psychotherapeutischer Heilpraktiker

psychotherapeutischer Heilpraktiker

Stand: 02.04.2015

Geschichte

Im Jahr 1993 beantragte eine Sozialpädagogin, für ihre Heilerlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz nur in psychotherapeutisch relevanten Gebieten geprüft zu werden, da sie ausschließlich psychotherapeutisch arbeiten und lediglich eine darauf beschränkte Heilerlaubnis benötigen würde. Dieser Antrag wurde abgelehnt; sie legte Widerspruch ein. Nach einigem verwaltungsrechtlichem und gerichtlichem Hin und Her wurde ihr aufgrund eines Formfehlers (!) - Nichteinhaltung einer Frist von Seiten einer Behörde - eine amtliche Heilerlaubnis beschränkt auf Psychotherapie erteilt.
Dies sprach sich bald herum, und immer mehr Anwärter stellten Antrag auf diese eingeschränkte Heilerlaubnis.

Benennung

Bis Ende 1998 konnte diese Personengruppe sich Psychotherapeut nennen und auch mit den staatlichen Krankenkassen abrechnen. Mit Eintritt der Gültigkeit des Psychotherapeutengesetzes zum 01.01.1999 wurde die Benennung als Psychotherapeut auf Personen mit einem abgeschlossenen einschlägigen Studium und einer Approbation beschränkt. Auch die Abrechnungsmöglichkeit über Krankenkassen wurde sehr stark beschnitten.
Die Benennung für Personen mit einer auf Psychotherapie beschränkten Heilerlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz ist nach wie vor nicht geklärt. Detaillierte Ausführungen dazu lesen Sie hier

Die amtliche Überprüfung

Es handelt sich nicht um eine Prüfung, in der Fachwissen abgefragt wird, sondern um eine staatliche "Überprüfung zur Gefahrenabwehr", ähnlich wie die Führerscheinprüfung.
Dabei wird geprüft, ob der Kandidat möglicherweise "eine Gefahr für die Volksgesundheit" darstellt. Um das auszuschließen, muss er ausreichende Kenntnisse in Psychopathologie (Lehre der psychischen Störungen), Psychosomatik, Krisen und Notfällen, Zuständigkeitsgrenzen und Weiterverweisung, Gesetzeskunde und Therapietheorie nachweisen.
Das geschieht in zwei Teilen, der schriftlichen und der mündlichen Überprüfung.
In der schriftlichen Überprüfung hat der Kandidat innerhalb von 55 Minuten 28 Fragen im Multiple Choice ( = Antwort-Wahl-Verfahren) zu beantworten. Davon müssen wenigstens 21 Fragen richtig beantwortet werden, um zur anschließenden mündlichen Überprüfung zugelassen zu werden.

Hier prüft ein Amtsarzt und meistens ein bis zwei Beisitzer. Typische Fragen der Prüfer sind hier:

  • Wozu brauchen Sie die Heilgenehmigung?
  • Woher bekommen Sie Klienten?
  • Mit welchen Zielgruppen werden Sie arbeiten und auf welche Weise?

Außerdem werden Fachfragen gestellt und / oder Patientenfälle vorgestellt. Hierzu hat der Kandidat eine Verdachtsdiagnose und Differentialdiagnosen zu nennen und zu begründen. Außerdem muss er entscheiden, ob er mit diesem Patienten psychotherapeutisch arbeiten würde und wie, oder ob er ihn weiter verweisen würde, warum und wohin.

Die mündliche Überprüfung dauert zwischen 15 und 50 Minuten. Der Kandidat erhält gleich anschließend vor Ort Bescheid, ob er bestanden hat. Die Regelung dieser Überprüfung ist Ländersache, daher kann es in manchen Bundesländern Abweichungen von dieser Beschreibung geben!

Mehr zur Prüfung erfahren Sie in diesem Artikel.

Ausbildung: Der Unterschied zum Voll-Heilpraktiker

Anders als bei der Überprüfung zur uneingeschränkten Heilgenehmigung sind die Chancen zum Bestehen für die "Psycho-Anwärter" um ein Vieles größer, wenn bereits Ausbildungen oder Erfahrungen im psychotherapeutischen Bereich nachgewiesen werden beziehungsweise durch Lebenslauf und Selbstdarstellung in der mündlichen Prüfung glaubhaft gemacht werden können.

Berufliche Tätigkeit

Die Heilgenehmigung wird nur erteilt, wenn der Kandidat plant, in eigener Praxis selbständig tätig zu werden. Als Angestellter im Klinikbereich oder in einer Beratungsstelle wird diese Heilgenehmigung nicht benötigt!
Der Kandidat muss darstellen, dass er in einem gewissen Umfang an der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung teilnehmen wird.
Mit welchen Klienten- und Patientengruppen der Heilpraktiker für Psychotherapie arbeitet, definiert sich aus

  • seinen Ausbildungen, Erfahrungen und Vorkenntnissen
  • seiner Praxisstruktur
  • seinen Kontakten und seiner räumlichen Nähe zu anderen Instanzen (Psychiatern, Kliniken, Beratungsstellen) = Networking.

