitgefühls

Wissenschaftler der Universitäten von Stanford und Berkeley sind sich weitgehend einig, dass Mitgefühl zu einer großen Bewegung in der Gesellschaft werden könnte. Eine der Ursachen ist neben dem aktuell hohen Bedarf der enorme Forschungsaufwand den die Universitäten dazu betreiben. Die Fakultät für Medizin der Stanford Universität hat mit dem Center for Compassion and Atruism Research and Education sogar einen eigenen Bereich geschaffen. Das Konzept ist keineswegs neu: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" - den meisten dürfte dieser Satz schon aus der Bibel bekannt sein. Er setzt die Selbstliebe scheinbar als gegeben voraus. Mitgefühl mit sich selbst sollte so selbstverständlich wie unser Atem sein. Leider gerät diese Fähigkeit häufig in unserer Konkurrenz betonten und leistungsorientierten Gesellschaft schon im Schulalter unter die Räder. Viele Menschen optimieren sich ständig und kommen dabei kaum noch zur Ruhe. Dahinter steckt oft die Angst, wer im Wettbewerb der Besten nicht mithält oder nicht mehr kann, der wird aus dem System geschleudert. Beispiele für häufige Optimierungen:

  • Klüger
  • Schneller
  • Fitter
  • Effektiver
  • Effizienter
  • Reicher
  • Interessanter
  • Gesünder

Die Folgen von harter Selbstkritik und einem Mangel an Mitgefühl mit sich selbst

Wenn es Menschen an Mitgefühl mit sich selbst fehlt, gehen sie weniger tolerant und nachsichtig mit sich selbst um. Man entwickelt eine innere Stimme in Form eines Kritikers, der sich vor allem in Momenten des Scheiterns und der Niederlagen zu Wort meldet.  Dieses oft zu harte Richten über sich selbst hat auf lange Sicht ernsthafte gesundheitliche Folgen. Es gibt mittlerweile eine Fülle wissenschaftlicher Indizien, die darauf hindeuten, dass ein Mangel an Mitgefühl mit sich selbst bei Angststörungen, Burn-out am Arbeitsplatz, in Beziehungskrisen und bei Motivationsproblemen eine erhebliche Rolle spielt.

Definition: Was bedeutet Selbstmitgefühl aus wissenschaftlicher Sicht?

Selbstmitgefühl bezeichnet die Fähigkeit sich selbst vollständig anzunehmen und sich der eigenen Person liebevoll zuzuwenden. Dazu gehört: Sich dem eigenen Schmerz, seinen Fehlern und Unzulänglichkeiten offen und ohne zu werten zuzuwenden, so dass die eigene Erfahrung als Teil des menschlichen Lebens verstanden werden kann.

 

Die drei Dimensionen von Selbstmitgefühl

Freundlichkeit mit sich selbst

Allen Aspekten seiner eigenen Persönlichkeit mit Verständnis und Geduld begegnen und sie anzunehmen. In schwierigen Lebensphasen einen guten und fürsorglichen Umgang mit sich pflegen.

Verbindende Humanität

Bei allem was einem widerfährt oder was man fühlt sich bewusst zu sein, dass die meisten Menschen ebenfalls solche Umständen erleben. Man ist mit seinen Erfahrungen niemals allein und dieses Gefühl der Verbundenheit löst mögliche Gefühle von Isolation auf.

Achtsamkeit

Achtsamkeit beschreibt den Zustand, jeder Erfahrung in Form von Gedanken, Gefühlen und Emotionen mit Offenheit und Interesse zu begegnen und sie anzunehmen ohne sich in ihnen zu verstricken.

 

Selbstmitgefühl als Basis für Wertschätzung anderer Menschen (nach Anselm Grün)

Der Begriff des Mitgefühls ist vielen Menschen aus dem Buddhismus geläufig und nimmt  dort auch eine zentrale Stellung ein. Doch auch in anderen Weltreligionen spielen Selbstliebe und Nächstenliebe eine große und zentrale Rolle. Der Benediktinermönch Anselm Grün schreibt in seinem neuesten Buch "Wertschätzung", dass die bedingungslose Annahme und das Erkennen des Wertes der eigenen Person die Voraussetzung für Wertschätzung anderen Menschen gegenüber ist. Konkret schreibt er dazu:

  • Sich selbst annehmen. Um den eigenen Wert wissen.
  • Sich in andere Menschen ohne Vorurteile einfühlen und ihren tiefen Wunsch nach Wertschätzung erkennen

Tiefes Selbstmitgefühl ist besser als ein hoher Selbstwert

Ein hoher Selbstwert wurde lange als ein zentraler Faktor für psychische Gesundheit betrachtet. Er  basiert auf einer globalen Einschätzung des eigenen Wertes und stellt Fragen wie zum Beispiel: Bin ich eine gute oder schlechte Person? Das Problem in westlichen Kulturen ist hierbei wiederum der soziale Vergleich und die Wettbewerbslogik: ein hoher Selbstwert bedeutet für viele Menschen, das Gefühl besonders und besser zu sein als andere. Da es aber immer anderen Menschen gibt, die gefühlt besser sind als man selbst, setzt man sich mitunter enorm unter Druck. Wer dann scheitert, der erlebt häufig auch einen Verlust des Selbstwertgefühls.


Selbstmitgefühl als Grundhaltung gegenüber der eigenen Person konzentriert sich auf die Annahme dessen, was man an Fähigkeiten und Fehlern hat. Wissenschaftler betrachten Selbstmitgefühl als ein wieder entdecktes Maß psychischer Gesundheit. Es setzt neben der Selbstannahme auf die Betonung des Miteinander und des Gemeinsamen - sowohl im Gelingen als auch im Scheitern.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Selbstmitgefühl die Vorteile des Selbstwerts vereint ohne dessen Nachteile zu haben.

Weitere Informationen:
https://www.peak-potentials.de/%C3%BCber-uns/fachartikel/sei-gut-zu-dir-die-praxis-des-selbstmitgef%C3%BChls/

Verfasser und Verantwortlich für den Inhalt:
Stefan Spiecker, Führungstrainer, Resilienztrainer, Coach, Peak Potentials, 69126 Heidelberg
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