ADHS bei Frauen und Burnout

ADHS bei Frauen und Burnout

ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Dieses neurobiologische Entwicklungsphänomen beginnt zwar in der Kindheit, doch es begleitet viele Betroffene bis ins Erwachsenenalter. Lange Zeit dachte man, ADHS betreffe vor allem unruhige Jungs – den typischen „Zappelphilipp“. Tatsächlich bekommen Jungen in der Kindheit deutlich häufiger eine Diagnose als Mädchen. Bei erwachsenen Frauen wird ADHS hingegen oft erst sehr spät erkannt oder gar übersehen. In diesem Artikel erfahren Sie, warum das so ist, welche Symptome bei erwachsenen Frauen typisch sind und weshalb ADHS bei Frauen häufig zu chronischem Stress und Burnout führen kann. Zudem betrachten wir innere und äußere Faktoren, die diese Dynamik verstärken, und zeigen einfühlsam auf, was Betroffene tun können – von der Diagnostik bis zu Alltagstipps, Therapie und Coaching.

Warum ADHS bei Frauen oft spät erkannt wird

Viele Mädchen und Frauen fallen durchs Raster, weil ihr ADHS anders aussieht als das stereotype Bild. In der Kindheit werden Mädchen meist nicht als „hyperaktiv“ auffällig, sondern eher ruhig, verträumt oder schüchtern. Sie versuchen, den Erwartungen gerecht zu werden und verbergen ihre Unruhe. So wird offensichtliche Hyperaktivität nach außen oft zu innerer Unruhe, und die Aufmerksamkeitsprobleme zeigen sich als stille Tagträumerei. Das bedeutet: Die Symptome richten sich eher nach innen. Eine quirlige, laute Verhaltensweise, die bei Jungen sofort Alarm schlägt, sieht man bei vielen Mädchen mit ADHS nicht.

Hinzu kommt ein Untersuchungs-Bias: Ärzte und Lehrkräfte haben lange primär den zappeligen Jungen im Kopf, wenn von ADHS die Rede ist. Die gängigen Diagnosekriterien und Fragebögen basierten ursprünglich auf den häufigsten Symptomen bei Jungen. Dadurch wurden ADHS-Anzeichen bei Mädchen oft übersehen. Ihr Verhalten passte ins gesellschaftliche Bild: Ein zerstreutes, stilles Mädchen gilt als „Träumerin“ oder einfach sensibel – nicht als krank. Viele Mädchen lernen früh, sozial erwünschtes Verhalten zu zeigen, um nicht negativ aufzufallen. Sie passen sich an, arbeiten im Stillen doppelt so hart, um mitzuhalten, und entwickeln raffinierte Kompensationsstrategien. Dadurch wirken sie nach außen „normal“ und ihre echten Schwierigkeiten bleiben verborgen.

All diese Faktoren führen dazu, dass Frauen häufig erst im Erwachsenenalter erfahren, dass ADHS hinter ihren lebenslangen Problemen steckt. Oft kommt die Diagnose zustande, weil sie wegen anderer Probleme Hilfe suchen – zum Beispiel wegen chronischer Erschöpfung, Burnout, Angstzuständen oder Depressionen. Nicht selten werden jahrelang nur diese Begleiterkrankungen behandelt, während die eigentliche ADHS unentdeckt bleibt. Die späte Erkenntnis kann frustrierend sein: Betroffene blicken auf ein Leben voller Anstrengung und das Gefühl zurück, irgendwie „anders“ oder „nicht gut genug“ zu sein. Wenn ADHS so lange unerkannt bleibt, haben viele Frauen bereits ein geringes Selbstwertgefühl entwickelt und zweifeln an sich selbst – schließlich schien es, als würden sie versagen, obwohl in Wahrheit ihre Gehirnchemie der Grund für manche Schwierigkeiten ist.

Typische Symptome von ADHS im Erwachsenenalter (besonders bei Frauen)

ADHS verschwindet nicht einfach mit 18. Erwachsene mit ADHS kämpfen weiter mit ähnlichen Symptomen wie in der Kindheit, doch sie zeigen sich etwas anders. Viele Frauen haben den vorwiegend unaufmerksamen ADHS-Typ. Das heißt, im Vordergrund stehen Konzentrations- und Organisationsprobleme, weniger die äußere Hyperaktivität Typische Herausforderungen sind zum Beispiel:

    • Unaufmerksamkeit und Vergesslichkeit: Betroffene verlieren im Alltag schnell den Fokus. Sie schweifen mit den Gedanken ab, beginnen etwas und vergessen, was sie ursprünglich tun wollten. Wichtige Termine oder Gegenstände (wie Schlüssel oder Handy) werden häufig verlegt. Selbst bei Interesse an einer Aufgabe fällt es schwer, die Aufmerksamkeit lange aufrechtzuhalten. Gleichzeitig können sie in umgekehrter Weise einen Hyperfokus entwickeln – dann vertiefen sie sich stundenlang in eine Sache, während alles andere ausgeblendet wird.

