Familienstellen mit Homosexuellen

Familienstellen mit Homosexuellen

In "Praxis der Systemaufstellung" 2/2003

Familienstellen mit Schwulen und Lesben

Ein Erfahrungsbericht

„Schwule“ und „Lesben“ - kann man das im Titel so schreiben? Sind die Bezeichnungen „schwul“ und „lesbisch“ vielleicht unpassend? Werden sie als diskriminierend verstanden? Wäre es nicht besser, sie mit dem Begriff „Homosexuelle“ zu ersetzen? Der Frage nach dem Umgang mit dem „Andersein“, der Frage nach „political correctness“ und die damit einhergehende allgemeine -aber auch persönliche- Unsicherheit begegne ich während der Arbeit mit Lesben und Schwulen oft.

Der Begriff „Homosexualitätals und auch der Begriff „Heterosexualität“ sind klinische Begriffe aus dem 19. Jahrhundert, die nahe legen, es gehe hier lediglich um die Unterscheidung der sexuellen Orientierung. In der Alltagssprache gibt es jedoch eine große Anzahl diskriminiender und abwertende Ausdrücke. Die Begriffe „Lesbe“ und „Schwuler“ haben ihren Ursprung in diesem Bestand an Ausdrücken. Sie wurden jedoch von den jeweiligen Emanzipationsbewegungen aufgenommen und werden inzwischen als Selbstbezeichnung benutzt. Keiner der Teilnehmer oder Teilnehmerinnen meiner Gruppen bezeichnete sich als homosexuell, sondern immer nur als „lesbisch“ oder „schwul“. Die Begriffe schwul und lesbisch erscheinen mir daher lebensnäher und deutlicher. Der Begriff „Homosexualität“ klingt nicht nur klinisch neutral und distanziert, sondern er entspricht meiner Erfahrung nach auch nicht dem Selbstverständnis der, ich nenne sie jetzt hier einmal, „Betroffenen“.

Auf die historischen und soziologischen Hintergründe des Themas Homosexualität gehe ich in diesem Artikel nicht ein, sondern berichte hier von meinen praktischen Erfahrungen mit zwei Seminaren in Freiburg, die sich ausschließlich an einen schwulen und lesbischen Teilnehmerkreis richteten.

Wie komme ich überhaupt dazu, als heterosexuelle Frau Familien-Stellen-Seminare für Schwule und Lesben anzubieten? Die Idee für dieses Angebot entstand aus den Anregungen einer lesbischen Freundin, die selbst schon an einigen Aufstellungsgruppen teilgenommen hatte und immer wieder, wenn sie ihren lesbischen Freundinnen davon erzählte, Rückmeldungen bekam wie: „Ich würde ja auch mal gerne an so einer Gruppe teilnehmen, aber in einer Hetero-Gruppe…?“

Der Hintergrund war die Angst, sich erklären zu müssen, nicht ernst genommen oder ausgegrenzt zu werden. Hinzu kommt, dass Freiburg eine relativ kleine Stadt ist. Von daher war auch die Befürchtung eines unfreiwilligen „Coming-out“ (das Bekanntwerden der eigenen sexuellen Orientierung) berechtigt. Wer das nicht wollte, musste während eines Seminars angespannt sein Lesbisch oder Schwulsein verheimlichen.

Ein schwuler Gruppenteilnehmer brachte es in einem Vorgespräch einmal so auf den Punkt: „Wenn ich mitteile, dass ich schwul bin, habe ich Angst, dass ich dann nur noch als Schwuler und nicht mehr als Mann gesehen werde, dass mich niemand mehr für einen Mann als Stellvertreter wählt und dass ich auf mein Schwulsein reduziert werde.“

Nachdem die Idee für eine Lesben-Schwulen-Gruppe geboren war, wurde mir sofort bewusst, dass ich eine lesbische Co-Leiterin oder einen schwulen Co-Leiter an meiner Seite haben wollte. Sie würde ich benötigen, um so die Verbindung zwischen Leitung und Teilnehmern zu haben, aber auch zu meiner Sicherheit. Ich hatte vorher weder mit Schwulen oder Lesben beraterisch oder therapeutisch gearbeitet, noch intensive eigene Auseinandersetzungen oder Selbsterfahrungen mit Schwulen und Lesben gehabt.

