Ansatz B. Hellinger in der Sozialarbeit

Ansatz B. Hellinger in der Sozialarbeit

In "Praxis der Systemaufstellung" 2/2002

Der Ansatz von Bert Hellinger in der praktischen Sozialarbeit.

Dieser Artikel ist die überarbeitete Fassung eines Vortrags, den ich auf der 3. Internationalen Arbeitstagung zu Systemaufstellungen 2001 in Würzburg gehalten habe.

Im folgenden werden drei Anwendungsgebiete des systemischen Ansatzes näher beschrieben:

  • Interventionen, die sich unmittelbar aus dem systemischen Ansatz ergeben
  • Auswirkungen des systemischen Ansatzes auf die Haltung des Sozialarbeiters
  • der systemische Ansatz in der Supervision der Sozialarbeit

Rahmen meiner Tätigkeit als Sozialarbeiterin

Die Institution, die den Rahmen meiner Erfahrungen bildete, hatte als Hauptziel Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen. Sie hat die Organisationsform des „eingetragenen Vereins“ und ist keinem Träger angeschlossen. Die Mitarbeiter setzten sich aus neun Kollegen und einer Chefin zusammen.

Die Klienten, ca. 75 % Männer und 25 % Frauen, waren zwischen einem und 15 Jahren arbeitslos. Ein Großteil hatte keinen Schulabschluss oder Lehre. Ihr Alter schwankte zwischen 20 und 55 Jahren. Bei ungefähr der Hälfte der Klienten war die Arbeitslosigkeit nur ein Teil ihrer Problematik, sie waren z. B. noch alkoholkrank, drogenabhängig oder psychisch krank. Die meisten Klienten wurden vom örtlichen Arbeitsamt zu uns geschickt um an einer Arbeits-Integrations-Maßnahme teilzunehmen.

Die Integrations-Maßnahme sah vor, dass die Klienten 8 Wochen täglich 8 Stunden an einer Trainingsmaßnahme, d.h. eine Art Weiterbildungs-Unterricht teilnahmen und danach für 24 Wochen in ein Praktikum gingen. Das Ziel des Praktikums war auf der einen Seite eine Art von Arbeitserprobung und auf der anderen Seite, die Chance bei guter Arbeit eine feste Stelle vom Praktikumsgeber angeboten zu bekommen.

Wenn die Klienten ohne triftigen Grund die Maßnahme ausschlugen, mussten sie mit einer Sperrfrist rechnen, d. h. ihr Arbeitslosengeld oder ihre Arbeitslosenhilfe würde vom Arbeitsamt bis zu 12 Wochen gesperrt. Die wenigsten hatten ein persönliches Interesse an einer Änderung ihrer Lebensumstände oder an der Maßnahme. Sie hatten sich in ihrer Arbeitslosigkeit eingerichtet, z. T. arbeiteten sie auch schwarz. Sie sahen sich zur Teilnahme gezwungen.

Mein Aufgabengebiet als Sozialarbeiterin war, neben EDV-Unterricht und Kommunikationstraining, mit den Klienten zusammen einen gangbaren Weg zu finden, um wieder in Arbeit zu kommen. Oft waren zunächst zusätzliche Maßnahmen vor einer Arbeitsaufnahme nötig, z. B. Umschulung, Fachfortbildung, Kur, Einstufung nach dem Schwerbehindertengesetz, Kontakte zum sozialpsychiatrischen Dienst herstellen aber auch Alkohol- oder Drogenentzug usw. Diese Maßnahmen leitete ich mit Einverständnis der Klienten ein.

Während der ganzen Zeit von maximal 32 Wochen wurden die Klienten von mir oder einem Kollegen psychosozial betreut, d. h. sie hatten wenigsten einmal in der Woche ein Einzelgespräch mit ihrem zuständigen Sozialarbeiter/in.

Konkrete Tätigkeit

Es gab drei Gruppen von Klienten, bei der einen Gruppe war die Arbeitslosigkeit eine Folgeerscheinung der eigentlichen Problematik, z. B. hatten Klienten ihren Arbeitsplatz wegen Alkohol- oder Drogenmissbrauch, oder körperlicher oder psychischer Erkrankung verloren.

Die zweite Gruppe waren die Klienten, die keine ersichtlichen „Störungen“ zeigten, die aber immer wieder entlassen wurden, für sie oft aus unerfindlichen Gründen.

Dann gab es noch die kleinste Gruppe, das waren Klienten, Gründen die im Arbeitsmarkt lagen, z. B. Rationalisierung oder Konkurs, ihre Stelle verloren hatten.