 

  • Desorganisation und Prokrastination: Viele erwachsene ADHS-Betroffene haben Mühe, ihren Alltag zu strukturieren. Der Schreibtisch ist chaotisch, zu Hause häufen sich unerledigte Pflichten, und im Berufsleben wird vieles auf den letzten Drücker erledigt. Aufgaben werden vor sich hergeschoben, bis der Druck enorm wird. Dieses Aufschieben (Prokrastination) hängt mit der Schwierigkeit zusammen, Prioritäten zu setzen und den Handlungsanfang zu finden. Oft wirkt das Verhalten nach außen unverständlich – etwa wenn Rechnungen liegen bleiben oder Projekte trotz hoher Kompetenz nicht rechtzeitig fertig werden. Perfektionismus kann dieses Problem paradoxerweise verstärken: Aus Angst, etwas nicht perfekt zu machen, fangen viele gar nicht erst an oder verlieren sich im Detail.

  • Innere Unruhe und Impulsivität: Auch ohne sichtbares Zappeln fühlen sich viele Frauen innerlich ständig getrieben oder nervös. Gedanken rasen, Entspannung fällt schwer. Impulsive Entscheidungen oder Gefühlsausbrüche können auftreten – z. B. spontan Geld ausgeben, Leute unterbrechen oder vorschnell Job und Wohnort wechseln. Im Gespräch reden einige Betroffene „wie ein Wasserfall“ und springen von Thema zu Thema, weil die Impulskontrolle eingeschränkt ist. Andere wiederum ziehen sich abrupt zurück, wenn sie überreizt sind. Diese Impulsivität ist ein Kernsymptom von ADHS, das bei Erwachsenen subtiler aussehen kann, aber weiterhin vorhanden ist.

  • Emotionale Empfindlichkeit: Ein häufig übersehenes Symptom bei ADHS ist die schwierige Emotionsregulation: Stimmungsschwankungen treten oft auf. Kleinigkeiten können unvermittelt starke Emotionen auslösen – zum Beispiel plötzliche Wut oder Verzweiflung, wo andere nur genervt wären. Frauen mit ADHS beschreiben sich oft als überempfindlich gegenüber Kritik. Ein strenges Wort des Chefs oder ein genervter Ton vom Partner kann tagelang an ihnen nagen und Selbstzweifel wecken. Sie fühlen sich schnell gestresst oder überfordert, selbst von Alltäglichem. Viele leiden jahrelang still an Angststörungen oder Depressionen, weil sie die ständige emotionale Ãœberforderung an sich selbst zurückführen und nicht wissen, dass ADHS dahintersteckt.

  • Soziale Schwierigkeiten: All das wirkt sich auch auf Beziehungen aus. Frauen mit ADHS fällt es schwer, langfristige Freundschaften und Kontakte zu pflegen.  Verabredungen werden vergessen oder immer wieder verschoben, was andere als Desinteresse missverstehen können. In Gesprächen schweifen sie ab oder haben Mühe, konzentriert zuzuhören – besonders in Gruppen oder bei längeren Unterhaltungen. Das kann zu Missverständnissen führen; man gilt als unaufmerksam oder egozentrisch, obwohl man es nicht will. Gleichzeitig neigen Betroffene bei Ãœberforderung zum sozialen Rückzug: Wenn alles zu viel wird, ziehen sie sich lieber zurück, weil Interaktionen zusätzliche Energie kosten. Dieses Muster kann Einsamkeit begünstigen und wiederum das Gefühl verstärken, „nicht dazuzugehören“.

Diese Symptome treten nicht bei jeder Frau in gleicher Ausprägung auf. Jede ADHS-Biografie ist individuell. Viele Betroffene entwickeln kreative Wege, mit ihren Problemen umzugehen. Einige wirken nach außen hoch organisiert – doch das erfordert enorme Kraft im Hintergrund. Andere erscheinen chaotisch, haben aber zugleich ein hohes Maß an Kreativität und Einfühlungsvermögen. Wichtig ist zu verstehen: Die genannten Schwierigkeiten sind keine Charakterschwächen, sondern Ausdruck einer neurobiologischen Veranlagung. Wenn Außenstehende das nicht wissen, werden ADHS-Frauen leider oft als faul, unzuverlässig oder „zu sensibel“ abgestempelt. Dies trägt erheblich zur nächsten Problematik bei: dem Thema Stress und Burnout.