Den ersten Kurs leitete ich zusammen mit einer lesbischen Kollegin und den zweiten Kurs mit meinem schwulen Kollegen Beat Jörg, der mir für diesen Vortrag auch Material zur Verfügung gestellt hat.

Im Folgenden gehe ich sowohl auf die Gemeinsamkeiten wie die Unterschiede von offen ausgeschriebenen Aufstellungsseminaren und Schwul-Lesbischen-Seminaren ein und zwar hinsichtlich

- des Seminarvorfeldes

- der Aufstellungen der Herkunftsfamilie

- der Bedeutung des Benennens, schwul und lesbisch zu sein und

-Paaraufstellungen

Im Vorfeld des Seminars

Im Gegensatz zu den „normalen“ Seminaren wurden im Vorfeld der schwul-lesbischen Seminare weit aus mehr Vorgespräche, sowohl persönliche als auch telefonische, von den Interessenten verlangt.

Eine elementare Frage in diesen Gesprächen war die Frage nach der sexuellen Orientierung der Leitung. Als ich klarlegte, dass ich heterosexuell bin, wurde deutlich, wie wichtig den Teilnehmern und Teilnehmerinnen war, dass die Leitung die Thematik nicht nur theoretisch, vom Kopf her, durchdringt. Der Hinweis, dass eine homosexuelle Co-Leitung mit dabei sein würde, gab bei Unentschlossenen oft den Ausschlag zur Anmeldung.

Auch folgende Erfahrung die ein schwuler Familien-Stellen-Leiter mir mitteilte, passt zu dieser Beobachtung: Alle homosexuellen Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus einer „gemischten“ Gruppe stellten bei ihm auf, obwohl es den Teilnehmern freigestellt war, bei ihm oder bei der heterosexuellen Coleiterin aufzustellen. Es scheint so, als ob bei gleicher sexueller Orientierung der Vertrauensvorschuss erheblich höher ist

Die wichtigste Frage in den Vorgesprächen war denn auch das Verständnis der (heterosexuellen) Leitung, sprich mein Verständnis, von Homosexualität. Einige Teilnehmer hatten Bemerkungen und Zitate von Bert Hellinger (die mir allerdings persönlich nicht bekannt waren) so verstanden, dass Homosexualität eine Verirrung und als solche „heilungsfähig“ sei. Bedenken hinsichtlich des Aspektes „Umpolen“ oder “Heilen“ wurden öfters genannt. Als ich äußerte, dass nach meinem Verständnis eine lesbische oder schwule Orientierung an sich weder klärungs- noch behandlungsbedürftig sei, entspannten sich die Atmosphäre und die potentiellen Teilnehmerinnen und Teilnehmer merklich.

Diese Anfragen waren mit der Grund in die zweite Seminarausschreibung den Text „Worum es uns geht“ einzuflechten. Darin heißt es: „Schwule und Lesben mit ihren Familien- und Beziehungsgeschichten stehen im Mittelpunkt dieses Wochenendes. Es geht jedoch nicht darum, die eigene Homosexualität zu erklären oder gar zu verändern. Unser Ziel ist, dass dieses Seminar durch ein schwul-lesbisches Selbstverständnis geprägt wird und in einem Rahmen stattfinden kann, in dem sich niemand für sein Anderssein erklären oder rechtfertigen muss.“

Die Fragen nach meinem Verständnis von Homosexualität wurden dadurch in Vorgesprächen für die zweiten Gruppe nicht mehr gestellt, meine sexuelle Orientierung blieb jedoch Thema.

Aufstellung der Herkunftsfamilie

Die Anliegen in den lesbisch-schwulen Gruppen unterschieden sich nicht wesentlich von den Anliegen in anderen Gruppen. Es ging vor allem. darum, den eigenen Platz in der Herkunftsfamilie zu finden, um Schwierigkeiten mit den Eltern oder den Geschwistern.

Ich beschreibe jetzt einige Muster in Aufstellungen und die Überlegungen bzw. Hypothesen, die sie bei mir und bei den Co-Leitern ausgelöst haben. Dabei geht es mir nicht um Allgemeingültiges, denn es sind Einzelbeispiele. Aber doch ließen sich bei der relativ kleinen Anzahl von insgesamt 20 Aufstellungen Gesichtspunkte erkennen, die in fast jeder Aufstellung auftraten.

