Circle of Peace - Ein Gruppenprojekt mit geflüchteten Frauen
Circle of Peace - Ein Gruppenprojekt mit geflüchteten Frauen
25.02.2019
„Vor dem Anderen ist das Ich unendlich verantwortlich.“
— Emmanuel Levinas
Das Projekt „Circle of Peace – Traumagruppe für arabisch sprachige Frauen“ bietet nach eineinhalb jährigem Bestehen Material für eine Auswertung und die Entwicklung weiterer Projektideen. Der Beschreibung dieses Gruppenprojektes stelle ich einige ethische Überlegungen voran, die der Beschäftigung mit Emmanuel Levinas und dem Zen-Meister Bernie Glassman entsprungen sind. Gestalt- und feldtheoretische Überlegungen fließen in die Darstellung der Entwicklung und des Verlaufs des Projektes ein. Das Kernstück sind Interviews mit den Frauen, die ich auf diese Weise zu Wort kommen lasse.
Ethische Überlegungen im Vorfeld
Die Aussage des Philosophen Emmanuel Levinas, „vor dem Anderen ist das Ich unendlich verantwortlich“, scheint wie eine unendliche Bürde, der man widersprechen möchte, um sie schnellstmöglich loszuwerden. Ist das ähnlich wie bei diesen Anderen, die als Flüchtlinge in unser Land „einfallen“, etwas von uns wollen, einfach da sind? Auch hier wird nach Argumenten und Gründen gesucht, sie loszuwerden. Ich bleibe bei Levinas und folge seinen Gedanken in „Die Spur des Anderen“: Hier führt er uns vor Augen, wie sehr die Anwesenheit des Anderen – gleichgesetzt mit „Antlitz“ – eine nicht abzulehnende Anordnung, nämlich die Aufforderung zur Antwort ist. Das Ich werde sich nicht nur der Notwendigkeit zu antworten bewusst, es sei durch und durch Verantwortlichkeit.
Ich entkomme meiner Verantwortung nicht, die ich als Mensch für den Anderen habe. Welches meine Antwort ist auf die Ansprache, die ich vernehme, ist damit noch nicht gesagt. Es ist auch damit nicht getan, dem häufig laut werdenden Ruf nach staatlicher Verantwortlichkeit zu folgen und meine Verantwortung auf den Staat abzuwälzen. Vielmehr warnt uns Levinas in „Verletzlichkeit und Frieden“ davor, „in den Gewalten des Staates, in der Politik, die durch Gewalt den Gehorsam gegenüber dem Gesetz sichert“, nach Lösungen zu suchen. In der „rationalen Ordnung, die um den Preis der eigenen Notwendigkeiten des Staates erlangt wird“, sieht er eine Gefahr für das Individuum. Denn diese rationale Ordnung würde einen Determinismus bilden, der so streng sei wie die gleichgültige Natur den Menschen gegenüber. Und dies „auch wenn anfänglich die Gerechtigkeit […] als Zweck oder Vorwand für die politischen Notwendigkeiten gedient hat“. Levinas problematisiert Gerechtigkeit hier als ein fragwürdiges Gleichmachen des Einen mit dem Anderen. Wer ist der Menschen, wenn seine Anderheit keine Rolle spielen darf? Er wird zu dem „Flüchtling“, dem „Deutschen“, dem „Juden“, der zum Schutz der einen vor den anderen abgeschoben, interniert, wegorganisiert wird. Gegen die „ethische Gewalt“ der Gerechtigkeit, die die Anderheit des Anderen nicht hinnehmen kann und ihn sich gleichmachen will, setzte Levinas das (ethische) Prinzip, das gekennzeichnet ist durch die Erkenntnis, das Antlitz des Anderen sage: „Töte mich nicht.“
Lewinas: „Bleibt nicht das derart durch die Gerechtigkeit begrenzte Menschenrecht ein verdrängtes Recht, und bleibt nicht der Frieden, den es zwischen den Menschen errichtet, ein noch unsicherer und stets prekärer Frieden? Ein schlechter Frieden, aber gewiss besser als ein guter Krieg! Doch ein abstrakter Frieden, der nach Beständigkeit in den Gewalten des Staates sucht, in der Politik, die durch Gewalt den Gehorsam gegenüber dem Gesetz sichert. Folglich Rückgriff der Gerechtigkeit auf die Politik, auf ihre Kunstgriffe und Listen: rationale Ordnung, die um den Preis der eigenen Notwendigkeiten des Staates erlangt wird, die in ihr impliziert sind. Diese bilden einen Determinismus, der so streng wie derjenige der gegen den Menschen gleichgültigen Natur ist, auch wenn anfänglich die Gerechtigkeit – das Recht des freien Willens des Menschen und seine Übereinstimmung mit dem freien Willen des jeweils anderen – als Zweck oder Vorwand für die politischen Notwendigkeiten gedient hat. Eine Finalität, die bald in den Abweichungen verkannt wurde, die sich in der Praxis des Staates aufdrängen. Finalität, die bald in der Entfaltung der eingesetzten Mittel verlorenging. Und im Fall eines totalitären Staates wird der Mensch unterdrückt und die Menschenrechte verhöhnt und das Versprechen einer abschließenden Rückkehr zu den Menschenrechten endlos vertagt.“[2]
Wenn Mensch-Sein so unmittelbar verbunden ist mit der Verantwortung für den Anderen, dafür, dass der Andere nicht mir gleichgemacht und damit seiner Einzigartigkeit beraubt wird, was passiert dann mit unserer Menschlichkeit, wenn wir diese Verantwortung nicht übernehmen? Ist das nicht die eigentliche Wurzel der vielfach und zurecht beklagten humanitären Krise?