ADHS bei Frauen: Chronischer Stress und Burnout

Viele Frauen mit ADHS fühlen sich dauererschöpft. Kein Wunder – sie laufen oft ihr Leben lang auf Hochtouren, um den Alltag zu bewältigen. Schon scheinbar einfache Dinge (pünktlich zur Arbeit kommen, Haushalt organisieren, Termine einhalten) erfordern bei ADHS-Betroffenen viel mehr Aufwand und mentale Energie als bei neurotypischen Menschen. Frauen berichten, sie müssten „doppelt so hart für dieselben Ziele kämpfen“ Häufig gönnen sie sich keine Pause, weil immer das Gefühl mitschwingt, nicht genug zu leisten. Auf Dauer führt diese Überanstrengung in einen Zustand von chronischem Stress.

Besonders tückisch ist, dass ADHS-bedingter Stress und Burnout sich gegenseitig verstärken können. Zum einen erzeugen ADHS-Symptome Stress: Man vergisst Wichtiges, gerät in Zeitnot, kämpft mit Reizüberflutung – der Körper befindet sich ständig in Alarmbereitschaft. Konzentrationsschwächen müssen durch übermäßige Anstrengung kompensiert werden. Zum anderen verschlimmert Stress die ADHS-Symptomatik. In Phasen extremer Belastung können Aufmerksamkeit und Gedächtnis noch schlechter funktionieren. Die Betroffene strengt sich dann noch mehr an, um ihre Defizite auszugleichen, was in einem Teufelskreis münden kann.

Ein großes Problem ist, dass viele Frauen jahrelang über ihre Grenzen leben, ohne zu wissen warum. Sie versuchen, den gesellschaftlichen Rollenerwartungen zu genügen: erfolgreich im Beruf, dazu eine perfekte Organisatorin im Privatleben, vielleicht Mutter, die alles unter einen Hut bekommt. Um das ADHS-Chaos zu kaschieren, greifen viele zum Perfektionismus. Sie wollen keine Schwäche zeigen und arbeiten oft bis zur Erschöpfung, um genauso strukturiert und leistungsfähig zu wirken wie andere „Frauen gelten als multitaskingfähig, organisiert und emotional ausgeglichen“, erklärt ein Ratgeber – diesem Ideal versuchen Frauen mit ADHS verzweifelt gerecht zu werden. Das führt langfristig fast zwangsläufig zu Überlastung, emotionaler Erschöpfung oder Burnout. Mit Burnout ist hier gemeint: ein Zustand völliger seelischer und körperlicher Erschöpfung, in dem nichts mehr geht. Man fühlt sich ausgebrannt, anhaltend müde, reizbar und oft gleichgültig.

Tatsächlich suchen viele erwachsene Frauen erst dann eine Diagnose, wenn sie „mit den Nerven am Ende“ sind. Nicht wenige landen wegen Depression oder Burnout in therapeutischer Behandlung oder sogar in einer Klinik, ohne dass dort die ADHS als Ursache erkannt wird. In einer spezialisierten Einrichtung berichtete man beispielsweise von Frauen, die erst in oder nach den Wechseljahren merkten, dass sie den Lebensanforderungen nicht mehr gewachsen waren – einige hatten sogar Angst, an Demenz erkrankt zu sein, weil Konzentration und Gedächtnis so stark nachließen. Dabei war es letztlich die jahrelange unbehandelte ADHS, die sie an den Rand der Erschöpfung gebracht hatte.

Die Kombination aus ständiger innerer Anspannung und dem Gefühl des Andersseins zehrt massiv an der Energie. Viele Betroffene beschreiben, dass sie jeden Tag mit dem Gedanken aufwachen, heute „endlich alles richtig zu machen“ – und abends frustriert ins Bett fallen, weil wieder einiges schiefging. Dieses permanente sich selbst antreiben und dennoch das Empfinden zu haben, nie zu genügen, ist zermürbend. Kein Organismus hält das auf Dauer aus. Wenn dann äußere Belastungen hinzukommen (z. B. Überstunden, familiäre Probleme oder Phasen hormoneller Umstellung, die ADHS-Symptome verstärken können. kann das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen kommen. Burnout ist oft das Ergebnis eines langen, schleichenden Prozesses aus Überforderung und Selbstüberlastung.