In über zwei Drittel aller Aufstellungen stellte die Protagonisten ihre Stellvertreter abseits der restlichen Familie, in einiger Entfernung, mit Blick auf sie auf. Die restliche Herkunftsfamilie stand relativ nah beieinander. Die Aufstellung vermittelte den Eindruck: dort steht die Familie und ich gehöre nicht dazu bzw. fühle mich nicht zugehörig.

Bei fast allen Aufstellungen wurde deutlich, dass die schwulen und lesbischen Teilnehmer und Teilnehmerinnen das eigene Schwul- oder Lesbischsein als ihr individuelles „Problem“ betrachten. Es war auf der einen Seite schwierig und belastend, auf diesem besonderen Platz außerhalb zu stehen. Auf der anderen Seite zeigte sich aber auch fast immer ein Aspekt von Stolz, manchmal gemischt mit Trotz.

Sätze wie: „Ich nehme all das auf mich“ oder „Ich trage mein Schicksal alleine und mute euch nicht zu, mit meinem Anderssein umgehen zu können.“ die in den Aufstellungen spontan genannt wurden, drückten das aus. Es sah so aus, als würde das Andersein, das Abseitsstehen auf eine gewisse Art und Weise kultiviert - vielleicht auch als Reaktion auf Diskriminierungen.

In diesem ersten Bild der Aufstellung, in diesem „Außenstehen“, zeigten sich für uns Leiter zwei Aspekte.

Der eine Aspekt legte die Hypothese nahe, dass Schwule und Lesben mit ihrer Familie im Zusammenhang mit „Ausschluss“ verstrickt bzw. verbunden sind. Sie nehmen den Platz einer ausgeklammerten bzw. vergessenen Person ein, die zum System gehört, und vertreten diese. Das können z.B. Familienmitglieder mit einem besonderen Schicksal, wie früher Tod, Täterschaft, Opferschaft, Behinderung, schwere Krankheit, um nur einige zu nennen, sein. Unsere Erfahrung hinsichtlich Verstrickungen zeigte häufig, dass schwule Männer in erster Linie mit der Geschichte der Mutter und lesbische Frauen in erster Linie mit der Geschichte des Vaters verbunden sind. Die Verstrickungen oder Verbindungen betrafen häufig eine gegengeschlechtliche ausgeklammerte Person, so dass der schwule Mann häufig mit einer Frau und die lesbische Frau häufig mit einem Mann aus einer anderen Generation verstrickt war. Bei heterosexuellen Teilnehmern hingegen ist meine Erfahrung, dass die erste Verbindung meistens mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil und dessen Geschichte, also Tochter zur mütterlichen Linie, Sohn zur väterlichen Linie ist.

Der andere Aspekt, war für uns die Tatsache, dass Lesben und Schwule in der Realität oft ausgeschlossen und diskriminiert werden und hier zitiere ich meinen Kollegen Herrn Jörg: „dass wir Schwulen und Lesben unsere Rolle als Außenseiter des Systems etwas gar hoch einschätzen.“

Hier einige Aufstellungen zur Verdeutlichung:

(Wenn ich in den folgenden Schilderungen der Aufstellungen von Sohn, Tochter, Mutter oder Vater spreche, so meine ich die Stellvertreter derjenigen.)

Eine lesbische Frau möchte den eigenen Platz in ihrer Herkunftsfamilie finden, zu der sie sich nicht dazugehörig fühlte. Sie hat einen jüngeren Bruder und eine ältere Schwester. In der Grundaufstellung stand auch sie außerhalb und hatte keine Verbindung zu ihrer Mutter und wenig zu ihren Geschwistern.

Zur Geschichte der Familie: Die Großmutter mütterlicherseits flüchtete im 2. Weltkrieg. Die Mutter der Protagonistin wurde unehelich nach der Flucht geboren. Der Vater war von der Großmutter nie benannt worden.

