Information für Eltern, Lehrerinnen und Lehrer. Von Helmut Schmidt, Oberstudienrat i.R.

Information für Eltern, Lehrerinnen und Lehrer. Von Helmut Schmidt, Oberstudienrat i.R.

Arbeit am Tonfeld®

Information für Eltern, Lehrerinnen und Lehrer

von Helmut Schmidt, Oberstudienrat i. R.

In Zusammenarbeit mit Andrea Brummack und Irmgard Schlafke

Kleine Ursache - große Wirkung

Jeder Mensch durchläuft in seinem Leben prägende Entwicklungsphasen. Kann er sich in einer von ihnen nicht ausreichend entfalten, kommt es auch in den folgenden Phasen zu Verzögerungen und Komplikationen.

Ich denke hier an einen Jungen, der mit eineinhalb Jahren seine ersten Worte sprach, dann aber wieder verstummte, als seine Mutter plötzlich für mehrere Wochen ins Krankenhaus musste. Außerhalb der Familie sprach er kein einziges Wort mehr, auch im Kindergarten nicht. Er wurde später in eine Förderschule aufgenommen, wo er nach und nach sprechen lernte. Erst nach der vierten Klasse war er soweit, eine "normale", weiterführende Schule zu besuchen.

Immer wieder sind es solche traumatischen Erfahrungen, die Auslöser für Störungen der natürlichen Entwicklung sein können. Von Betroffenen wird das oft gar nicht oder erst sehr viel später erkannt. Sie halten ihre innere Lähmung in bestimmten Situationen für einen persönlichen Charakterzug und denken, sie seien eben nur etwas ängstlicher, unsicherer und aufgeregter als andere. Dabei leiden sie immer noch unter den Folgen der Traumatisierung und sind von ihren wahren Körperempfindungen und Gefühlen getrennt.

Aber auch ohne traumatische Ereignisse, die besonders tief in unser Leben eingreifen, kann es schwierig werden. Viele Kinder geraten unter Druck, wenn sie in die Schule kommen. Die einen passen sich unter Anstrengungen an und versuchen die Erwartungen ihrer Eltern und Lehrer möglichst gut zu erfüllen. Andere begehren auf oder weichen aus. In beiden Fällen ist die Gefahr groß, dass sie ein "falsches Selbst" entwickeln, wie der Kinderpsychologe D. W. Winnicott hervorhob. Der Weg zu einem unverstellten, ursprünglichen und "wahren" Selbst kann dann oft sehr lange dauern.

Von Grund auf neu

"Gespräche oder tiefschürfende Überlegungen helfen da kaum weiter", meint der Neurobiologe Gerald Hüther. "Sie wären nur dann ein geeignetes Mittel, wenn sie auch wirklich auf den Grund gehen, d. h. wenn sie zu grundlegend neuen Erkenntnissen führen, die dann auch neue Erfahrungen möglich machen." Hüther rät aufgrund der Vernetzung all unserer Erfahrungen, Gefühle und Erkenntnisse im Gehirn zu einem Weg, der den Körper mit einbezieht: "Der betreffende Mensch müsste also Gelegenheit bekommen, sich so wie damals, am Anfang seines Lebens, im eigenen Handeln, im Gestalten, im Spüren und Begreifen selbst wiederzuentdecken. Oft kommt es so zu Einsichten, die den ganzen Menschen ergreifen. Dabei entsteht oft auch das Gefühl, dieses feste, eigene Fundament wiedergefunden zu haben, nach dem die betreffende Person seit ihrer frühen Kindheit ein Leben lang gesucht hat."

Hüther beschreibt hier genau das, was bei der Arbeit am Tonfeld angestrebt und erreicht wird. Bei dieser Methode, die seit 1972 von Heinz Deuser, ehemals Professor für Kunsttherapie in Nürtingen, entwickelt wurde, kommt es weniger auf's Reden an. Im Vordergrund steht die Erlebnisqualität, in Gegenwart eines aufmerksamen Begleiters im Berühren, Spüren, Fühlen und Gestalten gesehen und verstanden zu sein. Dies setzt wichtige Impulse für die Neugestaltung der eigenen Persönlichkeit - von Grund auf.

