Kreativität meets Systemik: Walt Disney zirkulär
Kreativität meets Systemik: Walt Disney zirkulär
09.08.2013
Für ein Hamburger Institut habe ich vor kurzem einen kleinen Artikel über das Disney Kreativitäts-Konzept gekoppelt mit der Technik des Zirkulären Fragens geschrieben. Da ich mit einigen Bekannten und auch Klienten auf dieses Thema später zu sprechen kam, möchte ich hier die Gelegenheit nutzen und den Text in etwas abgeänderter Form präsentieren. Vielleicht ist er ja für manch einen Besucher der Homepage lehrreich oder zumindest eine erhellende Lektüre:
0. Einleitung
Oftmals werden Visionen oder Ideen von uns oder unserem Umfeld bereits im Keim erstickt, so dass ein Gedanke überhaupt nicht zum Tragen kommt. Im Rahmen von Einwandbehandlungsmethoden ist es recht gut möglich, externe Kritiker zum Dialog zu bewegen und somit eine Idee dann zumindest weiter auszuarbeiten.
Wie jedoch soll ich mit meinem internen Kritiker umgehen, wie schaffe ich es, meine Ideen und Visionen zielgerichtet und objektiv weiterzuentwickeln, wenn die Stimme im Kopf immer nur meckert?
Zu diesem Zweck wurde ein Modell entwickelt, welches die verschiedenen internen Teile mit einander in Verbindung setzt und so die internen Beteiligten am Ideen-Entwicklungsprozess zu einem System zusammenfasst und miteinander verknüpft. Es handelt sich hierbei um das sogenannte Disney Konzept.
Diese hier im Folgenden vorzustellende Strategie geht zurück auf Walt Disney, bekannt durch die beliebten Comics und Trickfilme. Walt Disney wurde nachgesagt, dass er ein Mensch mit ausgeprägter Fantasie gewesen sei, der sehr gezielt seinen Ideenfindungsprozess gesteuert hat, indem er am Prozesse beteiligten inneren Anteile benannt und einzeln nach ihrer Meinung befragt hat. Er hat dabei die drei von ihm herausgearbeiteten Systemteile sogar räumlich (durch Bodenanker, manche sprechen auch von Sesseln) voneinander getrennt befragt und ist mit dem jeweiligen Teil in Diskurs gegangen. Diese drei Teile waren „der Kritiker“, „der Träumer“ und „der Realist“.
Dieses Konzept greift somit die Teile des internen Dialogs auf, die bspw. auch in einem realen externen Gespräch immer wieder aufzufinden sind: Ein Lösungsvorschlag wird gemacht, sofort von einer anderen Person kritisiert, dann kommt wieder eine weitere Person, die diesen Vorschlag aufnimmt und weiterdenkt und neue Aspekte hineinarbeitet. Diese gehen oftmals in einen Schlagabtausch, in den sich gern auch noch jemand einmischt, der die Situation realistisch beobachtet und genauer erörtert. Es zeigt sich hier immer wieder, dass eine Idee nur dann hinreichend entwickelt werden kann, wenn alle diese drei Protagonisten ausreichend zu Worte kommen und ihre Sichtweisen gewürdigt werden, damit sich daraus ein gutes, stimmiges Ganzes entwickelt.
1. Darstellung des Disney Konzepts
Jede Person verfügt über alle drei internalen Rollen (Kritiker, Träumer, Realist) in unterschiedlich ausgeprägtem Maße. Allerdings wird es durch die Verquickung miteinander oftmals schwer, alle drei Rollen gleichberechtigt zu berücksichtigen, sodass die am stärksten ausgeprägte Seite oftmals die Oberhand gewinnt und dadurch der Ideenfindungsprozess zum stocken kommt.
Das Disney Konzept sieht nun vor, dass diese drei Rollen getrennt voneinander zu ihrer Meinung befragt werden, alle drei Anteile also getrennt voneinander betrachtet werden können. Später können dann alle Teile wieder zu einem Ganzen vereint werden und die drei können sich miteinander austauschen und sich gegenseitig ergänzen. Dieser Ansatz ermöglicht es dann also, dass zum Beispiel der Visionär nicht sofort vom Kritiker zerredet wird.