Während der Aufstellung war für die Großmutter eine zentrale Figur der Vater ihrer Tochter, der, da es ihn ja de facto gab, im Laufe der Aufstellung mit ins Bild genommen wurde. Der Stellvertreter dieses Mannes fühlte sich wie ein Soldat, nicht wie ein Zivilist. Zwischen der Großmutter und dem Soldaten lagen Anziehung, eine gewisse sexuelle Energie und gleichzeitig Hass. Es war eine große Spannung spürbar und etwas wie ein „Geheimnis“ lag zwischen ihnen. Es sah ganz so aus, (wenn man nach der Energie der Aufstellung schließen darf), als ob die Mutter der Protagonistin unter „besonderen Umständen“ (darüber gab es wie gesagt keine Fakten) von diesem Soldaten gezeugt wurde. Die lesbische Frau und Tochter der Mutter war sehr mit diesem Mann, dem Soldaten verbunden, der ihr Großvater war. Hier war also eine „Überkreuzverstrickung“ mit einer gegengeschlechtlichen, ausgeklammerten Person.

Dann aber noch ein Beispiel, wo eine solche gegengeschlechtlich Verstrickung fehlt: Ein schwuler Mann stellte seine Herkunftsfamilie auf, mit dem Anliegen, seinen Platz im Leben zu finden. Er ist das dritte Kind von vieren, zwei Jungen und zwei Mädchen. Auf Seiten des Vaters gibt es eine große Dynastie von Gutsbesitzern, auf Seiten der Mutter viele schwere Frauenschicksale, u. a. ein Mord. Sein Großonkel, der Onkel seiner Mutter wurde jung unter mysteriösen Umständen umgebracht. Der Sohn stand außerhalb seiner Familie. Die einzige Person, mit der er sich verbunden fühlte, war seine Mutter. Als sein Großonkel und der Täter bzw. die Täterin dazugestellt wurden, konnte der Sohn näher kommen. Er suchte große Nähe zum Opfer, seinem Großonkel, fühlt sich mit diesem sehr verbunden. Erst als das Opfer (und der Täter/die Täterin) von der Mutter und der gesamten Familie gesehen wurde und seinen Platz bekam, entspannte sich der Sohn und konnte seinen Platz in der Geschwisterreihe einnehmen. Es sah so aus, als ob der Sohn mit dem (hier männlichen) Opfer aus der Geschichte mütterlicherseits verbunden war.

Weiterhin erlebten wir in den Aufstellungen zunächst oft, dass schwule Söhne nicht den Mut haben, auf die männliche Kraft des Vaters zu vertrauen und dass lesbische Töchter sich der weiblichen Kraft der Mutter verschließen. Die Hinwendung der lesbischen Frauen zu ihren Müttern und die der schwulen Männer zu ihren Vätern waren kraftgebende, würdevolle Momente. Sätze wie „Du bist mein Vater, ich bin dein Sohn und ich bin ein Mann“ oder entsprechend „Du bist meine Mutter, ich bin deine Tochter und ich bin eine Frau“ wirkten dabei sehr unterstützend.

Mein Kollege Herr Jörg hat im Laufe seiner Aufstellungsgruppen mit Lesben und Schwulen dafür ein Ritual entwickelt, das ich hier etwas verkürzt schildern möchte.

Die lesbische Tochter geht zu ihrer Mutter. Sie geht als Frau und nimmt von dieser als Frau. Und hier liegt die Betonung, sie geht als F r a u zu den F r a u e n . Es ist egal, ob sie sich sexuell zu Frauen oder Männern hingezogen fühlt, sie ist und bleibt eine Frau. Sie fühlt die weibliche Kraft und gibt dieser einen Platz. Und wenn sie genug genommen hat, dann dreht sie sich um und geht in ihr Leben. In ihrem Rücken hat sie die Mutter, deren Mutter und viele Mütter und Frauen, die vor ihr waren. Dann dreht sie sich nochmals um und sagt: „Ich bin eine Frau und gehöre dazu. Ab jetzt ist mit mir zu rechnen.“ Und das Ganze gilt natürlich entsprechend für die schwulen Männer und ihre männlichen Vorfahren.

Es wurde immer wieder für uns und die Teilnehmer sichtbar, wie ein inneres Aufrichten, manchmal auch ein „Luft ablassen“ stattfand und derjenige, der dieses Ritual durchführte, zur eigenen Würde fand.