Eine ähnliche Radikalität fand ich bei dem Zen-Meister Bernie Glassman, der sein Engagement seit Jahrzehnten den gesellschaftlichen Mechanismen der Ausgrenzung widmet und der Formen der Friedensarbeit entwickelt hat, die ein tiefes Gewahrsein für die Mechanismen der Vernichtung des Anderen wachruft. Seine Retreats führen an Orte, wie Auschwitz, Srebrenica, Ruanda, Black Hills, wo unsägliches Leid geschehen ist, mit dessen Folgen wir immer noch zu tun haben.
„How to become a Mensch“, war eine zentrale Frage, die Bernie Glassman, während der internationalen und interreligiösen Bearing-Witness-Retreats, die seit 1996 jährlich in Auschwitz stattfinden, uns Teilnehmern gestellt hat. Diese Frage nahmen wir Teilnehmende des Retreats mit, wenn wir still über das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagerns Auschwitz-Birkenau gingen; sie begleitete uns während des fünftägigen Aufenthalts dort und darüber hinaus. Die Orientierung für ethisches Handeln, die Bernie Glassman und die von ihm gegründeten Zen-Peacemaker an ihre Schüler weitergeben, besteht im Wesentlichen in drei Grundsätzen: Nicht Wissen – Zeugnis ablegen – Handeln in Verbundenheit. Mit Nicht-Wissen verbindet sich die Vorstellung, seine Konzepte und Annahmen über sich und die Anderen zu erkennen, zu hinterfragen und offen zu sein, für das Unbekannte. Zeugnis ablegen ruft auf zu bewusstem Gewahrsein für das, was gegenwärtig in einem und im eigenen Umfeld da ist. Handeln in Verbundenheit, das manchmal auch als „liebevolles Handeln“ oder „heilsames Handeln“ bezeichnet wird, fordert auf, sich für das Wohlergehen der Anderen und von sich selber einzusetzen.
Bernard Glassman: „Und was bedeutet es, für den Frieden zu arbeiten? Diese Frage wird in diesem Buch nicht beantwortet. Es geht nicht um Antworten, denn in Antworten ist nicht viel Energie. In diesem Buch geht es um Fragen. Genauer gesagt: Es geht darum, wie man ein Leben aus dem Geist des Fragens, ein Leben des Nichtwissens führen kann.“[3]
Auf dem Hintergrund dieser ethischen Orientierungen begann ich 2015, über Möglichkeiten nachzudenken, mich im Rahmen unseres Gestaltinstituts InKontakt für Geflüchtete einzusetzen. Aus einer mehrjährigen therapeutischen Arbeit mit einem Pakistani, dessen Aufenthaltsstatus lange unklar war, hatte ich etwas Einblick in die bürokratische Mühsal, der Asylsuchende ausgesetzt sind, und die Auswirkungen dieser Situation auf deren psychische Verfasstheit gewonnen. Ich kannte auch die Belastung, die eine therapeutische Begleitung unter ungesicherten Aufenthaltsbedingungen des Klienten bedeutete.[4]
Für mein Vorhaben wollte ich so wenig bürokratischen Aufwand wie möglich haben und keine lähmenden institutionellen Rahmenbedingungen oder Einmischungen von irgendwelchen staatlichen Stellen. Wie Goodman in einem kleinen Essay schreibt: „Da etwas zum Laufen zu bringen und es auf meine Weise zu tun, und ein Künstler an konkretem Material zu sein, die Art von Erfahrung ist, die ich mag, bin ich unwillig gegenüber äußeren Autoritäten, die nicht genau das Problem kennen oder die Mittel, die man zur Verfügung hat.“
Paul Goodman: „Für mich ist das Hauptprinzip des Anarchismus nicht Freiheit, sondern Autonomie. Da etwas ins Laufen zu bringen und es auf meine Weise zu tun, und ein Künstler an konkretem Material zu sein, die Art von Erfahrung ist, die ich mag, bin ich unwillig gegenüber Befehlen äußerer Autoritäten, die nicht genau das Problem kennen oder die Mittel, die man zur Verfügung hat. In den meisten Fällen ist das, was man tut, formgerechter, schwungvoller und feinsinniger ohne die Einmischung von top-down Autoritäten, sind dies nun der Staat, das Kollektiv, die Demokratie, eine korporierte Bürokratie, Gefängniswärter, Dekane, schon ausgefertigte Curricula oder eine zentrale Planung. Solche Sachen mögen in bestimmten Ausnahmefällen notwendig sein, doch auf Kosten der Vitalität. Das ist eine empirische Aussage der Sozialpsychologie, und ich glaube, dass alles Beweismaterial stark dafür spricht. Im großen und ganzen ist, mittelfristig gesehen, der Einsatz von Macht, um etwas zu bewerkstelligen, ineffizient. Äußere Macht verhindert inneres Funktionieren. Wie Aristoteles sagte, die Seele bewegt sich selber‘.“[5]
Zur Idee:
„Circle of Peace – Trauma Gruppe für arabischsprachige Frauen“. Warum dieser Titel und nicht einfach Therapiegruppe? Krieg und Flucht zerreißen ein zusammenhängendes, verbundenes soziales Gefüge und führen zu nebeneinander stehenden Erfahrungsbruchstücken. Zerrissenheit und Unverbundenheit sind unter anderem die psychischen Folgen. Der „Circle of Peace“, sollte schon im Titel die Zielrichtung andeuten: Verbundenheit sollte entstehen, wo Zerrissenheit und Isolation war, und der Erfahrung von Krieg sollte die des Friedens gegenübergestellt werden. Es ist weitreichend erforscht, dass soziale Bindungen Schutz vor Traumatisierung bieten. Diese und andere Erkenntnisse aus der Traumaforschung waren wichtige Grundlage für meine Überlegungen.[6]
Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe Gleichgesinnter, die ähnliche Erfahrungen von Krieg und Flucht gemacht hatten und ihr Leben neu organisieren wollten, sollte das Kernstück des Projektes sein. Nicht die individuellen Störungen, die die Frauen als Bewältigungsstrategien entwickelt hatten, sollten im Vordergrund stehen, sondern das gegenseitige Interesse und die individuellen Ziele in ihrem gegenwärtigen Leben. Die Gruppe sollte stabilisieren. Einzelsitzungen wollte ich nur bei besonderem Bedarf und in der Anfangsphase anbieten. Das Thema Trauma sollte im Therapieprozess nicht ausgespart aber auch nicht überbetont werden. Es ging mir nicht darum zu diagnostizieren, wer nach ICD10 eine „Posttraumatische Belastungsstörung“ zu behandeln hätte. Jede Frau, die sich durch das Angebot angesprochen fühlen würde, war willkommen. Ich gehe davon aus, dass alle, die vor Krieg fliehen, auf welchem Weg auch immer, mehr oder weniger traumatisierende Erfahrungen gemacht haben.[7]
Die Eingrenzung auf den arabischen Sprachraum hat einerseits einen übersetzungstechnischen Hintergrund, aber auch meine Unklarheit darüber, wieweit kulturspezifische Differenzen als zusätzlich zu bewältigende Anforderungen den Gruppenprozess überfordern würden. Auch schien es mir zu diesem Zeitpunkt schwierig, eine gemischtgeschlechtliche Gruppe anzubieten. Ich wollte zuerst Frauen und ihre Bedürfnisse und Themen kennenlernen.
