Akupunktur
Akupunktur
Stand: 02.04.2015
Historisches
Tätowierungen, die bei der Gletscherleiche Ötzi von etwa 3340 v. Chr. gefunden wurden, dienten möglicherweise therapeutischen Zwecken und befinden sich teilweise in der Nähe aus der chinesischen Medizin bekannter klassischer Akupunkturpunkte.
Die erste zur Zeit bekannte schriftliche Erwähnung der Akupunktur und Moxibustion stammt aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus. Der chinesische Historiker Sima Qian erwähnt in seinen Aufzeichnungen erstmals Steinnadeln. Neuere Grabfunde enthalten Indizien, dass ähnliche Instrumente bereits vor circa 5000 bis 6000 Jahren verwendet worden sein könnten. Alternativ zu Steinnadeln wurden damals auch Bambussplitter oder Fischgräten verwendet.
Die älteste Sammlung chinesischer medizinischer Schriften Innere Klassiker des Gelben Kaisers (Huangdi Neijing) aus der Zeit zwischen 200 Jahre vor und nach der Zeitenwende integriert die Aku-Moxi-Therapie in die damalige Medizin und beschreibt verschiedene Nadeln (aus Metall), Stichtechniken, Indikationen für die Anwendung bestimmter Punkte. In diesem Werk wurden bereits 160 klassische Punkte entlang der wichtigsten Leitbahnen beschrieben. Das erste historisch eindeutig datierbare Werk über Aku-Moxi ist Der Systematische Aku-Moxi-Klassiker (Zhenjiu jiayjing) von Huang Fumi (215-282). Darin werden eine klare Terminologie, eine Topologie von 349 Akupunkturpunkten und systematische Hinweise auf deren Wirkung beschrieben. Weitere historische Werke sind die Erläuterungen der 14 Hauptleitbahnen von Hua Boren (1341), die Untersuchungen über die acht unpaarigen Leitbahnen von Li Shizhen (1518-1593), sowie die Summe der Aku-Moxi-Therapie von Yang Jizhon (1601).
Die erste Erwähnung der Akupunktur (das Stechen mit Nadeln zu therapeutischen Zwecken) in Europa findet man im Jahr 1675. Der Holländer De Bondt erwähnt in W. Pisos Werk De utriusque Indiae Beobachtungen über diese Therapieform aus Japan. Der Begriff Akupunktur wurde von Pekinger Jesuitenmönchen im 17. Jahrhundert geprägt; er setzt sich aus den lateinischen Wörtern acus (= Nadel) und punctura (= Stich) zusammen, bedeutet also "Therapie mit Nadeln". 1683 verfasste Willem Ten Rhyne (Arzt der Ostindischen Handelskompanie) einen ausführlichen Bericht in dem er die klinischen Wirkungen der Nadelstichtherapie beschreibt und auch den Begriff der Akupunktur erstmals erwähnt. Die erste bekannte deutschsprachige Veröffentlichung über Akupunktur stammt aus dem Jahr 1824. Es handelt sich dabei um eine Übersetzung von A Treatise on Acupunturation des Engländers James M. Churchill.
Die geschwächte Mandschu-Dynastie versuchte Ende des 19. Jahrhunderts China zu modernisieren, was unter anderem ein Verbot der Akupunktur beinhaltete. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch. Auch spätere politische Bestrebungen im kommunistischem China, Akupunktur zu verbieten, um die gewünschte Umorientierung des Gesundheitssystems in Richtung eines wissenschaftlichen Fundaments zu fördern, setzten sich nicht durch. Stattdessen gelangte die Kommunistischen Partei Chinas zu der Auffassung, dass das Land zu wenige nach wissenschaftlichen Standards ausgebildete Mediziner besaß, um es allein mit ihnen medizinisch versorgen zu können. Daher wurden etwa 500.000 praktizierende Traditioneller Chinesischer Medizin ins staatliche Gesundheitssystem eingestellt. Dies war mit der Hoffnung verbunden, dass sie mit der Zeit immer stärker wissenschaftliche Arbeitsweisen übernehmen würden. Trotzalledem sind TCM und Akupunktur bis heute in China neben der wissenschaftlich betriebenen Medizin weit verbreitet und wurden inzwischen sogar ins universitäre Bildungssystem integriert.
Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts drang die Traditionelle Chinesische Medizin und mit ihr die Akupunktur verstärkt in den Westen vor.
Konzept der Akupunktur
Das chinesische Wort für Akupunktur besteht aus zwei Teilworten, die die Hauptanwendung der Akupunktur beschreiben, nämlich dem Einstechen der Nadel in die Akupunkturpunkte und dem Erwärmen (Moxibustion) der Punkte.
Akupunktur in der Ming-Dynastie (1368-1644). Bibliothèque Nationale, ParisIn der Akupunktur wird die Existenz von 361 Akupunkturpunkten angenommen, die auf den Meridianen angeordnet sind. Demnach gibt es zwölf Hauptmeridiane, die jeweils spiegelverkehrt auf beiden Körperseiten paarig angelegt sind, acht Extrameridiane und eine Reihe von so genannten Extrapunkten. Nach Meinung der Anhänger der Traditionellen Chinesischen Medizin wird durch das Einstechen der Nadeln der Fluss des Qi beeinflusst. Die Akupunktur gehört zu den Umsteuerungs- und Regulationstherapien. Noch älter als die Akupunktur ist die Akupressur. Hier werden die Punkte mit Hilfe der Fingerkuppen massiert.
Das Konzept der Ohrakupunktur (auch Auriculotherapie genannt) wurde vom französischen Arzt Paul Nogier entwickelt. 1954 berichtete er erstmals in der Deutschen Zeitschrift für Akupunktur über seine Erfahrungen und 1961 stellte er seine Diagnose- und Therapieform auf einem Akupunkturkongress in Deutschland vor. Die Behandlung über das Ohr ist zwar auch aus der chinesischen Akupunktur bekannt, es werden dort jedoch nur wenige Punkte - und diese auch nur selten - verwendet. Daneben besteht noch das Konzept der koreanischen Handakupunktur, bei der die Meridiane fast komplett auf den Händen abgebildet sind, sowie das der Schädelakupunktur mit Abbildung der Meridiane auf den Schädel. Ähnliche Vorstellungen stecken auch hinter der Fußakupunktur.
Körpereigene Reizmethoden sind auch in anderen Kulturen bekannt. Bei den Arabern die Skarifizierung der Haut z.B. bei Hexenschuss und bei den Bantu die Perforation der Ohrläppchen.
Durchführung
Eine Akupunktursitzung dauert etwa 20 bis 30 Minuten. Dabei wird der Patient ruhig und entspannt gelagert, typischerweise liegt er oder sitzt bequem. Vor dem Einstich einer Nadel wird die Stelle und die unmittelbare Umgebung leicht massiert. Während einer Sitzung werden immer so wenige Nadeln wie möglich gestochen, maximal 16. Auch nach der Akupunktur sollte der Patient eine Zeit lang noch entspannt verharren. Eine komplette Therapie umfasst in der Regel zehn bis 15 solcher Sitzungen.
Haltung der wissenschaftlichen Medizin
Ein Teil der wissenschaftlichen Medizin sieht es weiterhin als Aufgabe der Forschung an, der hinter der Akupunktur stehenden Theorie der Meridiane und Akupunkturpunkte wissenschaftlich nachzugehen. Ein anderer Teil hält diese Theorie für dermaßen abwegig, dass er keinen Bedarf für genauere Nachforschungen mehr sieht, zumal alle bisherigen Untersuchungen keinen signifikanten Unterschied zwischen Stechen in Akupunkturpunkte und Stechen in beliebige Punkte ("Scheinakupunktur") finden konnten.