Die andere Lernhilfe

In den Jahren meiner Berufstätigkeit als Lehrer, von 1971 bis 2007, habe ich mir oft Gedanken darüber gemacht, wie ich Schüler in ihrer persönlichen Entwicklung innerhalb des Unterrichts besser fördern könnte. Ich spürte ihre Nöte, hatte aber selten genügend Zeit, um auf ihre Lernstörungen und Motivationsprobleme eingehen zu können. Immer häufiger beobachtete ich dann, wie einzelne Eltern ihre Kinder zu Nachhilfelehrern, Ergotherapeuten, Logopäden und Kindertherapeuten schickten. Dabei erschien mir für die meisten dieser Schüler eine Therapie noch gar nicht nötig, wenn wir als Pädagogen nur mit mehr psychologischem Sachverstand und geeigneteren pädagogischen Methoden vorgehen könnten.

Als ich 1984 die Arbeit am Tonfeld kennenlernte, erschien sie mir bald als geeignetes Instrument, das sich direkt im Schulalltag einsetzen ließ. Ich erprobte diese Methode der Lern- und Entwicklungsförderung zunächst mit 16 bis 18-jährigen Schülern im Berufsvorbereitungsjahr meiner Berufsschule. Dabei stellte ich fest, dass selbst ältere, schwierige Schüler dafür ansprechbar waren und nach den Einzelstunden eine stärkere Motivation und Ausdauer zeigten, so dass sie sich besser in die Klasse einfügen konnten. Kolleginnen und Kollegen an anderen Schulen in Deutschland und Österreich machten ähnlich gute Erfahrungen. Leider hatte ich persönlich erst mit dem Eintritt in den Ruhestand im Jahre 2007 ausgiebig Gelegenheit, die Methode zu erproben und bei jüngeren Schülern anzuwenden.

Arbeit am Tonfeld an Schulen

Inzwischen habe ich an zwei Grundschulen, einer Förderschule und einer Nachhilfeeinrichtung viele spannende Entwicklungs- und Reifeprozesse von Schülern erlebt. Meistens verwendete ich für jeden Schüler eine Unterrichtsstunde pro Woche. Bei der Mehrheit der Schüler zeigte sich schon nach einem Schuljahr, also nach etwa 25 Einzelstunden, eine deutliche Veränderung im Lern- und Sozialverhalten.

Mit einem kleineren Teil der Schüler setzte ich meine Arbeit in einem zweiten oder dritten Schuljahr fort. Bei ihnen bezog ich auch die Eltern stärker ein und führte jährlich mindestens einmal ein Elterngespräch. Die Klassenlehrer der Schüler informierte ich regelmäßig durch Stundenprotokolle. Ergaben sich Konflikte im Schulalltag, konnte ich durch meine Beobachtungen im Umgang mit dem Schüler oder der Schülerin am Tonfeld manch neue Perspektive eröffnen, wofür die Lehrerinnen sehr dankbar waren.

Mein Fazit: Mit dieser Methode gelingt es sehr leicht, einen persönlichen Kontakt zu Schülern aufzubauen. Oft blühen sie richtig auf, wenn sie auf einen Erwachsenen treffen, der sich Zeit für sie nimmt und ihnen Gelegenheit gibt, ihre individuellen, tieferen Bedürfnisse zu verwirklichen. Endlich müssen sie nicht gleich wieder auf der kognitiven Ebene etwas leisten, wie es in der Schule fast durchweg bei jedem Lernschritt erwartet wird. Sie können vielmehr im spielerischen Wahrnehmen und Gestalten mit Tonerde ohne Leistungsdruck bei sich selber ankommen und dadurch neue Schritte in ihrer persönlichen Entwicklung wagen.

Literatur:

Deuser, Heinz (Hrsg.): Bewegung wird Gestalt, 2004

Erikson, Erik H.: Identität und Lebenszyklus, 1959

Hüther Gerald: Es ist nie zu spät. in: Tschachler-Nagy, G., u. Fleck, A.: Im Greifen sich begreifen. Die Arbeit am Tonfeld nach Heinz Deuser 2007, S. 13-17

Winnicott, D.W.: Vom Spiel zur Kreativität, 1997 (9. Aufl.), S. 101 – 110

Weitere Informationen:
http://www.therapeutenfinder.com/galerie/uploads/11605-1387657471.pdf

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http://www.therapeutenfinder.com/therapeuten/.html

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