Innere und äußere Faktoren, die die Überlastung verstärken

Warum geraten Frauen mit ADHS so häufig in diese Spirale aus Stress und Überforderung? Hier spielen innere Faktoren (also persönliche und krankheitsbedingte Eigenheiten) ebenso eine Rolle wie äußere Einflüsse (Umfeld und Gesellschaft).

Innere Faktoren: Ein wichtiger Punkt ist das Selbstbild. Viele ADHS-Frauen haben von klein auf erlebt, dass sie „nicht mithalten“ können, und daraus geschlossen, sie seien faul, dumm oder unzulänglich. Daraus entwickeln sich oft ein geringer Selbstwert und starke Selbstzweifel. Selbst wenn sie objektiv viel leisten, fühlen sie sich schlecht. Dieses innere Gefühl von „Ich muss mich mehr anstrengen als alle anderen“ führt dazu, dass sie sich keine Fehler verzeihen. Perfektionismus und überhöhte Ansprüche an sich selbst entstehen als Kompensation für das vermeintliche Versagen. Ein weiterer innerer Faktor ist die hohe emotionale Empfindsamkeit. ADHS-Betroffene erleben Freude, Trauer, Begeisterung oder Schmerz oft intensiver als der Durchschnitt. Diese Intensität bedeutet, dass sie Konflikte oder Kritik viel tiefer treffen und Stresshormone häufiger ausgeschüttet werden. Die ständige Selbstkontrolle, um nicht „zu viel“ zu sein, kostet wiederum Kraft. Außerdem können hormonelle Schwankungen die ADHS-Symptome verstärken: Viele Frauen bemerken z. B. kurz vor der Periode eine Verschlechterung ihrer Konzentration und Stimmung. Auch Phasen wie Pubertät, Schwangerschaft oder Wechseljahre können das innere Gleichgewicht durcheinanderbringen. Wenn eine Frau nicht weiß, dass ADHS dahintersteckt, interpretiert sie diese zusätzlichen Schwierigkeiten schnell als persönliches Versagen – was erneut an ihrem Selbstwert nagt.

Äußere Faktoren: Hier sind vor allem gesellschaftliche Rollenbilder und Erwartungen zu nennen. Frauen wird oft implizit abverlangt, immer organisiert, zuverlässig und multitaskingfähig zu sein. Frau, die z. B. unordentlich oder vergesslich ist, stößt schneller auf Unverständnis („Wie kann man nur so chaotisch sein?“) – während bei einem Mann vielleicht eher ein „typischer zerstreuter Professor“ vermutet wird. Diese Doppelmoral setzt Frauen mit ADHS zusätzlich unter Druck. Viele strengen sich daher übermäßig an, um ja nicht als unzulänglich aufzufallen. Beruflich kommt hinzu, dass die moderne Arbeitswelt mit ihren strikten Deadlines, Meetings und Reizfluten (Großraumbüro, E-Mail-Dauerfeuer) für ADHS-Betroffene besonders herausfordernd ist. Wenn keine Rücksicht auf neurodiverse Bedürfnisse genommen wird, müssen Frauen mit ADHS im Alleingang Wege finden, dennoch zu funktionieren. Das Umfeld reagiert leider nicht immer mit Verständnis: Vergesslichkeit oder Unpünktlichkeit werden als Faulheit ausgelegt, Stimmungsschwankungen als Launenhaftigkeit. Solche Stigmatisierungen können dazu führen, dass Betroffene noch stiller werden über ihre Probleme. Aus Angst vor Ablehnung oder Sonderbehandlung bitten sie nicht um Hilfe oder notwendige Anpassungen – und kämpfen stattdessen im Stillen weiter.

Auch im privaten Umfeld gibt es äußere Faktoren. Eine Frau mit ADHS übernimmt vielleicht – wie von ihr erwartet – den Großteil der Familienorganisation, obwohl ihr das strukturierte Planen extrem schwerfällt. Oder sie stürzt sich in jede Aufgabe, um bloß kein Versagen zu zeigen, weil Partner, Kinder oder Eltern ein bestimmtes Bild von ihr haben. Manche geraten an Partner, die ihre Andersartigkeit ausnutzen oder sie klein halten, was den negativen Selbstwert noch verschlimmert. Kurz gesagt: Überforderung entsteht oft im Zusammenspiel. Die innere Neigung, sich zu überfordern, trifft auf äußere Umstände, die wenig Spielraum für „Anderssein“ lassen. Ohne Wissen über ADHS versuchen Frauen, den Erwartungen um jeden Preis zu entsprechen – oft bis zur völligen Erschöpfung.

