Was wirklich selbstbewusst macht (schlaue Kalendersprüche tun's leider allein nicht)
Was wirklich selbstbewusst macht (schlaue Kalendersprüche tun's leider allein nicht)
20.04.2018
Kennen Sie die auch, diese wunderbaren Sprüche und Zitate, die man überall – auf Postkarten, Aufklebern, Frühstücksbrettchen, Kaffeetassen, Facebook (der ein oder andere ziert bestimmt auch meine Seite ;-), Instagram usw. – zum Thema „Selbstbewusstsein“ findet? „Du bist schön“, „Du bist wundervoll“, „Pfeif (oder das andere Wort, Sie wissen schon …) auf die Meinung anderer“, „Sei Du selbst“, „Spüre die Kraft in Dir“ … ach ja, was wär das schön, wenn es so einfach wäre. Meiner Erfahrung nach verhält es sich mit solchen Affirmationen allerdings so: sie wirken – und zwar vor allem bei den Menschen, die … tja … schon selbstbewusst sind. Diejenigen aber, die unter einem geringen Selbstwertgefühl leiden, können derlei Sprüche eher noch mehr runterziehen. Warum? Weil sie das, was sie lesen, nicht glauben können. Und wenn man nicht glaubt, was man da liest – wie soll man es dann umsetzen können? „Mach Dein Ding!“ beispielsweise: Was ist denn aber überhaupt mein Ding? Und was war mein Ding bisher? Und was soll zukünftig mein Ding sein? Und wie stelle ich es an, dieses Ding zu machen – so klein, wie ich mich fühle? Am Ende kann es passieren, dass ich mich noch kleiner fühle, weil ich mich selbst dafür verurteile, es mal wieder nicht hingekriegt zu haben – typisch! Was fehlt hier also, damit ich mir mein Butterbrot gerne auf einem Brettchen mit der Aufschrift „Falls es dir heute noch keiner gesagt hat: Du bist toll!“ serviere? Ich muss mir meiner selbst bewusst sein – oder werden. Ich glaube, dass es dazu einerseits eines Blicks in die eigene Vergangenheit braucht. Um zu verstehen, warum ich mich in manchen Lebensbereichen oder in bestimmten Situationen wertlos fühle, ist die Erkenntnis hilfreich, welche Erfahrungen ich in meinen frühestens Lebensjahren mit Eltern, Geschwistern, Großeltern und in meinem sozialen Umfeld gesammelt habe, wie die familiären Strukturen gestaltet waren, welche Werte und Glaubenssätze hier – bewusst oder unbewusst – gelebt wurden. Ein übergewichtiges Kind, das permanent hört, dass es hässlich ist, wird ein anderes Körpergefühl aufbauen als eines, dessen Eltern das Problem zwar thematisieren, aber dem Kind dennoch vermitteln, dass es geliebt wird und viele Stärken hat, auf die man stolz ist. Ein Kind, das mit dem Glaubenssatz aufwächst, dass „Eigenlob stinkt“, wird sich wahrscheinlich bis ins Erwachsenenalter hinein nie wirklich über seine Erfolge freuen können, geschweige denn, diese mit anderen teilen können. Aber auch Extreme am gegenüberliegenden Pol tut der Ausbildung eines gefestigten Selbstbewusstseins nicht gut: Ein Kind, das zuhause unumstößlich als der Schönste, Tollste, Intelligenteste, Schnellste, Sportlichste gilt, wird vielleicht immer auf Lob und Beifall von außen angewiesen sein. Ihm bleibt damit die Erfahrung verwehrt, wie gut es sich anfühlt, von innen heraus stolz auf sich zu sein. Zudem wird er sich womöglich schwer mit Kritik, Niederlagen und Frustrationen tun. Menschen, die in einem solchen Umfeld überzogener Lobeshymnen aufgewachsen sind, gelten später schnell als überheblich und selbstverliebt. In Wirklichkeit verfügen sie jedoch über zu wenig Selbstbewusstsein oder Selbstwertgefühl. (Eingeschobenes P.S.: In diesem Zusammenhang erfreut sich der Begriff „Narzissmus“ seit einiger Zeit wachsender Beliebtheit. Ich persönlich finde diese inflationäre Entwicklung ziemlich bedenklich. Nicht jeder egozentrische Angeber ist ein Narzisst oder leidet an einer behandlungsbedürftigen narzisstischen Persönlichkeitsstörung.)
Neue Samen in Ihrem Lebensbeet lassen bunte, starke Pflanzen wachsen
Wenn wir uns trauen (klar, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen erfordert Mut, weil wir mit mitunter schmerzhaften Erfahrungen konfrontiert werden, die wir lieber verdrängen, statt sie in unsere Persönlichkeit zu integrieren), uns kritisch und gleichzeitig wohlwollend mit den Prägungen in unserer Kindheit zu beschäftigen, haben wir die Chance, uns die bis jetzt unbewusst entwickelten Werte, Denk-, Gefühls- und Handlungsmuster bewusst zu machen – um sie dann zu überprüfen: Was davon stimmt eigentlich (noch)? Was ist hilfreich für meinen zukünftigen Weg und meine Beziehungen? Welche neuen Entscheidungen kann und möchte ich treffen? Wir säen sozusagen neue Samen – und gestalten damit unser ganz eigenes, selbstbestimmtes „Lebensbeet“. Allerdings: Sanfte Gewächse entwickeln sich nur dann zu schönen, starken, widerstandsfähigen Pflanzen, wenn wir sie regelmäßig gießen, sie ausreichend Sonne bekommen und wenn wir sie vor Ungeziefer schützen. Das heißt, die neue – selbstbewusstere – innere Haltung muss auch im Außen gelebt werden. Wenn ich lernen will, auch mal „Nein“ zu meiner Kollegin zu sagen, die zum dritten Mal in diesem Jahr fragt, ob sie den Brückentag frei machen kann … muss ich es tun, ich muss „Nein“ sagen. Wenn ich lernen will, mich mit meinem Partner austauschen statt den Rückzug zu wählen … muss ich es tun. Ich muss das Gespräch mit ihm suchen.