In meiner Arbeit als Sozialarbeiterin ging es um Arbeitsfähigkeit, Arbeitsaufnahme und alles, was zu diesem Themenkreis gehört. Das Thema „Familie“ war kein Thema.

Ich war jedoch mit dem Ansatz von Bert Hellinger vertraut und neugierig, ob das Thema „Arbeit/Arbeitslosigkeit“ etwas mit der Familie zu tun hat, und wenn ja, was. Im Rahmen, den die Institution bot, konnte ich keine klassische Familienaufstellung oder Einzelarbeit mit Püppchen oder Symbolen mit den Klienten machen. Zum einen waren die Klienten nicht wegen ihrer Familie und etwaigen familiären Schwierigkeiten hier. Es ging nicht um Therapie, sondern um Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Zum anderen war das von der Institutionsleitung nicht erwünscht. In meinem Rollenverständnis als Sozialarbeiterin galt es, das zu respektieren. Aus Achtung vor der Institution sah ich eine Familienaufstellung in diesem Rahmen für nicht angemessen an. Ich nutzte die Einzelgespräche, um den systemischen Ansatz auf andere Weise einzubringen.

Diese Einzelgespräche fanden ein bis zweimal wöchentlich statt. Sie hatten u.a. zum Ziel, mit dem arbeitsfähigen Klienten gemeinsam herauszufinden, z. B. in welchem Arbeitsgebiet er wieder Arbeit suchen wollte und seine Bewerbungsbemühungen zu unterstützen. Wenn der Klient keine Arbeit wollte oder sich nicht bewarb, waren die Einzelgespräche dazu da, den Klienten zu motivieren und gegebenenfalls auch Druck auf ihn auszuüben.

Ab und zu setzte ich in diesen Gesprächen meine „Hellinger-Brille“ auf und stellte Fragen nach der Familie oder äußerte Hypothesen.

Die Voraussetzung um solchen Fragen zu stellen war, dass die Beziehung zwischen mir und dem Klienten gut und entspannt war. Denn die Klienten rechneten während der Maßnahme nicht mit solchen Fragen. Ich zielte damit in einen anderen, weit persönlicheren Bereich als den Bereich „Arbeit“.

Ich war überrascht welche Prozesse manche Frage in Gang setzte.

Interventionen, die sich unmittelbar aus dem systemischen Ansatz ergaben

Ich schildere an dieser Stelle zur Verdeutlichung ein paar Fälle. Das, was hier so knapp geschildert wird, zog sich in der Realität über mehrere Wochen und etliche Einzelgespräche hin.

Eine meiner Klientinnen war eine Frau, ca. 30 Jahre mit Hauptschulabschluss und einer Ausbildung zur Hauswirtschafterin. In ihrem Lebenslauf fiel mir auf, dass sie immer wieder nach ca. ein - zwei Jahren die Stellen wechselte, und nicht nur die Stelle, sie zog auch immer aus dem jeweiligen Ort weg, kreuz und quer durch Deutschland. Nach dem Umzug war sie immer einige Zeit arbeitslos. Diesmal war sie über ein Jahr arbeitslos gewesen und kam in die Maßnahme für Langzeitarbeitslose.

Im Einzelgespräch fragte ich sie, warum sie bei einem Stellenwechsel immer auch umzöge. Sie sagte: Es wäre immer eine Weile mit dem neuen Job gut, doch dann überkomme sie so eine Unruhe, sie werde nachlässiger in der Arbeit, bekomme dann Probleme mit dem Chef und dann irgendwann kündige sie die Stelle oder bekomme gekündigt. Dann zöge sie einfach ganz woanders hin in eine andere Gegend. Sie fühle sich nirgendwo zu Hause und irgendetwas treibe sie.

Während des Gesprächs stellte sich heraus, dass sie ein Adoptivkind ist und ihre Eltern nicht kennt. Für mich ergab sich eine mögliche Verbindung zwischen der Unruhe, dem Umherziehen und den fehlenden Eltern. Ich hatte das Bild von einer großen Sehnsucht nach den Eltern und von einer Suche nach ihnen.