In vielen Aufstellungen konnte jedoch der Stellvertreter des Protagonisten trotz einer Klärung bzw. Lösung hinsichtlich seiner Ahnen, seinen Platz bei seinen Eltern und Geschwistern nur schwer einnehmen. Wir hatten den Eindruck, dass jetzt der zweite, aus der eigenen Lebensgeschichte kommende Aspekt, in den Vordergrund trat.

Die Bedeutung des Benennens, schwul und lesbisch zu sein

Der Satz „Ich bin schwul“ respektive „Ich bin lesbisch“ in der Aufstellung vom Stellvertreter des Protagonisten, bzw. Stellvertreterin der Protagonistin gesprochen, hatte oft eine außerordentliche Wirkung. Sowohl die Protagonisten als auch die ganze Familie wirkten erleichtert und entspannt, wenn diese Tatsache benannt und offen gelegt wurde.

Allein durch den Satz war fast immer eine Zuwendung zwischen den Familienmitgliedern möglich. Der Stellvertreter des Protagonisten konnte seinen Platz mehr einnehmen und die Familie öffnete sich.

Dieses „Öffnen nach außen“, dieses „Zu sich stehen“ von den Protagonisten war der erste Schritt beim Finden von Ordnung, Kraft und Liebe innerhalb der Kernfamilie. Sehr bemerkenswert war, dass die Kernfamilie in der Aufstellung (manchmal im krassen Gegensatz zur Alltagserfahrung des Protagonisten) mit den Worten: „das haben wir gewusst“, „das ist in Ordnung“ oder völlig selbstverständlich reagierte. Es sah so aus, als wäre das Coming-out, das Ansprechen des „Anders-sein“ ein Türöffner, um dadurch sen eigenen Platz in der Familie besser einnehmen zu können. Es war so, als ob in dieser Familie Homosexualität „mit dazu gehört“. Es scheint auch hier so zu sein, dass die Wahrheit letztendlich freundlicher ist als jede Form von Verdrängung oder Bagatellisierung.

Gleichgeschlechtliche Paaraufstellungen

Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft ändert nichts grundlegend an den Problemen von Partnerschaft. Es wurden annähernd die gleichen Anliegen wie bei heterosexuellen Paaren genannt: z. B. Nähe/Distanz, Eifersucht und Sexualität.

Dies zeigen auch folgende Aufstellungen.

Eine lesbische Frau mochte ihre Beziehung zu ihrer Partnerin verbessern. Beide Frauen waren seit einem halben Jahr ein Paar und wollten zusammenziehen. Die Frau stellte jemanden für sich und jemanden für ihre Partnerin auf. Beide Frauen standen sich gegenüber und zwischen ihnen war eine Mischung aus Traurigkeit und Sehnsucht. Die Stellvertreterin der Protagonistin konnte ihre Partnerin nicht richtig sehen und meinte, sie schaue etwas durch sie hindurch. Beim Nachfragen erzählte die Protagonistin, dass ihre große Liebe, ihre erste Liebe, eine bisexuelle verheiratete Frau gewesen sei. Diese sei dann, als sie sie vor die Wahl gestellt hatte, bei ihrem Mann geblieben. Als wir diese erste große Liebe dazustellten ging ein Aufatmen durch beide Stellvertreterinnen. Die Stellvertreterin der Protagonistin wendete sich ihrer großen Liebe zu und es wurde deutlich, dass dort kein „guter Abschied“ genommen worden war und Verletzungen noch unverarbeitet zwischen ihnen standen. Als diese ausgesprochen und geklärt werden konnten, war es der Stellvertreterin der Protagonistin möglich ihrer großen Liebe „einen guten Platz im Herzen“ zu geben. Dann konnte sie sich von ihr lösen und der Weg, zur neuen Partnerin war frei(er). Die Partnerin konnte dann ebenfalls diese für ihre jetzige Partnerin so wichtige Beziehung anerkennen und würdigen. Als die Protagonistin dann an ihren Platz in der Aufstellung kam, ging sie spontan einige Schritte auf ihre Partnerin zu. Beide lösten von selbst die Gegenüberstellung, indem sie jetzt nebeneinander traten.