Für das Gruppenprojekt wollte ich ein Ankommen in einer Gegenwart ermöglichen, in der es um die persönlichen Anliegen der Frauen ging, um ihre Befindlichkeit, ihre Bedürfnisse, die alltäglichen Sorgen, Träume, Ziele. Ausgehend von dieser Gegenwart sollten Blicke in die Vergangenheit und die Zukunft gerichtet werden können, dabei sollte die Resonanz der Gruppe unterstützend wirken. Kontinuität und ein Eingehen auf individuelle Bedürfnisse und Interessen in einem klar benannten Rahmen, sollten Stabilität und Sicherheit gewährleisten. Das Ziel war psychische Stabilisierung und Wiedererlangung von innerer Sicherheit und Selbstbestimmung sowie Resonanz- und Handlungsfähigkeit.
Weitere Vorüberlegungen bezogen sich auf den Rahmen und die Finanzierung. Das Angebot sollte für die Frauen kostenfrei sein. Daher plante ich das Projekt als ein Angebot des InKontakt Gestaltinstitut Berlin in Kooperation mit dem Zen-Peacemaker Deutschland e.V., da über den Verein die Möglichkeit bestand, das Projekt mit Spenden zu unterstützen. Ende des Jahres 2016 erhielt das Projekt eine einmalige finanzielle Unterstützung des Berliner Senats für Ehrenamtstätigkeit für geflüchtete Menschen.
Der Beginn
Im Januar 2016 startete ich mit der Suche nach einer Übersetzerin, die zudem für die Kontaktanbahnung und alle Absprachen mit den Teilnehmerinnen zuständig sein sollte. Arwa, eine junge Syrerin mit Bachelor in Kunst, hatte Interesse an dieser Projektidee. Sie war zu diesem Zeitpunkt seit eineinhalb Jahren in Deutschland, ihre Sprachkenntnisse waren ausreichend, ihre Motivation war groß. Sie wollte etwas für geflüchtete Frauen tun, sich vernetzen, sich auf sinnvolle Weise engagieren. Über eine Stiftung für geflüchtete AkademikerInnen, wurde ihre Tätigkeit für das Projekt als Praktikum für ein halbes Jahr gefördert, sodass sie ihre Lebenshaltungskosten in dieser Zeit darüber decken konnte.
Das Angebot bestand zu Beginn in vierzehntägigen zweistündigen Gruppentreffen und Einzelgesprächen zum Kennenlernen und bei Bedarf. Nach dem ersten halben Jahr begannen wir mit wöchentlichen meist dreistündigen Treffen. Die Verbreitung des Angebotes erfolgte von meiner Seite über Anschreiben an Flüchtlingseinrichtungen und Bezirkskoordinationsstellen für Flüchtlingshilfe und über Kollegen. Arwa erzählte in ihrem Bekanntenkreis und ihrer Sprachschule mit Begeisterung von diesem Projekt und ermutigte eine Reihe von Frauen zum Mitmachen. Interessierte Frauen lud sie in die dafür eingerichtete WhatsApp-Gruppe ein. Auf diese Weise erhielten alle die Termine und wichtige Infos, sodass auch jene Frauen Teil der Gruppe blieben, die nicht immer kommen konnten. Das Projekt wäre ohne Arwa sicher nicht zustande gekommen, sie war wichtiges Verbindungsglied zwischen mir und den Frauen, der deutschen und syrischen Welt. Gleichzeitig war ihr Engagement für das Projekt für sie eine wichtige Möglichkeit, der Ohnmacht in Anbetracht der katastrophalen Auswirkungen des Krieges in ihrer Heimat etwas entgegen zu setzen.
In den ersten Einzelgesprächen habe ich abgeklärt, in wieweit das Angebot für die jeweilige Frau sinnvoll sein könnte. Ein hoher Bedarf an alltäglicher Unterstützung bei Behörden und Ämtern, Begleitung zu Arztbesuchen etc. konnte die Gruppe nicht leisten. Auch bei der Wohnungssuche konnten wir nicht helfen. Als schwierig erwies es sich auch, wenn Frauen eine große Hilfsbedürftigkeit, geringe Verbindlichkeit und niedriges Reflexionsniveau mitbrachten.