Ich sagte zu ihr: „Sie suchen ihre Eltern.“ Sie hielt inne und sagte spontan: „Meine Mutter.“

Im Laufe unserer Gespräche wurde das Thema „Mutter“ immer wichtiger. Wir fuhren ab da sozusagen zweigleisig: Das eine Gleis war. Dass sie an der Maßnahme teilnahm, sich um Stellen bewarb und später einen Praktikumsplatz annahm. Auf dem anderen Gleis fing sie an, konkret nach ihrer Mutter zu suchen. Sie nahm Kontakt zu dem Jugendamt auf, bei dem sie gemeldet war, mit dem Standesamt, bei dem ihre Geburt gemeldet wurde und erfuhr so den Namen ihrer Mutter. Die Mutter lebte jedoch nicht mehr unter der genannten Adresse. Sie recherchierte im Einwohnermeldeamt und schrieb Frauen an, die in Frage kamen, ihre Mutter zu sein.

Parallel dazu begannen Schwierigkeiten im Praktikum. Der Arbeitgeber war nicht zufrieden mit der Leistung meiner Klientin. Bis dahin hatte die Klientin, an diesem Punkt in der Arbeit angelangt, immer den Job hingeworfen und ist weitergezogen.

Doch diesmal äußerte sie den Wunsch nach einem klärenden Gespräch in meinem Beisein mit dem Arbeitgeber, das fand dann auch statt. Es stellte sich heraus, dass die Arbeit zu schwer für sie war.

Danach wechselte sie zwar die Praktikumsstelle, blieb aber am gleichen Wohnort. Nach den insgesamt 32 Wochen wurde sie fest von dem neuen Arbeitgeber übernommen.

Beim Abschlussgespräch äußerte sie: „Ich habe meine Mutter immer noch nicht gefunden, und vielleicht finde ich sie nie, oder sie ist schon tot. Und ich weiß jetzt woher ich meine schwarzen Augen habe, mein Vater war Grieche.“

Mir schien es, das die unbewusste Suche nach der Mutter/den Eltern sie immer von einem Ort zum anderen getrieben hatte. Die Klientin inszenierte oder provozierte ihre Kündigung, um dann weiterziehen, weitersuchen zu können. Dadurch, dass die Suche thematisiert und konkret umgesetzt wurde, wurde sie wie losgekoppelt, wurde eigenständig und sie konnte am Platz bleiben.

Natürlich hatte das Thema „Familie“ eine intensivere Begleitung erforderte, als wenn wir bei dem Thema „Arbeit“ geblieben wären. Die Klientin bat öfters um ein Gespräch und inhaltlich waren die Gespräche weit tiefer. Wir waren an einem Kernpunkt, der sie innerlich sehr berührte und bei dem sie sich Unterstützung und Begleitung wünschte. Diese Begleitung war im Rahmen meiner Arbeit möglich.

Noch ein weiterer Fall: Einem ca. 40 Jahre alter Gemeindediakon wurde nach 14 Jahre in einer Kirchengemeinde nach einem Pfarrerwechsel gekündigt. Der Kündigungsgrund war sein fehlendes Abschlussexamen.

Der neue Pfarrer machte aber das Abschlussexamen zur Bedingung der Weiterbeschäftigung. Der Klient und der Pfarrer hatten eine angemessene Frist ausgemacht, innerhalb der das Examen nachzureichen war. Die Frist hatte der Klient ungetan verstreichen lassen und so wurde ihm dann nach 14 Jahren gekündigt. Jetzt war er langzeitarbeitslos.

Ich fragte ihn, warum er ursprünglich so kurz vor Ausbildungsschluss die letzte Prüfung nicht gemacht hatte. Er sagte, er habe die Stelle damals kurz vor dem Examen bekommen und dann sei ihm der Abschluss der Ausbildung nicht mehr so wichtig gewesen. Und dem vorherigen Pfarrer sei das egal gewesen.

Während des ganzen Gesprächs vorher war er sehr deprimiert gewesen und machte einen niedergeschlagenen Eindruck. Er äußerte, dass er gerne beider Kirchengemeinde geblieben wäre, und dass er keinen Sinn in der Suche nach einer anderen Stelle oder einem Praktikum sähe.

Als wir an den Punkt mit den fehlenden Prüfungen ankamen, änderte sich sein Ton. Er bemerkte, er hatte keine Angst vor der Prüfung gehabt, er hätte es schaffen können. Er sprach plötzlich so locker, flockig. Der Klient zeigte kein Bedauern oder Schmerz über die versäumten Prüfungen, sondern eher eine Leichtigkeit. Das machte mich stutzig.

Mich interessierte, ob es Parallelen in der Familiengeschichte gab. Er erwähnte auf meine Frage hin: er hatte einen Onkel, der hätte auch vieles angefangen und nicht zu Ende gebracht. Der Onkel, ein jüngerer Bruder der Mutter, sei jung gestorben.