Zum Gelingen einer Beziehung trägt es bei, wenn man sich den wichtigen früheren Beziehungen zuwendet und das was dort noch zu klären ist, klärt, sie anerkennt und sie somit ihren Platz im Gegenwartssystem erhalten. Oder wie Bert Hellinger es in „Wie Liebe gelingt“ ausdrückt: Wenn es frühere Bindungen gibt, heißt das nicht, dass spätere Beziehungen nicht gelingen. Doch sie gelingen nur unter der Bedingung, dass die früherer Partnerschaft geachtet und gewürdigt wird. (S. 22). Auch wenn dieses Buch einen Paarkurs mit heterosexuellen Paaren schildert. Liebe bleibt Liebe und Bindung bleibt Bindung - das konnten wir in dieser Aufstellung sehen.

In der eben geschilderten Aufstellung taucht im Schlussbild ein allgemeines Thema homosexueller Paare auf. Da stehen nun beide Frauen nebeneinander und der gemeinsame Blick geht nach vorne.

Bei heterosexuellen Paaren, die Kinder zeugen können, werden dort, wo der gemeinsame Blick ruht, früher oder später Kinder stehen. Bei heterosexuellen Paaren verbindet das Paar in der Tiefe der Wunsch nach einem Kind oder später auch die Kinder selbst und die „Sorge“ um sie. Es ist so etwas wie ein gemeinsames Projekt, etwas „gemeinsames „Drittes“, auf das sich das Paar hin ausrichtet.

Bei gleichgeschlechtlichen Paaren, ebenso wie bei kinderlosen heterosexuellen Paaren, ist diese fast selbstverständliche oder natürliche Hinwendung auf ein gemeinsames Kind, das gemeinsame „Dritte“, nicht möglich. Das ist meist in der Tiefe schmerzhaft (für beide oder für einen der Partner) und hinterlässt eine Lücke.

Dazu noch eine Aufstellung: Ein schwules Paar, Mitte 40, stellte seine Beziehung auf. Sie lebten seit ca. 10 Jahren zusammen und beschrieben ihr Zusammenleben: „Es läuft nichts mehr zwischen uns, weder sexuell noch anders. Wir leben nebeneinander her wie ein altes Ehepaar.“ Ihr Anliegen war es, gut miteinander alt werden zu können, .Sie betonten auch, dass das nicht die Regel sei, dass schwule Paare so lange zusammenbleiben und gemeinsam weitergehen wollen.

In der Aufstellung schauten beide Stellvertreter schräg aneinander vorbei. Sie sahen den anderen wohl, aber schauten gleichzeitig in entgegengesetzte Richtungen. Ein Partner beschrieb es so: „Ich sehe in meine Zukunft Ich sehe zwar meinen Partner, aber meine Zukunft ist nicht seine.“ Resignation, Frust und Trauer waren die vorherrschenden Gefühle. Als sich die beiden Männer einander mehr zuwandten, taucht ein Gefühl von Leere auf, als fehle etwas.

Der von uns daraufhin vorgegebene Satz: „Wir werden keine gemeinsamen Kinder haben“ löste bei beiden Partnern zunächst Abwehr aus. Das sei ihnen klar, das sei kein Thema. Wir forderten sie auf, diesen Satz sich noch einmal einander zu sagen und nachzuspüren, wie es ist, diesen Satz selbst zu sagen und diesen Satz vom Partner zu hören. Bei beiden Partner trat in unterschiedlicher Ausprägung so etwas wie ein „Verlustgefühl“ auf, besonders berührte die Partner das Wort „gemeinsame“ Kinder. Dieser Aspekt von: die Hälfte von mir und die Hälfte von dir für etwas Neues, das nach Außen sichtbar ist

Über das gemeinsame Gefühl von Verlust trat bei den Partnern Entspannung und eine Verbindung zueinander ein. Wir stellten nun eine Person für das gemeinsame Dritte, was immer das auch sein sollte, dazu. Beide empfanden das als eine gute Orientierung, als etwas, auf das sich beide ausrichten konnten.