Die erste Frau kam über die Sozialstation einer Klinik. Malake war zu diesem Zeitpunkt seit zwei Monaten in der Klinik. Sie hatte im wahrsten Sinne des Wortes ihre Sprache verloren. Sie war 27 Jahre alt und war vom Norden Libanons allein nach Deutschland geflüchtet. Sie hatte im Libanon aufgehört zu sprechen, als sie vom Tod ihres Verlobten erfuhr, der im Militärdienst durch eine Bombe getroffen worden war. Als ihre Familie sie ein Jahr später zwingen wollte, einen anderen Mann zu heiraten, trat sie die Flucht an. Die Sozialarbeiterin der Klinik hatte nun die Vorstellung, dass eine Gruppe M. zum Sprechen anregen könnte. Allerdings hatten wir noch keine laufende Gruppe. Malake war die erste – und eine Zeitlang die einzige - Teilnehmerin der Gruppe. Nach zwei, drei Sitzungen war sie so weit, dass sie ihre Jacke, die sie bis dahin nie ausgezogen hatte, bei Seite legte. Da sie nicht sprechen konnte, schrieb sie auf, was sie sagen wollte, Arwa übersetzte. In der Klinik hatte sie entdeckt, dass Malen ihr Freude bereitete. Dies wurde für einige Sitzungen zu einem wichtigen Medium, über das sie sich ausdrückte.
Die nächste Frau, Rahaf, war eine 17-jährige Schülerin, die mit der Cousine kam. Die einige Jahre ältere Cousine wollte im Erstgespräch sichergehen, dass Rahaf bei uns gut aufgehoben und ich vertrauenswürdig war. Rahaf blieb. Auch für sie war das Malen am Anfang hilfreich; so konnte sie über das Gemalte sprechen, ohne immer direkt selbst im Fokus zu sein. Sie war mit ihrer Mutter und drei weiteren Geschwistern von Damaskus aus über die Balkanroute nach Deutschland geflüchtet, nachdem der Vater und der ältere Bruder durch Bomben ums Leben gekommen waren. Sie lebte mit ihrer Familie zu diesem Zeitpunkt in einem Wohnheim für Geflüchtete. Ihr Ziel sei es Journalismus zu studieren, teilte sie uns mit.
In den ersten Monaten kam die eine oder andere Frau hinzu, die dann aber wieder wegblieb. Nach fünf Monaten füllte sich die Gruppe mit weiteren Frauen, die nach wie vor in der Gruppe sind. Rawaa beispielsweise, die mit ihrer Familie von Damaskus über Algerien nach Deutschland flüchtete. Sie hat drei erwachsene Söhne, ist Mitte vierzig und gut ausgebildet. Zwei Frauen kamen aus kurdischen Gebieten und sind über die Türkei und Griechenland nach Deutschland geflohen, ebenso eine Drusin und zwei weitere Frauen aus dem Norden Syriens. Teilweise sind deren Familien noch in Syrien oder in der Türkei, teilweise hier in Deutschland.
Besonders belastend sind für alle Teilnehmerinnen die Erfahrungen vom Tod von Familienangehörigen oder Freunden. Auch leiden sie sehr darunter zu wissen, dass sie den Angehörigen, die zurückgeblieben sind, nicht helfen können. Alle in der Gruppe sind froh in Deutschland zu sein, hier als Frauen mehr Möglichkeiten zu haben, um sich weiterzuentwickeln. Sie wollen alle die Sprache gut lernen, um zu studieren oder sich beruflich zu qualifizieren. Einige haben bereits in Syrien ein Studium begonnen, es aber nicht abschließen können. Sie haben Kunst, englische Literatur, Anglistik, Psychologie, Soziologie, Krankenpflege, etc. studiert. Es besteht ein hohes Interesse, sich für andere Geflüchtete einzusetzen. Dies haben einige von ihnen auch bereits während ihrer Flucht in den Aufenthalten in der Türkei, Griechenland oder Algerien getan.
Die Bedeutung der Gruppe für die Frauen
Das regelmäßige Zusammentreffen in meiner Praxis, die zum vertrauten, sicheren Ort und für diese Zeit zu ihrem Raum wird, unterstützt ihr Ankommen im Hier und Jetzt, in der Gegenwart. Die Flucht hat hier gewissermaßen ein Ende. Auch wenn sie bereits einen Platz in einem Wohnheim oder sogar eine eigene Wohnung gefunden und einen Sprachkurs begonnen haben, so ist mein Eindruck, dass sie sich nach wie vor innerlich auf der Flucht oder im alten Leben in Syrien befinden. Hier in der Gruppe beginnen sie mehr und mehr im eigenen Leben und bei sich anzukommen. Die Topologie verändert sich. Die psychische Landschaft erhält einen neuen bedeutungsvollen Raum in dem ihre persönliche Entwicklung stattfinden kann und unterstützt wird.[8]
Blankertz: „Was ist das Feld? Es gibt zwei Modi, es zu beschreiben, der eine ist „phänomenologisch“ oder, wie Lewin meist sagt, “topologisch“, der andere „dynamisch“ oder “hodologisch“. (…) Der von einer geschlossenen Jordankurve eingegrenzte Raum oder eben das Feld beinhaltet psychologisch alles, was eine Person physisch begehen, erblicken, erreichen, fühlen, hören, zu Wege bringen, was sie psychisch sich rückschauend oder vorwegnehmend vorstellen, was sie vor ihrem geistigen Auge sehen und woran sie sich erinnern kann. Dies ist der „Lebensraum“ der Person, der Raum , in dem ihr Verhalten stattfindet, und umfasst als solcher sowohl die Person selbst als auch ihre Umwelt.“
Kurt Lewin zeigte in seiner Forschung, dass das Bewältigen von Hindernissen wie zum Beispiel Anforderungen von außen, die zu erledigen sind, um einer Strafe oder Bedrohung zu entgehen, zwar zu einer kurzfristigen Erleichterung führt, aber nicht als Erfahrungseinheit wahrgenommen wird. Völlig anders wirke sich eine zielgerichtete Aktion einer Person aus, die auf ein selbstgesetztes Ziel zustrebe, dabei Energie mobilisiere, kreativ im Feld agiere und so sein Ziel erreiche. In diesem Fall erlebt das Individuum eine Erfahrungsganzheit, die seine Persönlichkeit stärkt.[9]
Was bedeutet das nun für die Frauen, die hier als Flüchtlinge angekommen sind? Sie haben in der Regel eine Menge Hindernisse überwunden und sind hier gegenwärtig ebenfalls damit beschäftigt weitere zu überwinden: bürokratische Abläufe zur Sicherung des Aufenthalts, ausharren in Übergangs-wohnheimen, etc. Das alles hat mit Überlebenssicherung zu tun und ist von daher wichtig, allerdings mehr außen, als innen gesteuert und verstärkt das Gefühl der Zerrissenheit. Die Menschen bleiben innerlich leer, fühlen sich erschöpft, Gefühle der Sinnlosigkeit machen sich breit. Diese Phase sollte schnellst möglich überwunden werden, denn sie verhindert, was wir gestaltalttherapeutisch als „Figurbildung“ bezeichnen und schwächt die Menschen eher. Sobald sie dann anfangen eigene Ziele und Interessen zu entwickeln und zu verfolgen, werden sie stärker und klarer.