2 bis 3 Portionen Selbstbewusstsein, bitte!
Fast alle Menschen, die mein Coaching-Programm „3 Blaue“ buchen, formulieren u.a. als Ziel, selbstbewusster zu werden. Sie schätzen zu Beginn des gesamten Prozesses ein, auf welchem „Level“ sie aktuell unterwegs sind und legen fest, was konkret erreicht werden soll. Und dann machen wir das oben Beschriebene: wir schauen uns „alte“ Muster an, überprüfen, klären, lösen die, die sich als hinderlich herausstellen, und entwickeln „neue“ Perspektiven. Das Ganze lehnt sich dabei immer an Herausforderungen und Probleme an, die momentan im Lebensalltag anstehen. Das dauert seine Zeit (wie das nun mal so ist mit den Pflanzen), aber für die Kundin, die sich nach drei Monaten auf einer Skala von 0 bis 10 zwischen 8 und 10 sieht, haben sich Geduld und Dranbleiben gelohnt. Seitdem schmeckt ihr das Butterbrot auf dem Sprüche-Brett übrigens doppelt so gut.
Das bedeutet Selbstbewusstsein für mich
Was für mich persönlich selbstbewusste Menschen ausmacht? Das würde eine lange Liste, nehme ich an. Aber ein paar Punkte fallen mir mehr oder weniger spontan ein:
- Wer selbstbewusst ist, weiß um seine Größe – ohne andere klein machen oder halten zu müssen.
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Wer selbstbewusst ist, steht für seine Fehler ein und übernimmt die Verantwortung dafür – ohne sich ein Märtyrerhemd überstreifen zu müssen.
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Wer selbstbewusst ist, kann „Nein“ sagen zu Menschen, Umständen und Dingen, die ihm nicht gut tun – und ist dankbar für das, was ihm gut tut.
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Wer selbstbewusst ist, vertraut sich selbst, dem Leben und anderen Menschen (im Großen und Ganzen ;-) – und weiß gleichzeitig um die eigenen und die Schwächen der anderen.
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Wer selbstbewusst ist, kann Nähe zulassen – und nimmt sich gleichzeitig den Freiraum, den er für sich braucht.
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Wer selbstbewusst ist, findet vieles an sich gut, einiges o.k. und ein paar Kleinigkeiten naja – und kann über seine (vermeintlichen) Makel auch mal schmunzeln.
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Wer selbstbewusst ist, hat das Gute und Schöne im Fokus – ohne naiv zu sein.
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Wer selbstbewusst ist, verfolgt beharrlich seine Ziele – und weiß, wann es an der Zeit ist, Pläne zu ändern.
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Wer selbstbewusst ist, stellt sich den Ängsten, die ihm den Weg versperren – und nimmt die Liebe mit.
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Wer selbstbewusst ist, hat Mut zur Ehrlichkeit – und weiß, wann es besser ist zu schweigen.
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Wer selbstbewusst ist, nimmt Dinge persönlich, die es wert sind – und lässt alles andere hinter sich.
Bin ich Superwoman?
Ob ich all das selbst bin und lebe? Natürlich nicht. Jedenfalls nicht permanent. Und nicht zu 100 Prozent. Ich habe beispielsweise großen Respekt vor Live-Videos auf Facebook – da könnte schließlich was schief gehen (Technik und so), oder ich verhaspele mich, oder ich langweile die Zuschauer, oder, oder, oder. Aber machen werde ich es dennoch … demnächst ;-). Außerdem neige ich immer noch manchmal dazu, mich mit anderen zu vergleichen: diiieee hat ja alles besser und toller: „ihr Haus, ihr Auto, ihre Yacht“ (oder war’s ein Pferd?), die Haare schön und überhaupt … Im Gegensatz zu früher weiß ich aber zum Glück, was dahinter steckt und wie ich besser damit umgehen kann. Ach ja: Und wenn ich mich mal wieder mit meinen Kindern über das Chaos in ihren Zimmern streite oder weil alles an mir hängen bleibt (auf weitere Themen gehe ich an dieser Stelle der Beteiligten zuliebe nicht ein), habe ich als Mutter ganz offensichtlich komplett versagt (und das als Diplom-Pädagogin) – allerdings kann ich heute schneller über diese Gedanken lachen, die Dinge wieder in ein gesundes Verhältnis rücken und sehen, was ich da für drei tolle Menschen um mich herum habe. Auf der Selbstbewusstseins-Skala von 10 pendele ich also meistens zwischen einer 7 ¾ und 9,5 hin und her. Alles andere wäre ja auch langweilig oder – um mit einem Kalenderspruch abzuschließen: „Perfekt sein ist nicht perfekt. Denn das einzig Perfekte ist, nicht perfekt zu sein.“ Das tut meinem Selbstbewusstsein jetzt doch irgendwie gut ...
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Verfasser und Verantwortlich für den Inhalt:
Sandra Hinte, Ganzheitlicher Coach,
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