Ich fragte ihn, was der Onkel denn sagen würde, wenn er jetzt hier im Raum säße. Mein Klient lachte und meinte: „Der würde sich freuen, dass einer an ihn denkt.“

Es wurde fast zum Ritual, dass ich bei weiteren Einzelgesprächen den Onkel befragte, z. B. über seine Meinung zu beruflichen Dingen und Entscheidungen, die der Klient zu treffen hatte.

Im Laufe dieser Gesprächsreihe äußerte mein Klient auch, dass der Onkel sich wahrscheinlich freuen würde, wenn er selbst das mit seiner Arbeit auf die Reihe bekommen würde.

Nach einiger Zeit kam der Klient auf mich zu und teilte mir mit, dass er jetzt eine Stelle wolle, irgendwas im sozialen Bereich. Er nahm dann eine Praktikumsstelle als pädagogische Hilfskraft in einer Ganztagesschule an. Er wurde nicht übernommen, aber ab da bewarb er sich regelmäßig um ausgeschriebene Stellen.

Es erscheint mir wichtig, bei dieser Art des Einsatzes, dem Klienten erst das Angebot zu machen, unter einem anderen Blickwinkel auf seine Problematik zu schauen. Und es dann ihm zu überlassen, ob er da weitergehen will oder nicht.

So war meine Erfahrung, dass viele Klienten, auch Klienten zu denen die Beziehung sehr gut war, diesen Blickwinkel auch ablehnten: Es kamen Bemerkungen wie: „Was soll das? Ich bin hier, weil ich arbeitslos bin.“ oder „ - weil mich das Arbeitsamt geschickt hat. Das hat mit meiner Familie nichts zu tun. Das geht sie nichts an.“

Es ist wichtig, diese Grenzziehung zu achten und nicht persönlich zu nehmen.

Auswirkungen des systemischen Ansatzes auf die Haltung des Sozialarbeiters

Jeder, der in einem sozialen Beruf arbeitet, kennt es, dass Klienten eine Grenze ziehen. Wie der Sozialarbeiter damit umgeht, hängt von seiner Haltung gegenüber seinen Klienten und deren Schicksal ab.

Es gibt immer wieder Klienten mit einem schweren Schicksal, das einen sehr berührt. Manchmal geht es einem so nahe, dass einen ein solches Schicksal auch in der Freizeit nicht loslässt und man es mit sich herumträgt. Man möchte helfen.

Für mich persönlich ist der Satz aus den Aufstellungen „Ich achte dich und dein Schicksal.“ in solch einer Situation sehr hilfreich. Ich stelle mir dann den Klienten vor, ich mache eine Verneigung vor ihm und sage ihm: „Ich achte dich und dein Schicksal.“ Dadurch entsteht eine innere Haltung der Achtung. Diese Haltung erlebe ich immer wieder als sehr hilfreich und kraftbringen

Ich verdeutliche das mal an einem Beispiel:

Zum Erstgespräch erschien ein Mann, knapp über 20 Jahre, mit allen Kennzeichen einer Drogenabhängigkeit. Er hatte eine ausgeprägte gelbe Gesichtsfarbe und war völlig im Tran. Ich fragte mich, warum das Arbeitsamt ihn zu uns geschickt hatte. Es war offensichtlich, dass dieser Mann nicht arbeitsfähig war.

Im Laufe des Gesprächs fragte ich ihn, wer früh in seiner Familie gestorben sei. Er antwortete, sein großer Bruder. Er habe sich vor zwei Jahren den „goldenen“, den tödlichen Schuss gesetzt. Er selbst habe bis dahin noch nie etwas mit Drogen zu tun gehabt. Kurze Zeit nach dem Tod seines Bruders habe er plötzlich den Drang verspürt Heroin auszuprobieren. Seitdem sei er abhängig.

Für mich lag die Vermutung nahe, dass er seinem Bruder folgen wollte. Ich bemerkte: „Sie müssen eine große Sehnsucht nach ihrem Bruder haben.“ Seine Antwort war: „So hat mir das noch niemand gesagt. Jeder aus meiner Familie sagt nur, wie blöd ich bin, es meinem großen Bruder nachzumachen.“ Nach einer Weile sagte er: „Ich denke jeden Tag an ihn.“

Der junge Mann kam nicht weiter in die Maßnahme, er tauchte in der Drogenszene unter.