Der Gruppenprozess
In der Anfangsphase der Gruppenbildung war Arwas Rolle immens wichtig. Sie war nicht nur Dolmetscherin, sondern Vertrauen stiftende Vermittlerin. Die Frauen erlebten Arwa einerseits in vertrauensvollem Kontakt mit mir und andererseits auch als eine von ihnen. Unsere Verbindung war gewissermaßen modellhaft für die hinzukommenden Frauen. Arwa war zugewandt, interessiert, unterstützend. Mit der Festigung der Gruppe veränderte sich ihre Position in der Gruppe. Zwar blieb sie weitgehend für die Übersetzung zuständig, aber auch andere übernahmen zeitweise diese Aufgabe und sie wurde mehr und mehr Teil der Gruppe. Von Anfang an führte ich mit ihr Einzelgespräche zu ihrer Unterstützung, die sie in ihrer Rolle als Dolmetscherin und Begleiterin der Gruppe stärken sollten.
Für die Frauen der Gruppe bekam das wahr zu nehmen, was gerade in ihrem Leben im Vordergrund war, eine große Bedeutung. Raum für die eigene Geschichte, für aktuelle Sorgen und Ängste, für innere Konflikte zu haben, war für die meisten Frauen ungewohnt. Auch dass sie hier in der Gruppe erleben konnten, dass einander aufmerksam zugehört wurde, war für sie eine neue Erfahrung. Sie erzählten, dass in der syrischen Gemeinschaft zwar auch viel geredet, aber einander nicht wirklich zugehört werde. Es würde auch viel getratscht, was dazu führe, dass man sich nicht offen zeige. Manche von ihnen hatten Vorerfahrung mit einer professionellen Berater-Rolle, in der es darum geht, den anderen zuzuhören und die eigene Befindlichkeit nach hinten zu stellen. Auch für sie ist unsere Art im Kreis zu sprechen, so dass jede Frau zu Wort kommt, wohltuend und bereichernd.
Das Bei-sich-Ankommen unterstützt das Ankommen in diesem neuen Leben, das nicht einfach ist, da hier vieles anderes funktioniert als in Syrien. Nicht nur das Leben funktioniert hier anders, es bringt ein neues Selbst-Erleben mit sich und das Gefühl, sich neu erfinden zu müssen. Eine Frau meinte einmal, es hätte sie sehr verwirrt, als sie gemerkt habe, dass ihre „Begriffe“ nicht mehr stimmen würden. Die innere Orientierung ist verloren gegangen. Und so stellt sich für viele Frauen die Frage: Wer bin ich eigentlich? Welche Frau bin ich hier? Auf welche Werte stütze ich mich? Was sind für mich Ziele? Beziehungen stehen auf dem Prüfstand. Das Geschlechterverhältnis ist hier anders. Frauen genießen hier einerseits mehr gesellschaftlichen Schutz, andererseits wird von Frauen auch einiges erwartet, wie z.B. berufliche Entwicklung, Eigenständigkeit, etc. Das verändert ihre Beziehung zu ihren Partnern und zur Familie. Die alte Identität stimmt meist nicht mehr, eine Neue ist noch nicht gefunden. Das löst Angst, Unsicherheit manchmal auch Depression aus. Oft wird nach außen ein anderes Bild von sich gezeigt, als es im Inneren gespürt wird.
Die meisten Frauen der Gruppe sahen sich mit Trauma-Folgeproblemen konfrontiert. Darüber zu sprechen, Symptome einordnen zu können und zu hören, dass es unter psychischer Extrembelastung normal ist, dass man eine Reihe von Symptomen entwickelt, gab eine erste Beruhigung. Wir sprachen über Stabilisierungsmöglichkeiten und die Frauen berichteten, wie sie das Gehörte in den Alltag integrieren und was ihnen hilft. Manche sind zusätzlich in ärztlicher Behandlung und nehmen ein Antidepressivum oder machen eine krankenkassenfinanzierte Traumatherapie. Manchmal sind zusätzliche Einzelgespräche mit mir hilfreich, um eine Krise zu meistern. Zudem fingen die Frauen bald an, sich zu besuchen und gemeinsame Aktivitäten zu starten. Sie unterstützen sich gegenseitig in vielerlei Hinsicht.