Tätigkeitsschwerpunkte

Je nach Wissens- und Ausbildungsstand sind typische Schwerpunkte

  • die fachkundige Begleitung bei der Lösung von aktuellen und Lebensproblemen
  • Klärung und Lösung von inneren und äußeren Konflikten (auch als Partner- und Familientherapie)
  • Entlastung und Begleitung in Krisen, Lebensumbrüchen und Entscheidungssituationen
  • Ängste und Hemmungen
  • Körpersymptome, die einen psychischen Hintergrund haben, wie zum Beispiel Verspannungsschmerzen und Allergien (erst nach ärztlicher Abklärung)
  • Selbsterfahrung und Wachstumsbegleitung

Detaillierte Beispiele zu typischen Schwerpunkten finden Sie hier.

Einschränkungen

Die Tätigkeit mit dieser Heilerlaubnis unterliegt bestimmten Einschränkungen:
Anders als der Vollheilpraktiker darf der psychotherapeutische Heilpraktiker nicht

  • rezeptieren (Rezepte ausstellen)
  • Substanzen verabreichen (auch keine frei erhältlichen Medikamente, Tees oder ähnliches)
  • Invasiv arbeiten (in die Körpergrenzen eindringen durch Spritzen, Nadeln etc)

Hieraus ergibt sich auch die Beschränkung auf die selbständige Behandlung von Personen, die ihren Alltag noch bewältigen können und keine klinische oder ärztliche Behandlung brauchen (zum Beispiel Medikamente), die nicht dringend eine Beratungsstelle aufsuchen müssen und die keine behördlichen Aktivitäten erfordern.
Das wäre der Fall bei

  • akuter Gefährdung des Patienten durch Gewalteinwirkung von dritter Seite
  • aktueller Substanzabhängigkeit (Alkohol, Drogen, missbräuchlich angewendete Medikamente)
  • akute Suizidgefährdung
  • Selbst- und Fremdgefährdung durch mangelnde Impulskontrolle
  • schwere affektive Störungen (Depression und Manie)
  • psychotische Tendenzen
  • schwere Essstörungen
  • körperliche Erkrankungen

Für solche Patienten muss die weitere Behandlung durch den psychotherapeutischen Heilpraktiker von diesem mit den anderen involvierten Fachpersonen abgestimmt werden, wobei Arzt, Klinik und Behörde das Weisungsrecht haben.
Nur bei Billigung von ärztlicher Seite und mit regelmäßigem gegenseitigen fachlichen Austausch darf der psychotherapeutische Heilpraktiker die Behandlung nach Anweisung des Arztes fortsetzen.

Berührung?

Das Gerücht, mit dieser Heilerlaubnis Klienten und Patienten nicht berühren zu dürfen und daher für körperorientierte Therapien wie zum Beispiel die Biodynamische Massagetherapie nach Gerda Boyesen die Voll-Heilerlaubnis zu benötigen, flackert immer wieder auf.

Es ist nicht wahr! Auch zu strengster Neutralität verpflichtete Psychiater und Psychanalytiker berühren ihre Patienten normalerweise in jeder Sitzung zweimal: Sie schütteln die Hände am Beginn und zum Ende der Sitzung! Allein das zeigt schon die Unsinnigkeit dieses Gerüchtes.

Letzter Wissensstand: Im Frühsommer 2007 ergab ein Anruf beim Gesundheitsamt München, dass sich an der Möglichkeit, als psychotherapeutischen Heilpraktiker Patienten mittels Berührung zu behandeln, nichts geändert hat. Natürlich gilt die Voraussetzung, dass die Berührung einwandfrei psychotherapeutisch begründet ist und dass mögliche Missbrauchs- und Übergriffsthemen sowie die Übertragungs- und Gegenübertragungsanalyse besonders sorgfältig berücksichtigt und gehandhabt werden.

Methodenvielfalt

Die offizielle Therapielandschaft ist äußerst karg: lediglich Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Verhaltenstherapie werden von den Krankenkassen anerkannt und erstattet.
Es gibt allerdings weit über 400 (!) psychotherapeutische Methoden; etliche davon sind seit vielen Jahren bewährt.
Der Berufsstand der psychotherapeutischen Heilpraktiker garantiert, dass die Methodenvielfalt erhalten und ausgebaut wird.

Weitere Informationen finden Sie auch bei Wikipedia

Verfasser dieses Artikels:
Anne Lindenberg Anne Lindenberg
Praxis für Psychotherapie (Heilpraktikergesetz), Beratung und Coaching, 81379 München

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