Da auch die von der TCM angenommenen Wirkmechanismen nicht nachgewiesen werden konnten, diese sogar wissenschaftlichen Erkenntnissen über Funktion und Aufbau des menschlichen Körpers widersprechen, und auch kein anderer Wirkmechanismus stichhaltig nachgewiesen werden konnte, wird für diese Wirksamkeit allgemein der wohlbekannte Placebo-Effekt verantwortlich gemacht (Siehe auch: Ockhams Rasiermesser). Dieser ist dadurch zu erklären, dass sich während der Behandlung jemand sehr eingehend mit dem Patienten beschäftigt und Suggestion und Autosuggestion als Wirkungsprinzip genutzt werden. Diese und ähnliche Ergebnisse aus anderen Bereichen der Alternativmedizin haben zu einer verstärkten Diskussion darüber geführt, wie dieser Effekt auch in der wissenschaftlichen Medizin besser ausgenutzt werden kann.
Sowohl Befürworter als auch Gegner der Akupunktur warnen davor, bei schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs, Multiple Sklerose oder Schlaganfall Akupunktur anzuwenden. Befürworter begründen dies damit, dass dies Gegenanzeigen seien, die die Krankheit durch eine fördernde Wirkung der Akupunktur noch verschlimmern könnten und somit - beispielsweise bei Krebserkrankungen - die Zellen zur Vermehrung anregen würden. Eine solche fördernde Wirkung - wie etwa eine Zellvermehrung - wird von der wissenschaftlichen Medizin jedoch bestritten. Gegner halten hingegen den Einsatz von Akupunktur bei schwerwiegenden Erkrankungen für gefährlich, da konventionelle Maßnahmen häufig nicht oder erst zu spät eingesetzt werden.
Einsatzgebiete
Als anerkannte Hauptindikation für eine Akupunkturbehandlung gelten chronische Schmerzen, wenn kein körperlicher Befund vorliegt.
Sie wird aber auch zur Linderung von Beschwerden bei Pollinosis (Heuschnupfen) und die Anwendung in der Gynäkologie zur Geburtsvorbereitung, bei Schwangerschaftserbrechen und Regelbeschwerden eingesetzt.
Ferner wird Akupunktur im Bereich der (Akupunktur-)Anästhesie bei kleineren Eingriffen z.B. Zahnbehandlungen angewandt.
Die Weltgesundheitsorganisation gibt Indikationen für Akupunktur u.a. in folgenden Bereichen an:
- Erkrankungen des Atmungssystems (z.B. akute Nasennebenhöhlenentzündung)
- gastrointestinale Störungen (z.B. chronischen Magengeschwüren)
- Bronchialasthma
- neurologische Störungen (z.B. nach Schlaganfällen)
- Augenerkrankungen (z.B. zentrale Retinitis)
- muskuloskeletale Erkrankungen (z.B. Zervikobrachialsyndrom)
- Erkrankungen im Mundbereich (z.B. Schmerzen nach Extraktionen, Gingivitis).
Das Consensus Panel des National Institutes of Health (NIH) bemängelt zwar die handwerkliche Qualität vieler Studien, weist aber auf vielversprechende Ergebnisse hin, die auf eine Wirksamkeit in den folgenden Bereichen hindeuten:
- Übelkeit und Erbrechen nach einer Chemotherapie oder Operationen
- postoperative Zahnschmerzen
- Übelkeit,Ödeme und Ischialgien während der Schwangerschaft
- Geburtsvorbereitende Akupunktur
Bereiche in denen Akupunktur nach Meinung des NIH als ergänzende Behandlung sinnvoll sein könnten sind:
- Suchterkrankungen
- in der Rehabilitationstherapie nach einem Schlaganfall
- Kopfschmerzen
- Rückenschmerzen
- Regelbeschwerden
- Epicondylitis
- Fibromyalgie
- myofasziale Schmerzen
- Arthrose