Nach dem ersten Jahr, in dem sich die Gruppe gefunden und stabilisiert hatte, schien es, dass die Teilnehmerinnen weniger Zeit oder Interesse an der Gruppe hatten. Ich gewann den Eindruck, etwas würden sie nicht zur Sprache bringen, sondern gemeinsam vermeiden. Diesen Eindruck kommunizierte ich über Arwa, die als Sprachrohr meine Einschätzung mitteilte und zu einem Klärungs-Auswertungsgespräch einlud. Die meisten Frauen waren nun ein halbes Jahr in der Gruppe und ich wollte mit ihnen besprechen, ob und wofür die Gruppe weiterhin für jede wichtig war. Die folgenden Gespräche waren sehr fruchtbar und markierten eine neue Phase des Gruppenprozesses.
Zum einen beunruhigte sie die Vorstellung, die Gruppe, die ihnen offenbar wichtig geworden war, könnte enden. Und zum anderen habe ich noch einmal deutlich gemacht, dass sie hier alles besprechen können, auch jene Themen, die ihnen vielleicht nicht wichtig genug, nicht interessant genug oder für die anderen zu schwierig erscheinen. So erlebten die Frauen, dass wir auch über Differenzen und schwierige Themen sprechen können und dass die Gruppe dies aushält. Diese Erfahrung belebte die Gruppe sehr. Alle profitierten davon. Sie waren gefragt: Es war ihre Gruppe, die sie gemeinsam mit ihren Themen füllten und sie waren stolz darauf, was wir gemeinsam bis dahin geschafft hatten.
In Folge des gewachsenen Selbstbewusstseins entstand die Idee, das Projekt einem weiteren Kreis von Familie, Freunden und Interessierten vorzustellen. Die beiden Künstlerinnen aus der Gruppe wollten Bilder ausstellen, die sie in Berlin gemalt hatten oder noch malen wollten. Sie wollten befreundete Musiker einladen, eine Frau wollte auch Lieder singen, andere sich ums Essen kümmern. Es war ihr Projekt, das sie vorstellen wollten, auf das sie stolz waren. Der Abend war für alle ein großes Highlight. Es gab viel Anerkennung sowohl für die Bilder der Künstlerinnen, die Musik als auch für das gesamte Projekt. Die Frauen sprachen darüber, was sich für sie verändert hat seit sie in der Gruppe sind, wie wichtig es ist, über die eigenen Themen zu sprechen und dafür einen geeigneten Rahmen zu haben.
Einige Männer äußerten darauf hin Interesse an einem „Circle of Peace“ für Männer, denn auch sie hätten Bedarf. Dieses Interesse griff ich auf, um es in einem Folgeprojekt mit einem männlichen Kollegen und einem arabisch sprachigen Übersetzer zu realisieren. Wir planen mit beiden Gruppen einige gemeinsame Termine im Jahr durchzuführen.
Die Frauen sprechen über den „Circle of Peace“
Die sechs Frauen, die am kontinuierlichsten die Gruppe besuchten, hatte ich für diesen Aufsatz gebeten, anhand von vier Fragen über ihre Erfahrungen in der Gruppe zu schreiben. Die Texte erhielt ich von ihnen entweder in Englisch oder sie wurden durch die Teilnehmerinnen gemeinsam ins Deutsche übersetzt. Um ihre Authentizität zu bewahren und ihre Individualität deutlich zu machen, habe ich die Texte nicht überarbeitet.
Seit wann bist du in der Gruppe?
Arwa: Ich bin Arwa. Ich begann vom Anfang an mit Gabriele. Sie war damals auf der Suche nach einer Übersetzerin, die ihr bei ihrem Projekt "Circle of Peace" hilft. In der damaligen Zeit habe ich noch Deutsch gelernt.
Rahaf: Ich habe die Gruppe „Circle of Peace“ vor einem Jahr und neun Monaten entdeckt. Als diese Gruppe erstellt wurde, gab es nur drei Teilnehmer. Es war für mich nicht ganz einfach, mich offen zu äußern. Ich hatte aber das Gefühl, dass es ein Bedürfnis für mich war, öfter zu sprechen.
Beri: I joined the group last year I guess it's in July 2016
Raawa: I joined „Circle of Peace“ for one year and a half.
Manar: Ich habe an der Gruppe seit Dezember 2016 teilgenommen.
Gihan: Ich war ab 2016 eine Teilnehmerin in der Gruppe. [Gihan beschreibt ihren Weg:] Von einer Auswanderung zu einem Todesritt, zu einem Asyl, zu einer neuen Realität. Vom Verlassen dieser großen Gesellschaft mit viel Enttäuschung von der Revolution, und die innere Mutlosigkeit mit einem Gedächtnis, das mit Schmerzen und Bildern vom Tod und Zerstörung belastet war, fand ich mich in dieser neuen, fremden Welt ganz neu. Für mich war das ein ganz anderes Leben, in dem es nur um Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit und Zurückgezogenheit ging. Ich fing schweigend an, nach einem Spezialisten zu suchen, bis ich meine Kollegin „Arwa“ zufällig traf. Wir begannen mit unserer Weiterbildung zusammen. Dann hat sie mir von der Gruppe „Circle of Peace“ erzählt, und dass sie da als Übersetzerin arbeitet. Sie war für mich eine schöne Hoffnung. Ich dachte mir, das könnte meine Seele heilen. Arwa wurde später eine feste Freundin von mir.
Was gefällt dir in der Gruppe besonders?
Arwa: Ich war einsam und verloren. Außerdem litt ich unter der Fremdheit und der Trennung von meinem Ehemann. Ich war in Berlin seit ein paar Monaten und es war in jener Zeit ein wunderbarer Zufall, Gaby kennenzulernen, da ich nach einem Weg suchte, um mich für die psychischen Probleme mehr zu engagieren, damit wir uns für die aus Syrien gekommenen Menschen sozial engagieren und den Hilfsbedürftigen helfen können.