Durch die innere Haltung der Achtung war es für mich leichter ihn loszulassen. Durch diesen Satz „ich achte dich und dein Schicksal“ entsteht eine gute Trennung zwischen mir und dem Klienten. Ich fühle mich einverstanden mit dem Schicksal des Klienten und der Familie, zu der er gehört.

Um es klar zu machen: Wäre er weiter in die Maßnahme gekommen, hätte ich in Richtung Therapie/Entzug hingearbeitet. Die Achtung vor dem Schicksal des anderen heißt für mich nicht, dass ich keine Angebote mache oder dass ich tatenlos zusehe, wie sich jemand zu Tode säuft oder fixt. Aber ich sehe seine Verbindung zu seiner Familie und dass sie in diesem Falle stärker ist und achte sie.

Diese Achtung des anderen gibt mir eine innere Ruhe. Ich sehe den Klienten mit mir auf der gleichen Ebene als Mitmensch und nicht ihn als den “Hilflosen“ und mich als den „Helfer“, der es besser weiß. Klienten spüren diese Haltung und fühlen sich mehr als Person gesehen. Das trägt bei zu einer guten, kooperativen und effektiven Beziehung zwischen Klient und Sozialarbeiter

Der systemische Ansatz in der Supervision der Sozialarbeit

Eine dritte Möglichkeit, den Ansatz von Bert Hellinger für mich als Sozialarbeiter zu nutzen, ist die Supervisionsaufstellung mittels Stellvertretern. Die Supervision kann in mehrere Richtungen gehen:

· Das Nachstellen eines Falles, um die Dynamik in der Klientenfamilie besser zu verstehen. Das entspricht im Prinzip einer „normalen“ Familienaufstellung.

Ich setze das als bekannt voraus und gehe deswegen im Rahmen dieses Artikels hier nicht näher darauf ein.

· Das Aufstellen der eigenen Position als Sozialarbeiter in Hinblick auf den Klienten bzw. auf die Klientenfamilie. Dabei werden sichtbar auch die eigenen Dynamiken und Verstrickungen, die in eine Betreuung hineingetragen werden.

Wenn jemand einen Klienten als „schwierig“ erlebt, ist eine solche Supervisionsaufstellung hilfreich. Man dringt dadurch wie eine Schicht tiefer in die Beziehung Sozialarbeiter-Klient ein, schaut die Spannungen an der Oberfläche und klärt bzw. erforscht seine eigene Position gegenüber dem Klienten. Sieht der Klient in mir seinen Vater oder seine Mutter? Inwieweit gehe ich unbewusst auf diese Dynamik ein? Oder: steht dieser Klient bei mir selbst vielleicht für ein Mitglied aus meiner eigenen Familie?

Man kann sich leicht vorstellen, wie schwierig die Beziehung zwischen Klient und Sozialarbeiter wird, wenn so eine Vermischung stattfindet. Mittels Aufstellungen kann man solche „Vermischungen“ relativ schnell erkennen, klären und ein Stück weit lösen.

Für viele Sozialabeiter – mich eingeschlossen - ist das „Helfen wollen“ eine große Motivation, diesen Beruf zu ergreifen. Meiner Erfahrung nach hat das „Helfen wollen“ regelmäßig etwas mit der eigenen Familie zu tun. Deshalb ist es wichtig, in die eigene Familie zu schauen, um eigene Verbindungen und Verstrickungen zu erkennen.

Das Aufstellen des Klienten allgemein, der eigenen Position und das System der Institution(en), in dem ich arbeite.

Dadurch lässt sich die Rolle als Sozialarbeiter innerhalb meiner Institution oder innerhalb des Systems, der an einem Fall beteiligten Institutionen beleuchten und klären. Dann kann man suchen, in dem System selbst einen guten Platz zu finden, um gut zu arbeiten.

Hierzu ein Beispiel, das die letzten beiden Punkte verdeutlicht:

Mein Mann und ich machen Weiterbildungen im Familien-Stellen. Im Rahmen solch einer Weiterbildung führen wir auch immer wieder Supervisionsaufstellungen durch.

Eine Sozialarbeiterin, die im Jugendamt arbeitet, stellte einen Fall auf, der sie sehr beschäftigte. Es ging um die Heimeinweisung eines 14jährigen krebskranken Jungen. Der Junge lebte bei seiner Großmutter, die mit der Situation sehr überfordert war. Der Vater des Jungen war ein Jahr vorher an Krebs gestorben, die Mutter war verschwunden. Der Junge wollte nicht ins Heim. Die Großmutter und auch der Junge waren nicht kooperativ.