Eine getrennte Betrachtung der drei Rollen erfolgt beispielsweise durch drei Bodenanker, je einen für die jeweilige Rolle: Ein Blatt Papier auf dem Fußboden (beschriftet mit den Worten Realist, Kritiker oder Träumer). Beim Einnehmer einer der Rollen kann man sich dann auf das jeweilige Blatt Papier stellen und dadurch besser “in die Rolle schlüpfen”. In den verschiedenen Positionen kann ich dann den entsprechenden Anteil direkt befragen. Folgende Fragen bieten sich hier an:
Fragen an den Kritiker:
- Wieso wird sich diese Idee nicht durchsetzen lassen?
- Welche Auswirkungen hat die Idee auf mein Umfeld und die Betroffenen?
- Wer wird dagegen sein und warum?
- Welche Einschränkungen muss ich in Kauf nehmen?
Fragen an den Visionär:
- Was genau ist mein Wunsch?
- Was sind die Vorteile für mich, meine Umwelt, die Beteiligten?
- Wann wird das Ziel erreicht sein?
- Welche Chancen ergeben sich dann noch?
Fragen an den Realisten:
- Wie genau soll die Idee umgesetzt werden mit den zur Verfügung stehenden Mitteln?
- Welcher zeitliche Rahmen ist dafür realistisch?
- Welche Teilschritte sind dabei erforderlich, welche zusätzlichen Aufgaben ergeben sich daraus?
- Woran erkenne ich, dass ich die Teilziele bzw das Endziel erreicht habe?
- Wer sind die Beteiligten überhaupt?
Die Befragung der drei Teile ergibt dann eine Sammlung von Meinungen, die immer noch getrennt voneinander notiert werden. Es wird also die Ebene der Wünsche und Visionen notiert und in eine Ordnung gebracht. Es werden die Möglichkeiten und Vorgehensweisen aufgenommen und sortiert und dann wird die konstruktive Kritik betrachtet um Risiken in Reihenfolge, Gewichtung und Zielerreichung zu hinterfragen, Probleme rechtzeitig zu erkennen und eine hohe Qualität sicherzustellen.
In einem nächsten Schritt kann noch einmal die Realistenposition eingenommen werden, um die Kritikpunkte objektiv zu bewerten und in der Idee zu berücksichtigen. Evtl ist es dann auch noch von Vorteil, noch ein weiteres Mal in die Position des Visionärs zu gehen, um seine Sicht auf die Kritik zu erfassen.
Es kann sehr gut sein, dass nach dem (evtl mehrmaligen) Durchlaufen der verschiedenen Positionen der Wunsch entsteht, die Bodenanker zu verändern und anders zu positionieren, weil sich die Beziehung der verschiedenen Anteile zueinander geändert hat. Diese Neupositionierung wird dann durchgeführt und noch ein weiteres Mal werden alle Positionen eingenommen, um zu schauen ob der veränderte Blickwinkel zueinander auch inhaltliche Änderungen nach sich gezogen hat. Die Arbeit mit den Bodenankern erinnert somit schon sehr stark an die Aufstellungsarbeit, die man aus der Systemischen Schule kennt.
2. Erweiterung des Disney Konzepts durch Zirkuläre Fragen
In meiner Arbeit mit Klienten und auch bei meinen persönlichen Herausforderungen komme ich immer wieder dazu, dass ich dieses Brainstorming der drei Disney-Rollen ergänze durch gezielt angewandte zirkuläre Fragen.
In der Systemischen Beratung gilt die Vorannahme, dass der gesamte Kontext eines Klienten Einfluss auf ihn hat und prozessual wechselseitig, vernetzt verbunden ist. Durch das zirkuläre Fragen wird der Klient ermutigt, einen anderen Standpunkt als den eigenen einzunehmen und sein System aus einem anderen Blickwinkel wahrzunehmen. Eine zirkuläre Frage stellt also ein Angebot dar, eine Außenperspektive einzunehmen. Beispiele für zirkuläre Fragen können sein: “Was sagt Ihre Frau zu Ihrem Verhalten?”, “Was denkt Dein bester Freund über Dein Problem?”, “Was würde Ihr Nachbar dazu sagen, wenn er hier wäre?”
