Narzissmus und toxische Beziehungen: Altes Phänomen in neuem Gewand?

Narzissmus und toxische Beziehungen: Altes Phänomen in neuem Gewand?

26.07.2024

Einleitung: Narzissmus – Ein Begriff wird populär

In den letzten Jahren hat das Wort "Narzissmus" immer mehr Aufmerksamkeit erlangt. Es scheint, als würde jeder von Narzissmus sprechen – in Blogs, auf Social Media und in den Nachrichten. Doch was bedeutet Narzissmus wirklich? Ist es nur ein Modewort oder ein echtes psychologisches Phänomen? Dieser Artikel wirft einen Blick auf die Ursprünge und die Entwicklung des Begriffs sowie auf die modernen Herausforderungen, die damit verbunden sind.

Die Aufklärung über Narzissmus durch Artemis Sengstock und ihre Wirkung

Artemis Sengstock war eine der ersten in Deutschland, die das Thema Narzissmus in den Vordergrund rückte. Seit 2016 setzt sie sich intensiv für die Aufklärung über narzisstischen Missbrauch ein. Ihre Ansätze sind oft direkt und unverblümt, was zuweilen als aggressiv empfunden werden kann. Doch ihre Arbeit hat wesentlich dazu beigetragen, das Bewusstsein für Narzissmus zu schärfen und viele Menschen dazu gebracht, ihre Beziehungen neu zu bewerten.

In den letzten Jahren ist die Aufklärung inflationär gestiegen, so dass bereits viele Paartherapeuten, Dating Coaches und auch einige allgemeine Therapeuten darüber sprechen. Was ich jedoch kritisch sehe, ist, dass die Aufklärung oft sehr hasserfüllt ist und teilweise eine regelrechte Hetze auf narzisstische Menschen auslöst. Ja, diese Menschen haben ihren Mitmenschen teilweise unvorstellbare Dinge angetan, aber dieser Hass und Groll, der verbreitet wird, schadet nur den Betroffenen und nicht dem Narzissten. Es ist, als würden sie sich ein Dolch ins Herz stechen und hoffen, dass der Narzisst davon stirbt.

Historische Perspektiven auf Narzissmus

Schon in der Antike gab es Figuren, die heute als narzisstisch beschrieben würden. Narzissmus als Eigenschaft ist also nichts Neues. Historische Persönlichkeiten, von Julius Caesar bis zu Ludwig XIV., zeigten Züge, die wir heute mit narzisstischen Störungen in Verbindung bringen würden. Diese historische Perspektive zeigt, dass Narzissmus kein modernes Phänomen ist, sondern tief in der menschlichen Geschichte verwurzelt liegt.

Narzissmus ist eine Eigenschaft, die in jedem Menschen steckt. Die Dosis macht das Gift. Eine gesunde Portion von Narzissmus schadet uns nicht; wenn die Merkmale jedoch überhandnehmen und andere Menschen psychisch oder gar physisch missbrauchen, unterdrücken, manipulieren, dann müssen wir den Narzissmus in seine Schranken weisen. Ein pathologischer Narzisst zeichnet sich durch ein tiefgreifendes Muster von Großartigkeit, ein übermäßiges Bedürfnis nach Bewunderung und ein mangelndes Einfühlungsvermögen aus.

Die Inflation der Aufklärung

Obwohl die Aufklärung über Narzissmus wichtig ist, hat ihre Popularität auch zu Missverständnissen geführt. Der Begriff wird oft zu leichtfertig verwendet, um schwierige oder selbstsüchtige Menschen zu beschreiben, ohne dass eine echte psychologische Diagnose vorliegt. Diese inflationäre Nutzung kann dazu führen, dass echte Fälle von Narzissmus nicht ernst genommen werden und die Betroffenen nicht die Hilfe erhalten, die sie benötigen.

Außerdem verbreitet sie negative Energie und befeuert die Hetze auf selbstbewusste, zielstrebige Menschen. Meiner Einsicht nach sollte die Aufklärung nüchterner und sachlicher erfolgen und mehr auf den Selbstschutz fokussieren – also auf die Steigerung des Selbstwerts und Selbstvertrauens sowie auf die Setzung gesunder Grenzen –, als auf die Trennung zwischen Narzisst und Nicht-Narzisst. Denn es gibt auch andere Persönlichkeitsstörungen, die toxische Verhaltensmuster aufweisen, doch die Aufklärung fokussiert sich fast ausschließlich auf die narzisstische Persönlichkeitsstörung.

Therapeutische Herausforderungen und Lösungsansätze

Die Behandlung von Narzissten ist kompliziert, da sie selten Leidensdruck empfinden und die Verantwortung für Probleme oft bei anderen sehen. Noch wichtiger ist daher die Hilfe für die Opfer narzisstischen Missbrauchs. Viele allgemeine Therapeuten erkennen die spezifischen Bedürfnisse der Opfer von Narzissten nicht, was zu weiteren Schädigungen führen kann. Hier sind spezialisierte therapeutische Ansätze gefragt, die nicht nur auf klassische Redetherapie setzen, sondern auch körperorientierte Techniken umfassen, um den Betroffenen echte Heilung zu ermöglichen.

Davon gibt es leider noch zu wenig. Viele Betroffene verlieren in so einer Beziehung nicht selten alles: Arbeit, ihr soziales Umfeld und sind danach nahezu mittellos und brauchen dringend professionelle psychotherapeutische Unterstützung, die in der Form, die ihnen wirklich hilft, meist nur von Heilpraktikern für Psychotherapie, speziell ausgebildeten Coaches und Paartherapeuten angeboten wird, wobei die Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen. Im besten Fall bekommen sie irgendwann einen Kassentherapieplatz bei einem Therapeuten, der ihnen nicht wirklich helfen kann, weil er sich nicht mit narzisstischem Missbrauch auskennt. Dann benötigen sie Jahre dieser Therapie und vielen geht es selbst nach Jahren immer noch nicht besser.

Heilpraktiker für Psychotherapie, Coaches und Paartherapeuten, die sich auf die Behandlung von Opfern von Narzissten spezialisiert haben, haben dagegen meist selbst einen narzisstischen Missbrauch erlitten und können sich in die Betroffenen besser einfühlen und ihnen helfen.

Fazit: Die Notwendigkeit einer qualitativen Aufklärung und spezialisierten Therapie

Narzissmus und toxische Beziehungen sind kein vorübergehender Trend, sondern eine Realität, die besondere Aufmerksamkeit erfordert. Eine kompetente Aufklärung und spezialisierte Therapieansätze sind unerlässlich, um den Betroffenen zu helfen, ein gesundes und selbstbestimmtes Leben zurückzugewinnen. Es ist unsere Verantwortung, sowohl als Gesellschaft als auch als Fachleute, dieses komplexe und tiefgreifende Phänomen ernst zu nehmen und angemessen darauf zu reagieren.

Weitere Informationen:
https://www.katharinalova.de/hilfe-bei-toxischen-beziehungen/

Verfasser und Verantwortlich für den Inhalt:
Katharina Samoylova, Heilpraktikerin für Psychotherapie, , 10719 Berlin
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