Die Sozialarbeiterin stellte einen Stellvertreter für sich selbst, für den Jungen, für die Großmutter, für das Jugendamt als ihren Arbeitgeber und für das Heim auf. Die Großmutter fühlte sich bedrängt von der Sozialarbeiterin und konnte den Jungen nicht ansehen. Sie war vollkommen absorbiert von der Sozialarbeiterin und fühlte sich von ihr beobachtet und kontrolliert. Der Junge wollte nur weg. Die Sozialarbeiterin hatte das Gefühl, sie muss ganz nah bei den beiden sein, um sie zu unterstützen.

Ein wichtiger Satz, wenn nicht überhaupt der wichtigste Satz war, als die Sozialarbeiterin zur Großmutter sagte: „Ich achte dich als Großmutter des Jungen und das was du für ihn tust.“

Jetzt konnte die Sozialarbeiterin Abstand zu der Großmutter und dem Jungen nehmen. Sie stellte sich an die Seite neben das Jugendamt und empfand das als sehr erleichternd. Die Großmutter konnte plötzlich den Jungen anschauen. Das Verblüffendste aber war, dass der Junge auf einmal Blickkontakt zu dem Heim herstellte, und es zum ersten Mal als Möglichkeit ansehen konnte.

In diesem Fall war also die Nähe der Sozialarbeiterin zu ihren Klienten und ihr Unterstützungswunsch nicht hilfreich für die Klienten, sondern hinderlich für das Fortschreiten des Falles und für eine Entscheidung gewesen.

Die Sozialarbeiterin meldete später zurück, dass ein großer Druck von ihr abgefallen sei und dass sie innerlich zu der Familie Abstand genommen hätte. Paradoxerweise habe sich der Kontakt zur Großmutter und dem Jungen verbessert und beide beteiligten sich kooperativ an der Entscheidung.

Mittels Aufstellungen als Supervisionsinstrument lassen sich Dynamiken und Energien sichtbar machen, die sonst im Verborgenen wirken. Dieser Blick von außen ermöglicht oft ein Erkennen des Spannungsfeldes. Dadurch, dass es sichtbar wird, ist mancher Sachverhalt besser zu verstehen. Es ergeben sich Spielraumerweiterungen, neue Handlungsimpulse oder Haltungen für die eigene Arbeit..

Der Ansatz von Bert Hellinger in der Sozialarbeit insgesamt

Ich persönlich finde den Ansatz von Bert Hellinger in der Sozialarbeit als sehr bereichernd. Er führte mich zu mehr Verständnis der dem „Problem“ zugrundeliegenden Dynamiken und oft zu neuen Ansatzpunkten. Die Beziehung zu den Klienten, bei denen ich diesen Ansatz einbrachte, waren stabiler und gleichzeitig offener als die, bei denen ich nicht so arbeitete. Das zeigte sich u.a. darin, dass sich die Klienten während der Betreuungszeit öfters von sich aus zum Einzelgespräch anmeldeten und weitaus kooperativer waren.

Auch, wenn ein direktes Einbringen des Ansatzes von Hellinger durch Aufstellungen nicht möglich ist, scheint mir seine Kenntnis für die Arbeit hilfreich. Allein dadurch, dass der Sozialarbeiter die Grundprinzipien der Hellinger-Arbeit im Hintergrund hat und das Wissen und die Haltungen in seine Arbeit integriert, kommt er dadurch oft schneller zum Kern einer Sache. Es entsteht ein tieferes Verständnis des Problems oder der momentanen Krisensituation. Dadurch eröffnen sich neue Handlungsmöglichkeiten sowohl für den Klienten als auch für den Sozialarbeiter.

Besonders sehe ich den Ansatz in Bereichen der Sozialarbeit, in denen Familie im Vordergrund steht, z. B. in der Familienhilfe, Erziehungsberatungsstellen, Mediation. Jedoch erachte ich ihn auch als hilfreich in den anderen Bereichen wie Suchthilfe, Resozialisierung, Altenarbeit, Arbeit mit Migranten usw. Jeder hat eine Familie!

Ich war selbst sehr überrascht gewesen, welch große Rolle die Familie selbst in der Arbeit mit Langzeitarbeitslosen spielen kann.

 

 

 

Weitere Informationen:
http://www.ulsamer.com

     ,
,
http://www.therapeutenfinder.com/therapeuten/.html

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