Rahaf: Jede Frau in der Gruppe brauchte einen Platz, in dem sie sich wohlfühlte. Durch die Vielfalt in den Themen, die in der Gruppe diskutiert wurden, wie z.B. Beziehung, Gesellschaft, Freiheiten, Familie, Menschenrechte oder Pflichten, konnte man das schaffen. Dass jede Frau sich irgendwann und vor allen, denen es wichtig ist, ihr zuzuhören, ausdrücken konnte, war einfach großartig. Das hat jeder Frau von uns die Kraft gegeben, um immer weiterzumachen.
Beri: The lovely communication between the group in general, how each woman support the other, through sharing her experience with others and supporting each other when any one has a problem or tired; as well as each woman has a very unique individual, her character and personality, how she challenges to progress and develop herself, her ability to spread love and joy with others, her smartness, kindness, although she is tired and sad. I noticed also how they are open, they accept everything, even is against their believes;
the most noticeable thing that they don't hide themselves behind their psychological problems, they confront it loudly …
this group has really special privilege which is dialogue, the group meet to talk not to fight or having arguments even though they have sometimes long discussion but not Argument, it's more to express but also thinking of around, they don't interrupt each other, they are really good listeners.
The founder of this group „Gabriele“, she is a really good organizer and listener and she knows exactly when to interfere, even though there is a language problem but they overcome it.
Raawa: I like the harmony between the group’s girls, I feel safe and accepted so I could express myself and share private matters and secrets with calmness and contentment. I feel care and sympathy.
Manar: Was gefällt mir in der Gruppe besonders ist der intime Atmosphäre, die netten Personen und überhaupt die Idee der Gruppe.
Gihan: Ich denke, ich habe mich da schnell auf alles, was für mich neu war, umgestellt. Es gab immer innere Sicherheit und Komfort, weil Gaby da war. Sie ist eine gefühlvolle und wunderschöne Dame, die ich „Balsam der Sitzungen“ nannte. Sie teilt mit uns immer unsere Schmerzen und unsere Freude. Ich nannte sie auch „die moderne Mutter“, die immer für uns da war, mit der wir über alles reden konnten, ohne zu zögern, ohne Angst vor ihr zu haben. Mit ihr habe ich mich besser kennengelernt. Wer bin ich, wie bin ich habe ich mit ihr gefunden. Meine Seele fing langsam an, sich zu heilen. Bei jedem Mal sprach ich mit Ruhe und ohne Angst, obwohl wir eine Gruppe waren und ich nicht die Einzige da war. Die Anwesenheit anderer Frauen hat mich jedoch nicht abgehalten, meine Geheimnisse zu verraten. Ich bin der Ansicht, dass dieses Gleichgewicht durch Gaby da ist.
Was sind die Themen in der Gruppe und wer bestimmt, worüber geredet wird?
Arwa: Es war ganz vom Anfang an, würde ich sagen, ein sehr erfolgreicher Prozess, während dem ich endlosen Support bekommen habe. Das hat dazu geführt, dass ich mehr über die Gestalttherapie erfahren habe, für die ich mich jetzt sehr interessiere.
Rahaf: Immer wenn eine von irgendeinem Thema erzählt hat, fanden wir alle uns in der gleichen Situation, als hätten wir als Gesellschaft die gleichen Probleme gehabt. Uns war klarer geworden, dass wir uns auf solche Sachen mehr konzentrieren sollten.
Beri: In general it is about how they are how they feel and why they are ok or not in the moment; and through the case we go through it and analyze it and make obstacles easier, more logic and applicable. There is no fixed program we have to follow, we talk about everything but mainly psychological topics and how the society, politic, and geography effect and so on;
Raawa: We share our life experiences, challenges and obstacles in our new life in a country of alienation. And also we share happy moments, respect sad feelings and support each other in difficulties to be able to face them. We speak about lovely and bitter memories, anxiety of a mysterious future and different responsibilities as learning language, finding job, making relationships and facing several cultures.
Manar: Es gibt keine konkreten Themen, wir teilen in den Gesprächen alles Mögliche mit allen. Wir sprechen über alles was uns weh tut, was uns Freude macht, womit wir uns wohl fühlen. Über uns allgemein, wie es uns geht, und in tiefen, allgemeinen Gesprächen und oft ganz privates.
Gihan: Gemeinsam fanden wir einen Zugang zum Leben. Wir tauschten uns aus und sprachen über unsere privaten Probleme wie alle Frauen der Welt. Trauer, Liebe, vergangene Enttäuschungen und Sehnsucht sammelten uns bei jedem Anlass.
Was hat sich für dich verändert seit du in dieser Gruppe bist?
Arwa: Dass ich viele Bekannte durch die Arbeit und die Therapie in der Gruppe und den individuellen Sitzungen gekriegt habe, änderte mein Leben ganz. Ich konnte Herausforderungen und Schwierigkeiten in der damaligen Zeit überwinden und habe Erfahrungen gesammelt, die einen Vorrat gestaltet haben, der mir für mein ganzes Leben ausreicht.
Mein Verhältnis zu Gaby: Sie war zu vielen Zeitpunkten Mutter, Familie, Schwester, Freundin, Vorbild, und Heim für mich. Bei Gaby fand ich immer eine Schulter zum Weinen. Bei ihr konnte ich offen und ehrlich sein. Ich konnte meine Schutzbedürftigkeit äußern. Das hat mich animiert, meine Gedanken und Träume zu erweitern.
Der Start der Gruppe war faszinierend für mich. Wie wir unsere Erfahrungen und den Geist unserer Solidarität und unserer Zusammenarbeit ausgetauscht haben, war einfach unbeschreiblich. Das würde ich auf unsere entspannte Atmosphäre und unser Selbstbewusstsein zurückführen.