Was Betroffene tun können

Auch wenn all dies ernüchternd klingt, gibt es Hoffnung und Hilfe. Immer mehr Menschen erkennen ADHS bei Erwachsenen an, und gerade Frauen erhalten heute häufiger die richtige Diagnose als noch vor Jahren. Betroffene müssen diese Herausforderungen nicht alleine bewältigen. Folgende Schritte und Strategien können helfen, mit ADHS im Alltag besser umzugehen und einem Burnout entgegenzuwirken:

  • Professionelle Diagnostik suchen: Wer sich in der Beschreibung wiedererkennt und den Verdacht hat, als Erwachsener ADHS zu haben, sollte sich an einen Fachärzt*in oder Psychologen wenden, der auf ADHS spezialisiert ist. Die Diagnose bei Erwachsenen umfasst in der Regel ausführliche Gespräche zu aktuellen Problemen und zur Kindheit, standardisierte Fragebögen und Tests sowie den Ausschluss anderer Ursachen. Wichtig ist, hierbei offen über die eigenen Schwierigkeiten zu sprechen – auch über vermeintlich peinliche Dinge wie Chaos im Haushalt oder emotionale Ausbrüche. Eine klare Diagnose ist der erste Schritt, um gezielte Hilfe zu bekommen. Viele Frauen empfinden die Diagnose sogar als Erleichterung: Endlich gibt es eine Erklärung für das Erlebte, man kann sich selbst in einem neuen Licht sehen und aufhören, sich ausschließlich die Schuld zu geben.

  • Wissen und Verständnis aufbauen: Lernen Sie so viel wie möglich über ADHS – Wissen ist Macht. Zu verstehen, wie ADHS das Gehirn beeinflusst und warum man bestimmte Dinge so empfindet oder tut, nimmt schon viel Selbstvorwürfe. Es gibt heute zahlreiche Bücher, Online-Ratgeber und Selbsthilfegruppen zu ADHS bei Frauen. Der Austausch mit anderen Betroffenen (zum Beispiel in Foren oder lokalen Gruppen) kann enorm entlastend sein. Man merkt: Ich bin nicht allein und nicht „verrückt“ – anderen geht es ähnlich. Das stärkt das Selbstwertgefühl und hilft, sich selbst mit mehr Mitgefühl zu begegnen.

  • Alltagsstrategien entwickeln: Im Alltag können strukturierende Hilfen Wunder wirken. Nutzen Sie Kalender, To-Do-Listen und Erinnerungs-Apps, um Wichtiges im Blick zu behalten – das entlastet das Gedächtnis. Teilen Sie große Aufgaben in kleine Schritte und setzen Sie Prioritäten, damit Sie nicht alles auf einmal angehen müssen. Routine und feste Abläufe geben Halt: z. B. morgens immer zur gleichen Zeit aufstehen, einen Wochenplan für Haushaltstätigkeiten erstellen, Schlüssel und Brieftasche zuhause immer am selben Ort ablegen. Solche Gewohnheiten müssen zwar trainiert werden, helfen aber, Chaos zu reduzieren. Planen Sie auch bewusst Pausen und Erholungszeiten ein – ohne schlechtes Gewissen. Ihr Gehirn braucht zwischendurch Ruhe, um leistungsfähig zu bleiben. Genauso wichtig: Bewegung und Schlaf. Regelmäßiger Sport (selbst ein Spaziergang) baut Stress ab und verbessert die Konzentration; ausreichender Schlaf stabilisiert die Stimmung und Aufmerksamkeit. Wenn Sie merken, dass Sie wieder in eine Ãœberforderungs-Spirale geraten, versuchen Sie innezuhalten: Was kann ich vereinfachen oder kurzfristig streichen? Es ist keine Schande, Hilfe anzunehmen – sei es vom Partner, von Freunden oder durch bezahlte Unterstützung (z. B. eine Putzhilfe). Entlastung im Alltag ist entscheidend, um nicht auszubrennen.