Der Fragende ist durch diese Technik in der Lage, Informationen über den Kontext des Befragten herauszuarbeiten, Vernetzungen mit allen Beteiligten prägnanter und erlebbarer zu machen und daraufhin auch Ideen für neue Bedeutungsgebung mitzugeben.
Das Konzept des zirkulären Fragens ist also dem Disney-Konzept relativ ähnlich – es werden verschiedene Aspekte zu einem Thema beleuchtet, verschieden Sichtweisen erarbeitet. Aus diesem Grund finde ich es manchesmal sehr aufschlussreich, wenn man die drei Disney-Rollen mit Hilfe von zirkulären Fragen durcharbeitet. Hier einige mögliche Fragen im Rahmen einer beispielhaften Zielklärung für eine Unternehmensvision:
Zirkuläre Fragen in der Visionärsrolle:
- Wie würden Deine zukünftigen Mitarbeiter von Deinem neuen Unternehmen sprechen?
- Was macht Dein neu gefundenes Team dann anders als andere Teams?
- Angenommen, die Wirtschaftswoche berichtet über Dein neues Unternehmen. Was wird sie schreiben?
Zirkuläre Fragen in der Kritikerrolle:
- Ein Mitarbeiter kündigt. Welchen Grund hat er dafür?
- Wie würde ein Konkurrent versuchen, Dir Deine Geschäftsidee auszureden?
- Es gibt plötzlich Probleme im Team zu klären… Welche sind das? Woher kommen sie?
Zirkuläre Fragen in der Realistenrolle:
- Was wird Dein Sohn seinen Schulkameraden erzählen, wenn er gefragt wird, was sein Vater beruflich macht?
- Woran erkennst Du, dass Du Dein Ziel überhaupt erreicht hast?
- Was werden die Mitarbeiter bzgl der Zusammenarbeit mit Dir in ihren Jahresgesprächen berichten?
Man kann schnell erkennen, dass durch diese zusätzliche Ebene des Fragens eine Idee oder ein Vorhaben noch besser beleuchtet werden kann.
3. Fazit
Es hat sich hier gezeigt, dass es möglich ist, therapeutische Konzepte (Zirkuläre Fragen) und Kreativkonzepte (Disney) miteinander zu verquicken und dadurch zusätzliche Nuancen in der Beratungsarbeit zu ermöglichen.
Die oben aufgezeigte Kombination kann einen guten Fahrplan durch ein Beratungsgespräch bieten oder auch im Selbstcoaching wunderbar angewendet werden, da die drei Rollen der Disney-Strategie leicht zu merken und bearbeiten sind. Innerhalb jeder Rolle kann dann die „zirkuläre Brille“ aufgesetzt werden und der Ratsuchende nach zusätzlichen Sichtweisen und Interpretationen befragt werden. Ein großer Vorteil dabei ist es, dass hier nicht sofort das gesamte Problem beleuchtet werden muss, sondern immer nur ein Teil desselben.
Der Befragte wird durch die Kombination auf mehreren parallelen Ebenen angeregt, in sich zu gehen und zu sein Aufgabe zu erforschen und dann zu einem objektiven, weil vielseitig beleuchtetem, Abschluss zu finden.
Letztendlich sind beide Konzepte sich sehr ähnlich: Weg vom eigenen kleinen, eingeschränkten Weltbild und hin globaleren Rundum-Blick. Ziel sollte letztendlich sein, die größtmögliche Einsicht zu erhalten.
Weitere Informationen:
http://www.mndtnk.de/2012/zirkularer-walt-disney/
Verfasser und Verantwortlich für den Inhalt:
Enno Olbrich, Heilpraktiker für Psychotherapie,
Hanse-Hypnose, 22083 Hamburg
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