Rahaf: Wäre ich nicht hier gewesen, wäre ich jetzt ein ganz anderer Mensch. Ich weiß, dass ich nicht genug stark bin, allerdings bin ich jetzt hundertprozentig stärker als früher.
Beri: I met many lovely girls, I feel happy whenever I meet them, I find answers to my questions specially psychosocial questions, I get support and energy from them.
Raawa: I am a trainer and consultant in human development, so l listen to people's stories and problems to support and help them. I didn’t before experience the other side that somebody listens to me. But in „Circle of Peace“, where I could express myself and found practically how important is to feel healthy that you have someone who really care about you by listening and touching your pains and fears to grow up through them. It's really important experience in „Circle of Peace“ because it motivated me and inspired me for more tender and sympathy. In addition to that, I have a group of new friends, they are as a family for me in Alienation country. I’m really grateful. Great thanks for D. Gabriele for this opportunity of support and love.
Manar: Was hat es in mir geändert ist einfach ich bin ein total anderer Mensch geworden. Ich war eine andere Person. Die Gruppe hat mir geholfen, dass ich zurück zu mir selbst kam, nachdem ich mich verloren habe.
Gihan: Was mich immer anzog, war die besondere Atmosphäre zwischen uns, und dass wir immer stolz darauf waren, was wir hier zusammen erreicht haben.
Resümee
Perspektiven zu entwickeln und in die Zukunft zu schauen, ist für alle Menschen sehr wichtig. Für die Frauen dieser Gruppe kommt das Gefühl hinzu, dass der Krieg sie in ihrem Leben zurückgeworfen hat. Sie möchten alle schon weiter sein - mit Sprache, Ausbildung, Beruf -, um etwas wirklich Sinnvolles tun zu können. Es ist so wichtig, das eigene Leben wieder aktiv gestalten zu können. Eine Re-Organisation des Selbst findet allmählich in der Auseinandersetzung mit den neuen Lebensbedingungen, in den persönlichen Prozessen und in der Reflektion mit anderen Frauen statt, die mit ähnlichen Themen beschäftigt sind. So können Unsicherheiten gezeigt und Fragen gestellt werden, ein Sich-Ausprobieren erfährt Bestärkung. Die Resonanz der Anderen in diesem offenen Raum wirkt auf unspektakuläre Weise unterstützend. In einem co-kreativen Prozess, in dem Selbst und Andere sich wie im Tanz begegnen, findet Wachstum und Veränderung statt. Auch mich hat der Prozess still verändert. Ich fühle mich ermutigt und bestärkt darin, meine professionelle Rolle immer wieder in den Hintergrund treten zu lassen, um der Begegnung mit dem jeweiligen Menschen Raum zu geben. Aus meiner Sicht brauchen gesellschaftliche Veränderungsprozesse solche Räume der Begegnung und der persönlichen Auseinandersetzung, um emanzipatorische Prozesse zu stärken. Aus der Idee, etwas für andere zu tun, ist ein familiäres Gefühl der gemeinsamen Sorge umeinander und um die Gesellschaft in der wir leben geworden. Ich bin den Frauen für ihr Vertrauen in mich und die Bereitschaft, sich auf einen gemeinsamen Prozess einzulassen, sehr dankbar. Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Ideen und Projekte aus unserer gemeinsamen Arbeit entstehen werden.
[1] Emmanuel Levinas, Die Spur des Anderen (1963), in: ders., Die Spur des Anderen: Untersuchungen zur Phänomenologie und Sozialphilosophie, Freiburg 2007: Alber. S. 221ff
[2] Emmanuel Levinas, Die Menschenrechte und die Rechte des jeweils Anderen (1985), in: ders., Verletzlichkeit und Frieden: Schriften über die Politik und das Politische, Zürich 2007: diaphanes. S. 105.
[3] Bernard Glassman, Zeugnis ablegen: Buddhismus als engagiertes Leben (1998), Berlin 2001: Theseus. S. 13.
[4] Gabriele Blankertz, Eine Welt ohne Asyl? In: dies., Kontakt gestalten: Wege zur Heilung, Berlin 2015: edition g., S. 49ff.
[5] Paul Goodman, Nur ein altmodisches Liebeslied (1972), in: Hans Peter Duerr (Hg.), Unter dem Pflaster liegt der Strand: Anarchismus heute, Band 1, Berlin 1974: Kramer, S. 136
[6] Wolfgang Wirth, Traumatherapie aus gestalttherapeutischer Perspektive, in: Heide Anger, Peter Schulthess (Hg.), Gestalt-Traumatherapie: Vom Überleben zum Leben – Mit traumatisierten Menschen arbeiten, Bergisch Gladbach 2008: EHP, S. 52.
[7] Vgl. Almut Ladisich-Raine, „Quälende Erinnerung‘: Gedanken zum Thema Kriegstraumatisierung – Mit einem Gespräch mit Willi Butollo, in: ebd., S. 100.
[8] Vgl. zur Topologie von Kurt Lewin: Stefan Blankertz, Kurt Lewins Kritik der Ganzheit, Berlin 2017: edition g., S. 71 f.
[9] Vgl. zur Topologie von Kurt Lewin: Stefan Blankertz, Kurt Lewins Kritik der Ganzheit, Berlin 2017: edition g., S. 76 ff.
Erschienen in: Katharina Stahlmann (Hg.), Begegnungen mit Geflüchteten. Möglichkeiten der Gestalttherapie. Refleionen zu Therapie, Beratung, Politik. Gevelsberg, 2018
Verfasser und Verantwortlich für den Inhalt:
Gabriele Blankertz, Gestalttherapeutin,
Praxis für Gestalttherapie, 10437 Berlin
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