  • Therapeutische Unterstützung nutzen: Eine Psychotherapie kann sehr hilfreich sein, um mit ADHS besser umzugehen. Spezielle verhaltenstherapeutische Ansätze (z. B. kognitive Verhaltenstherapie) vermitteln Techniken, wie man seine Aufmerksamkeit steuern, mit Aufschieberitis umgehen oder negative Gedanken über sich selbst verändern kann. In der Therapie kann man auch lernen, extreme Emotionen besser zu regulieren und das eigene Stressmanagement zu verbessern. Wichtig ist, eine Therapeutin zu finden, der/die Erfahrung mit ADHS hat, damit die Besonderheiten verstanden werden. Neben Einzeltherapie gibt es mancherorts Gruppentherapien oder Trainings für ADHS im Erwachsenenalter, wo man gemeinsam alltagspraktische Fertigkeiten übt. Falls zusätzlich Depressionen oder Angststörungen vorliegen, sollten diese selbstverständlich mitbehandelt werden – oft bessern sie sich jedoch schon, wenn die ADHS angegangen wird, da sie in vielen Fällen Folge der jahrelangen Ãœberlastung waren.

  • ADHS-Coaching und weitere Hilfen: Neben der klassischen Therapie kann ein ADHS-Coach oder eine Ergotherapeutin mit Schwerpunkt ADHS wertvolle Unterstützung bieten. Coaching ist meist praxisorientierter: Hier geht es z. B. darum, gemeinsam Ordnungsstrukturen zu entwickeln, Zeitmanagement direkt im Alltag einzuüben oder berufliche Strategien zu erarbeiten. Ein Coach hilft beim Dranbleiben und dient als motivierender „Sparringspartnerin“. Zudem können Selbsthilfegruppen oder Online-Communities hilfreich sein, um Tipps auszutauschen und sich gegenseitig Mut zu machen. Manche Frauen holen sich auch Unterstützung durch Workshops oder Kurse, z. B. Achtsamkeitstraining (Mindfulness) gegen Stress oder Organisationstrainings. Jeder Baustein, der dabei hilft, den Alltag leichter zu bewältigen, reduziert die Gefahr eines Burnouts.

  • Medikamentöse Behandlung prüfen: Die Entscheidung für Medikamente ist sehr individuell, aber sie sei der Vollständigkeit halber erwähnt. Viele Erwachsene mit ADHS profitieren von Stimulanzien (wie Methylphenidat, bekannt als Ritalin®) oder anderen ADHS-Medikamenten, die vom Facharzt verordnet werden können. Diese Medikamente können die Konzentration und Impulskontrolle verbessern und so das ständige innere Chaos lindern. Sie sind keine „Wundermittel“, aber sie können wie eine Krücke oder Brille für das Gehirn wirken – plötzlich sind Dinge machbarer, die zuvor enorme Mühe kosteten. Dadurch verringert sich oft der chronische Stresspegel. Ob Medikamente infrage kommen, muss sorgfältig mit einem Arzt besprochen werden (inklusive Nebenwirkungen und Kontraindikationen). Viele Betroffene fahren gut mit einer Kombination aus Medikation, Therapie und Coaching, denn diese Ansätze ergänzen einander.

Abschließend ist wichtig zu betonen: Niemand ist schuld an seiner ADHS. Frauen mit ADHS neigen dazu, sehr hart mit sich ins Gericht zu gehen. Versuchen Sie, sich davon zu lösen. Sie sind weder „faul“ noch „unfähig“ – Ihr Gehirn arbeitet einfach etwas anders. Mit der richtigen Unterstützung und Selbstfürsorge können Sie lernen, mit dieser Andersartigkeit erfolgreich zu leben. Viele Frauen berichten, dass sie nach einer späten Diagnose zum ersten Mal anfangen, sich selbst zu akzeptieren und stolz auf das zu sein, was sie trotz aller Hürden geschafft haben.

Fazit: ADHS bei Frauen zu erkennen, ist eine Herausforderung – doch das Bewusstsein dafür wächst. Wer jahrelang unerkannt mit ADHS gelebt hat, für den kann die Diagnose ein Wendepunkt sein: Man versteht endlich die eigenen Bedürfnisse und kann gezielt daran arbeiten, das Leben stressärmer zu gestalten. Mit fachlicher Hilfe, einem unterstützenden Umfeld und vor allem verständnisvoller Selbstbehandlung ist es möglich, aus der Burnout-Falle herauszukommen. ADHS mag das Leben komplizierter machen, aber mit Wissen und passenden Strategien kann man es erfolgreich meistern – und sich dabei selbst treu bleiben.

Weitere Informationen:
https://www.selbstwege.de

Verfasser und Verantwortlich für den Inhalt:
Nathalie Grupp, Selbstwege, 81679 München
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