Dieses gemeinsame Dritte, z. B. ein gemeinsames Projekt, in dem sich beide finden, scheint ein wichtiger Aspekt für eine gelingende, gute, kinderlose Partnerschaft zu sein. Man könnte fast sagen: „Aufgabe“ der kinderlosen Paare ist es, etwas Gemeinsames zu schaffen, ein Projekt, eine Vision, etwas, zu dem beide „Ja“ sagen können, wo sie sich einbringen können und müssen, und sich auf diese Weise verwirklichen und weiterentwickeln können.

Resümee und Aussicht:

Für mich persönlich waren diese zwei Seminare sehr reich an Erfahrung, allein schon durch die Tatsache, dass ich als einzige Heterosexuelle in einem Kreis von Lesben und Schwulen saß. Ich fühlte mich fremd, ich fühlte mich anders. So schwirrten Fragen durch meinen Kopf, ob ich wohl verstanden werde, ob das, was ich sage für „voll“ genommen wird und ob ich von der Gruppe als dazu gehörig angenommen werde. Es war sehr eindrücklich, einmal selbst den Platz desjenigen, der „anders“ ist, einzunehmen.

Im Laufe der Seminare wurde dann deutlich, dass es Themen gibt, die uns alle betreffen, unabhängig von unserer sexuellen Orientierung: Der Wunsch nach Zugehörigkeit, der Wunsch Liebe zu geben und zu nehmen, die Bindung an den Partner, an die Partnerin.

Nach der Erfahrung von meinen Co-Leitern und mir ist die Homosexualität eines Familienmitgliedes ein wichtiger Aspekt der jeweiligen Familie, ein Aspekt, der im System wirkt, der mit dazu gehört und ein Recht hat, gesehen zu werden. Herr Jörg geht sogar so weit, die Homosexualität als „Auftrag im System“ zu sehen. Das Thema Homosexualität stellt einen nicht wegzudenkenden Teil eines größeren Ganzen dar.

Es wird insbesondere auch durch den Ausschluss aus der Herkunftsfamilie bzw. durch das Abwenden von der Herkunftsfamilie zum „besonderen“ Schicksal, das dann wiederum, evtl. über weitere Verstrickungen, in den nächsten Generationen weiterwirkt.

Weitere Informationen:
http://www.ulsamer.com

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http://www.therapeutenfinder.com/therapeuten/.html

Kommentare zu diesem Artikel

eine Lesbe schrieb am 11.06.12 dazu:

Ich habe sehr viel Erfahrung mit Psychotherapie und Familienaufstellungen, beides wirkte immer unterstützend auf mein Lesbischsein, ich glaube man kann etwas nur erst wirklich verstehen, wenn man sich darauf einlässt und bei sich selbst bleibt, das ist für Homosexuelle sowie Heterosexuelle gleich, bei Familienaufstellungen geht es nicht darum alles mit dem Kopf zu verstehen, übrigens bei einer guten Psychotherapie auch nicht, sondern sich auf ein Lösungsbild, das für einen passt, einzulassen, nichts anderes passiert normalerweise, wenn der/die AufsterllerIn gute Arbeit leistet. Die Heilungskraft kommt aus der Gruppendynamik, im Gegenteil zu einer psychotherapeutischen Einzelsitzung.

Als lesbische Frau sehe ich "seriöse" Psychotherapie, wie gewisse psychoanalytische Schulen, die immer noch darauf beharren, das Homosexualität krankhaft ist, als problematische an. Wie wir uns vielleicht errinnern, ist die Öffnung der Psychotherapie auch für unsere Anliegen, noch garnicht so alt. Ich würde aber nie die gute Ideen und Dinge, sowie ihre Wirksamkeit, die die Psychoanalyse zu bieten hat ablehen, sie ist auch immernoch ein wichtiger Katalysator für neue therapeutische Herangehensweisen. Bert Hellinger ist als der Bekanntmacher (Pioniere in dieser Methode waren andere) des Familienstellens einer der viel Gutes gebracht hat, aber sicherlich auch Dinge hinterlassen hat, die man sich nicht abschauen sollte, die einfach nicht stimmen, wo er es mit seiner Weisheit nicht über seine eigene Persönlichkeit hinausgebracht hat. Jeder seriöse Therapeut sollte aber unterscheiden können, was brauchbar ist und was nicht, auf dem Feld der Familienaufstellungen ist Hellinger bei weitem nicht der einzige Mentor, wohl aber der über den am meisten geredet wird. Es ist wirklich nicht nötig alles nur schwarz- weiss zu sehen, die einen in Gurus und die Anderen in Hilfesuchende abzustempeln.

Vielleicht sollte man sich die Frage stellen, was man selbst am meisten braucht, was einem am meisten glücklich macht, ist es eher einen logischen Zugang zur Welt, oder geht es über die Erfahrung mit und über die Entwicklung von tiefen zwischenmenschlichen Beziehungen, dann ist gute Psychotherapie, sowie gute Aufstellungsarbeit, eine Station in diesem Leben wert.

Und psychisch labile Menschen können auch entscheiden und Verantwortung übernehmen über das was sie tun. Aus Erfahrung gesprochen :)

Liebe Grüße

Brosche Wolfgang schrieb am 06.08.10 dazu:

"Das Thema Homosexualität stellt einen nicht wegzudenkenden Teil eines größeren Ganzen dar.
Es wird insbesondere auch durch den Ausschluß aus der Herkunftsfamilie bzw. durch das Abwenden von der Herkunftsfamilie zum "besonderen" Schicksal, das dann wiederum, eventuell über weitere Verstrickungen, in den nchsten generationen weiterwirkt."
Dieser Artikelabschluß zeigt, wes Geistes Kind Frau Ulsamer ist - sie ist nichts weiter als eine Schamanin, die von Schicksal und Schicksalhaften Verstrickungen raunt. Das hat nichts mit seriöser Psychotherapie zu tun!
Das ist Esoterik pur!
Auch das vorsintflutliche Konzept der Homosexualität - das sie übrigens von Hellinger übernommen hat - ist unwissenschaftlich. Homosexuelle als eigentlich weiblich Fühlende und Lesben als eigentlich männlich Fühlende zu beschreiben, disqualifiziert die Autorin auf ganzer Linie!
Auch der Unsinn vom "Abwenden" von der Familie schafft nur mehr Leid!
Homosexuelle und Lesben haben oft gar keine andere Überlebensmöglichkeit, als sich von der Familie abzuwenden.
Nach Hellinger müßten diese Menschen ihre Eltern um Verzeihung bitten für die Verachtung, die die Eltern ihnen angetan haben. Es geht ja um "das größere Ganze"! Das heißt bei Hellinger eine Ordnung, die den Mann über die Frau, die Eltern über die Kinder, die "Sippe" über den Einzelnen und das "Volk" über die Familien und die Einzelnen stellt!
Kommen einige Vokabeln verdächtig vor? Es ist kein Wunder, daß Hellinger eine Zeit lang, die sogenannte "Kleine Reichskanzlei" Adolf Hitlers in Berchtesgaden bewohnte.
Ich muß mich wirklich wundern, daß Homosexuelle ausgerechnet bei solchen Gurus Hilfe suchen!
Ich kann nur davor warnen in die Fänge solcher Gurus wie Frau Ulsamer zu geraten! Es mag sein, daß sie an den Unsinn der Aufstellungen glaubt - umso schlimmer, wenn sie damit auch noch Hilfesuchende verwirrt!.

Brosche Wolfgng schrieb am 05.08.10 dazu:

Es kann doch wohl nicht wahr sein, daß auf dieser Seite - Therapeuten-Finder - ein so kruder, unwissenscahftlicher Unsinn verbreitet werden darf.
Aufstellungen - ob mit Hetero- oder Homosexuellen - haben nicht die geringste wissenschaftliche Basis. Sie sind nichts weiter als Geldschneiderei, gepaart mit Ignoranz! Jede seriöse psychologische Vereinigung warnt ausdrücklich vor Familienaufstellungen, denn sie könnten aufgrund ihrer rigiden Moral, schwerste Schäden bewirken - meist bei ohnehin traumatisierten Menschen!
Der "Erfinder" der "Methode", Bert Hellinger, vertritt ein vorsintflutliches Weltbild mit "bösen" Tendenzen - hier werden die Rollen umgekehrt: Schuldige werden entscudilgt, Opfer müssen sich für die Tat bei den Tätern entschuldigen.
Es wird Zeit, daß Aufstellern das Handwerk gelegt wird!
Nichts weiter als Esoterik!

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